Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 23. Oktober 2004 schrieb uns Frau B.:

Hallo,

ich habe vor kurzem Eure Antwort zu der Frage gelesen, ob ein Atheist kirchlich heiraten kann. Ich fand Eure Antwort interessant, aber ich habe da eine andere, und vielleicht auch schwierigere Frage. Ich bin nicht religiös, habe drei Kinder von einer vorigen Ehe, und habe mich in einen christlichen Mann verliebt. Er ist sich unklar, ob er mich heiraten soll oder kann, weil ich schon verheiratet war. Wie sehen Sie das?
Im voraus, danke ich Euch für Eure Antwort.

B.

Unsere Antwort:

Liebe Frau B.,
vielen Dank für Ihre Mail, in der Sie sich auf unsere Antwort vom 6.12.2002 auf eine Leserfrage zur Ehe von Katholiken mit Atheisten beziehen. Ich kann also annehmen, dass Ihnen das dort Geschriebene bekannt ist. Da Sie aber in den USA leben, einem multikulturellen Land mit vielen Religionen und Traditionen, und sich auch selbst als "nicht religiös" bezeichnen, erlaube ich mir, Ihnen zum besseren Verständnis ausführlicher zu antworten.

Die Ehe ist bekanntlich ein öffentlicher, gesellschaftlich anerkannter Vertrag, den eine Frau und ein Mann schließen, um eine Familie zu gründen. Solche Verträge kennt die Menschheit schon seit Jahrtausenden. Sie hatten in erster Linie den Sinn, den Besitzstand des Paares zu regeln und vor allem die Existenzgrundlage der Frauen und Kinder zu sichern.
Es ist wichtig, sich zunächst auf diese trockene und nüchterne Definition einzulassen und die gefühlsbetonte Seite (wie Verliebt-sein, Hochzeitsfeier, Zeremonie, kirchliche Heirat usw.) auszublenden. Denn "unromantischen" Ehen gab es früher mehr als Liebesheiraten. Es gab natürlich auch viele öffentliche und versteckte Trennungen und viel Leid und Unheil. Und weil die Menschen die Erfahrung machen mussten, dass das Zusammenleben in Familien schwer ist, hat die Gesellschaft diese Institution geschützt, Regeln und Gesetze aufgestellt. Auch die Religionen als Träger des moralischen Lebens waren dafür zuständig. Und so entwickelten sich langsam in allen Religionen und Kulturen Zeremonien und Bräuche, Normen und Sanktionen, die alle etwas mit dem Schutz der Ehe und Familie zu tun hatten. So auch in der christlichen Religion.

Es gab aber - und gibt immer noch - auch Fehlformen; z.B. wenn die Familienclans Ehen organisiert haben, um den Besitz zu wahren oder zu vermehren oder wenn Frauen wie Objekte "verheiratet" wurden usw. In diesen Fällen wurden die betroffenen Frauen und Männer häufig nicht gefragt, nicht die Personen standen im Zentrum des Vertrags, sondern die Materie, das Geld und die Macht oder andere Interessen. - Wer heute in Ländern westlicher Kulturen heiratet, geht aber im allgemeinen davon aus, dass für eine Ehe Partnerschaft und Gleichberechtigung, Liebe, Zuneigung und Verständnis, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung unabdingbar sind. Zwar scheint der Begriff "Treue" in der Öffentlichkeit viel Ansehen verloren zu haben, dennoch denken alle Paare bei der Eheschließung, dass sie die Treue halten wollen und ihre Ehe dauerhaft sein wird. (Über die Treue haben wir schon in unserer Antwort vom 6.12. geschrieben.)

Eine Bemerkung noch zu den christlichen Vorstellungen von Ehe. Sie schreiben ja, dass Ihr Partner Christ ist. Ganz klar ist aber nicht, aus welchen konfessionellen Hintergrund er stammt. Denn gerade hier gibt es Unterschiede. Die "alten", vorreformatorischen Kirchen und in der Folge die katholische Kirche, verstand (wie schon in der ersten Antwort gezeigt) die Ehe als Sakrament. (Ein Sakrament ist nach dem christlichen Glauben eine religiöse Handlung, ein Zeichen, bei dem eine besondere Gnadenwirkung mit verbunden ist.) Weil also die Ehe in diesem Verständnis mehr ist als ein weltlicher Vertrag, wird sie (mit Bezug auf Mk 10,7f, Mt 5,31f, 1 Kor 7,10f und Eph 5,22-33) als unauflöslich betrachtet. An dem hält die katholische Kirche heute noch fest. Eine Wiederheirat ist nur beim Tod eines Partners möglich. Eine Möglichkeit der Wiederverheiratung Geschiedener sieht man nur darin, dass ein kirchliches Gericht die Ehe annulliert, d.h. für ungültig erklärt. Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen schon vor der Ehe vorliegen. Wenn z.B. psychische Krankheiten die Mündigkeit eines Partners bei der Eheschließung in Frage stellen, wenn nachzuweisen ist, dass ein Partner unfreiwillig in die Ehe ging oder kriminelle Täuschungen vorlagen usw., dann befindet das kirchliche Gericht, dass die Ehe gar nicht zustande kam und folglich auch nicht geschieden wurde. Solche Prozesse haben in der Regel jahrelange Wartezeiten und sind vielen katholischen Christen fragwürdig geworden.
Die meisten Reformatoren sahen die Ehe nur als "weltliche" Einrichtung, also nicht als Sakrament. Für die evangelischen Kirchen ist die standesamtliche Heirat die Basis der Ehe. Die Kirche gibt quasi nur den Segen dazu. Dennoch waren die evangelischen Kirchen in der Vergangenheit nicht minder streng. Man hielt sich an die Bergpredigt, wo bei Mt 5,32 zu lesen ist, dass die Heirat mit einer geschiedenen Frau einem Ehebruch entspricht.

Einig sind sich alle christlichen Kirchen, dass nach dem Befund der Evangelien zur Ehe die umfassende partnerschaftliche Zuordnung von Mann und Frau gehört, gegenseitiges Dienen und gegenseitige Liebe; einig sind sich auch die Theologen, dass bei einigen Formulierungen im Neuen Testament die patriarchale Gesellschaftsordnung der damaligen Zeit noch durchscheint. Die heutigen Seelsorger der christlichen Kirchen sind milder geworden und wissen um die Not der Geschiedenen und um die Unmöglichkeit, über die Schuldfrage zu urteilen. Sie halten sich heute mehr an Joh 8, 3-11 (vgl. unsere letzte Antwort) und weniger an Mt 31-32. Es gibt immer mehr in katholischen Kirchen besondere (nichtsakramentale) Formen kirchlicher Heiraten für Geschiedene; in den meisten evangelischen Kirchen ist das Problem der Wiederverheiratung Geschiedener kein Thema mehr. - Vor wenigen Tagen schrieb der katholische Theologe Peter Eicher von der Universität Paderborn zu der o.a. Matthäus-Stelle (Publik-Forum 20/2004, S. 30): " ›Scheide dich nicht und heirate keine Geschiedene‹ kann zum höchsten Unrecht aus höchstem Rechtsdruck werden. Die Haltung der Bergpredigt, der Durst nach Gerechtigkeit verlangt eine Revision dieser jesuanischen oder auch matthäischen Anweisung. Weder die Bergpredigt noch das Evangelium sind unfehlbar - der Papst erst recht nicht. Behauptungen von Unfehlbarkeit sind unmoralisch, weil sie dem Gesetz der Freiheit widersprechen."

Ich habe Ihnen das alles ausführlicher geschrieben, damit Sie Ihren Partner verstehen können. Wer christlich erzogen ist, hat je nach kirchlichem Hintergrund solche Normen internalisiert, manchmal ohne das zu wissen und zu wollen. Wenn es Ihnen gelingt, im gemeinsamen Dialog darauf respektvoll einzugehen, werden sich sicher solche Widerstände auflösen lassen. Sie können ja für solche Gespräche die o.a. Textstellen gemeinsam lesen und diskutieren. - Entscheiden, ob es heiraten soll oder kann - oder nicht, muss sich jedes Paar, mit und ohne religiösem Hintergrund. Je mehr Sie in dieser Phase liebevoll und in partnerschaftlicher Freiheit über solche Widerstände offen sprechen, umso stabiler und damit umso tauglicher für eine dauerhafte Bindung in der Ehe wird Ihre Beziehung werden. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, in diesem Dialog ein gemeinsames religiöses Interesse aufzubauen. Manchmal (oder sogar fast immer!) verstehen wir uns und unsere Partner nur mit dem Herz.

Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Geduld und Liebe für diese wunderbare Phase in Ihrem Leben. Was gibt es Schöneres als Neuanfang!

 


 
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