Fragen
und Antworten
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Am 23. Oktober 2004 schrieb uns Frau B.: Hallo, ich habe vor kurzem Eure
Antwort zu der Frage gelesen, ob ein Atheist kirchlich heiraten kann.
Ich fand Eure Antwort interessant, aber ich habe da eine andere, und
vielleicht auch schwierigere Frage. Ich bin nicht religiös, habe
drei Kinder von einer vorigen Ehe, und habe mich in einen christlichen
Mann verliebt. Er ist sich unklar, ob er mich heiraten soll oder kann,
weil ich schon verheiratet war. Wie sehen Sie das? B. Unsere Antwort: Liebe Frau B., Es gab aber
- und gibt immer noch - auch Fehlformen; z.B. wenn die Familienclans
Ehen organisiert haben, um den Besitz zu wahren oder zu vermehren oder
wenn Frauen wie Objekte "verheiratet" wurden usw. In diesen
Fällen wurden die betroffenen Frauen und Männer häufig
nicht gefragt, nicht die Personen standen im Zentrum des Vertrags, sondern
die Materie, das Geld und die Macht oder andere Interessen. - Wer heute
in Ländern westlicher Kulturen heiratet, geht aber im allgemeinen
davon aus, dass für eine Ehe Partnerschaft und Gleichberechtigung,
Liebe, Zuneigung und Verständnis, Vertrauen und gegenseitige Unterstützung
unabdingbar sind. Zwar scheint der Begriff "Treue" in der
Öffentlichkeit viel Ansehen verloren zu haben, dennoch denken alle
Paare bei der Eheschließung, dass sie die Treue halten wollen
und ihre Ehe dauerhaft sein wird. (Über die Treue haben wir schon
in unserer Antwort vom 6.12. geschrieben.) Eine Bemerkung
noch zu den christlichen Vorstellungen von Ehe. Sie schreiben
ja, dass Ihr Partner Christ ist. Ganz klar ist aber nicht, aus welchen
konfessionellen Hintergrund er stammt. Denn gerade hier gibt es Unterschiede.
Die "alten", vorreformatorischen Kirchen und in der Folge
die katholische Kirche, verstand (wie schon in der ersten Antwort gezeigt)
die Ehe als Sakrament. (Ein Sakrament ist nach dem christlichen Glauben
eine religiöse Handlung, ein Zeichen, bei dem eine besondere Gnadenwirkung
mit verbunden ist.) Weil also die Ehe in diesem Verständnis mehr
ist als ein weltlicher Vertrag, wird sie (mit Bezug auf Mk 10,7f, Mt
5,31f, 1 Kor 7,10f und Eph 5,22-33) als unauflöslich betrachtet.
An dem hält die katholische Kirche heute noch fest. Eine Wiederheirat
ist nur beim Tod eines Partners möglich. Eine Möglichkeit
der Wiederverheiratung Geschiedener sieht man nur darin, dass ein kirchliches
Gericht die Ehe annulliert, d.h. für ungültig erklärt.
Dazu müssen bestimmte Voraussetzungen schon vor der Ehe vorliegen.
Wenn z.B. psychische Krankheiten die Mündigkeit eines Partners
bei der Eheschließung in Frage stellen, wenn nachzuweisen ist,
dass ein Partner unfreiwillig in die Ehe ging oder kriminelle Täuschungen
vorlagen usw., dann befindet das kirchliche Gericht, dass die Ehe gar
nicht zustande kam und folglich auch nicht geschieden wurde. Solche
Prozesse haben in der Regel jahrelange Wartezeiten und sind vielen katholischen
Christen fragwürdig geworden. Einig sind sich
alle christlichen Kirchen, dass nach dem Befund der Evangelien zur Ehe
die umfassende partnerschaftliche Zuordnung von Mann und Frau gehört,
gegenseitiges Dienen und gegenseitige Liebe; einig sind sich
auch die Theologen, dass bei einigen Formulierungen im Neuen Testament
die patriarchale Gesellschaftsordnung der damaligen Zeit noch
durchscheint. Die heutigen Seelsorger der christlichen Kirchen sind
milder geworden und wissen um die Not der Geschiedenen und um die Unmöglichkeit,
über die Schuldfrage zu urteilen. Sie halten sich heute mehr an
Joh 8, 3-11 (vgl. unsere letzte Antwort) und weniger an Mt 31-32. Es
gibt immer mehr in katholischen Kirchen besondere (nichtsakramentale)
Formen kirchlicher Heiraten für Geschiedene; in den meisten evangelischen
Kirchen ist das Problem der Wiederverheiratung Geschiedener kein Thema
mehr. - Vor wenigen Tagen schrieb der katholische Theologe Peter Eicher
von der Universität Paderborn zu der o.a. Matthäus-Stelle
(Publik-Forum 20/2004, S. 30): " Scheide dich nicht und heirate
keine Geschiedene kann zum höchsten Unrecht aus höchstem
Rechtsdruck werden. Die Haltung der Bergpredigt, der Durst nach Gerechtigkeit
verlangt eine Revision dieser jesuanischen oder auch matthäischen
Anweisung. Weder die Bergpredigt noch das Evangelium sind unfehlbar
- der Papst erst recht nicht. Behauptungen von Unfehlbarkeit sind unmoralisch,
weil sie dem Gesetz der Freiheit widersprechen." Ich habe Ihnen
das alles ausführlicher geschrieben, damit Sie Ihren Partner verstehen
können. Wer christlich erzogen ist, hat je nach kirchlichem Hintergrund
solche Normen internalisiert, manchmal ohne das zu wissen und zu wollen.
Wenn es Ihnen gelingt, im gemeinsamen Dialog darauf respektvoll einzugehen,
werden sich sicher solche Widerstände auflösen lassen. Sie
können ja für solche Gespräche die o.a. Textstellen gemeinsam
lesen und diskutieren. - Entscheiden, ob es heiraten soll oder kann
- oder nicht, muss sich jedes Paar, mit und ohne religiösem Hintergrund.
Je mehr Sie in dieser Phase liebevoll und in partnerschaftlicher Freiheit
über solche Widerstände offen sprechen, umso stabiler und
damit umso tauglicher für eine dauerhafte Bindung in der Ehe wird
Ihre Beziehung werden. Vielleicht gelingt es Ihnen sogar, in diesem
Dialog ein gemeinsames religiöses Interesse aufzubauen. Manchmal
(oder sogar fast immer!) verstehen wir uns und unsere Partner nur mit
dem Herz. Ich wünsche Ihnen viel Kraft, Geduld und Liebe für diese wunderbare Phase in Ihrem Leben. Was gibt es Schöneres als Neuanfang! |
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