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Am 10. November 2004 schrieb uns Frau D.: Subject: Kommunionsempfang
Hallo, Unsere Antwort: Liebe Frau D. vielen Dank für Ihren
mutigen Brief. Sie bitten um eine Diskussionsgrundlage bei einem heiklen
Thema, das man aber zuerst ganz behutsam bei sich selber klären
sollte. Beim Kommunionempfang geht es um sehr persönliche Glaubenseinstellungen,
die sich nicht über einen Kamm scheren lassen und nur mit sehr
viel Respekt und Behutsamkeit mit anderen diskutiert werden können.
Das gilt freilich auch für unser sexuelles Leben. Meine Antwort
gilt also zunächst für Ihre eigene Klärung hinsichtlich
Ihrer eigenen Haltung zur Kommunion und Sexualität. Beginnen wir mit Ihrer Schlussüberlegung
zur Frage nach der Richterrolle Gottes: Als Christen haben wir das Gottesbild
Jesu, das damals in seiner jüdischen Umgebung Anstoß erregte
und den Menschen Hoffnung und Freiheit brachte. Er sprach von Gott als
unserem Vater, der uns Menschen bedingungslos liebt. Das ist die zentrale
neue Botschaft des Evangeliums. Darum heißt sie Frohbotschaft
und nicht Drohbotschaft. 'Gott liebt seine Schöpfung ohne Bedingungen'
bedeutet, dass er uns liebt auch wenn wir nichts bringen und dafür
leisten; er liebt uns auch wenn wir nicht "brav" sind. Er
liebt in gleichem Maße Gute und Böse, Sünder und Fromme
und solche die sich dafür halten oder nicht. Wenn Sie insbesondere das
Johannesevangelium lesen, finden Sie die Belege für diese Glaubenshaltung:
Gott ist die Liebe, die sich selbst verschenkt. "Gott kann nur
lieben" ist der Titels eines wunderbaren Briefs von Roger Schutz,
den Sie auf unserer Homepage unter "Texte" finden. - Das "Wort
ist Fleisch geworden" bedeutet ferner nach dem christlichen Glauben
nicht nur die Menschwerdung Gottes in Jesu, sondern auch, dass er in
uns, in jedem Menschen lebt. Jesus ist unser Bruder. Darum kann Paulus
auch sagen, dass wir "Tempel Gottes" (1 Kor 3,16 und andere
Stellen) sind, also Behausungen, in denen Gott wohnt. Wenn wir davon überzeugt
sind, dann hat das natürlich Konsequenzen: Wir werden unseren Leib
entsprechend lieben und in Ehren halten, schön machen, "sauber"
halten, gelegentlich ausfegen (Tempelreinigung!). Aber was beschmutzt
unseren Leib? Über Reinheit und Unreinheit hat uns Jesus in Mk
7, 1-17 deutliche Worte hinterlassen: Nichts was von "außen"
in den Menschen hineinkommt, macht ihn unrein, sondern seine eigene
Haltung und Einstellung. Das gilt aber auch für die Sexualität.
Nicht die Sexualität beschmutzt den Menschen, denn diese ist ja
von Gott so geschaffen und gewollt. Und sie ist wahrhaftig ein Wunderwerk
der Schöpfung, nicht nur zur Fortpflanzung, sondern eben auch und
nicht zuletzt zur Lust. Gott ist da mit im Spiel. Gott, der die Liebe
ist, ist auch in unserer Leiblichkeit, also auch in unseren Gefühlen,
in unserem Lustempfinden. Sie müssen das in tiefer Dankbarkeit
durchdenken. Das ist im Christentum seit Jahrhunderten Thema der Mystik.
Leider hat das Christentum sich nicht immer an die Botschaft Jesu gehalten
und unter dem Einfluss anderer Mentalitäten, Philosophien und Kulturen
gerade in der Frage der Leiblichkeit und Sexualität eine manchmal
sehr abwertende Haltung zum Leib entwickelt und die Sexualität
mit Tabus belegt. Noch in der letzten Generation sprach man in christlichen
Kreisen kaum über Sexualität, obwohl sie jeder hatte. Alles
unter der Gürtellinie war tabu. Was beschmutzt unseren Leib?
In der Heiligen Schrift ist da immer die Rede von Unzucht. Im Neuen
Testament heißt es in den offiziellen Übersetzungen "Unreinheit"
und "Ausschweifung". Unter Unzucht versteht man in unserem
Sprachgebrauch jede Art von Sexualität, die nicht den geltenden
Normen entspricht. Von vorehelichem Verkehr ist aber in der Heiligen
Schrift nirgendwo die Rede. Das Judentum hatte eine ganzheitliche Vorstellung
vom Leib (in der Sprache des Alten Testaments "Fleisch"):
Seele und Körper waren eine untrennbare Einheit. Und obwohl das
Judentum einer patriarchalischen orientalischen Kultur angehörte,
in der Frauen verheiratet wurden, hatte es eine Vorstellung von zärtlicher
Partnerschaft (lesen Sie das Hohe Lied im AT!). Das Problem des vorehelichen
Geschlechtsverkehrs stellte sich nicht, weil mit dem Eintritt der Geschlechtsreife
die Heirat angesagt war. Unverheiratet zu sein wurde von der jüdischen
Gesellschaft negativ gesehen. Die Kinder wurden, wie auch heute noch
in orientalischen Gesellschaften, oft in ganz frühen Jahren "versprochen",
verlobt. Man kann annehmen, dass der "voreheliche" Verkehr
toleriert war; sonst wäre er ausdrücklich beim unzüchtigen
Verhalten aufgeführt worden. Auch die damaligen Jugendlichen waren
schließlich nicht aus Holz. - Darum ist es müßig im
Alten oder Neuen Testament Belege für ein Verbot oder Nichtverbot
des vorehelichen Verkehrs zu suchen. Es galten damals andere Sexualnormen.
Sexualnormen werden von der
Gesellschaft aufgestellt. Normen haben meist eine lange menschliche
Erfahrung im Hintergrund und haben oft eine Schutzfunktion. Da Jesus
Jude war, galten für ihn die Normen seiner Zeit. In Mt 5,27-32
revidiert er diese und definiert den Ehebruch neu: Er vollzieht sich
im Herz und nicht erst bei vollzogener Tat. Das war ihm wichtig. Die
Unreinheit spielt sich also im Herz ab (vgl. oben). Wir beschmutzen
unseren "Tempel" durch Unzucht in unserer Phantasie, könnte
man vorsichtig folgern. Seine Revision des Ehebruchs zielte auch auf
eine größere Achtung der Frau und auf partnerschaftliche
Beziehungen in der Ehe; Frauen konnten in der patriarchalischen Gesellschaft
wie ein Objekt aus der Ehe entlassen werden. Die Entwicklung von Sexualnormen
in den jeweiligen Gesellschaften hängt auch vom Stand des Wissens
und den einschlägigen Möglichkeiten der Geburtenkontrolle
ab. Die Sexualforschung und die Anthropologie haben viele Fragen zur
Sexualität des Menschen gelöst, die zu einer Revision der
Sexualpädagogik geführt haben. Man könnte das Ergebnis
in der hier gebotenen Kürze so darstellen: Haben wir Christen andere
Normen? Christliche Sexualmoral hatte bislang unter dem Einfluss verschiedener
Philosophien leibfeindliche (dualistische) Tendenzen, die selbst die
zur Zeit Jesu geltenden Normen noch verschärften: Sexualität
wurde zu sehr zum Zweck der Fortpflanzung und zu wenig unter dem Aspekt
der (vom Schöpfer gewollten) Lust und partnerschaftlichen Liebe
gesehen. Christliche Moral müsste diesen oben beschriebenen "profanen"
Normen im Hinblick auf Verantwortung für das Leben und der liebenden
Partnerschaft folgen. "Sünde" wäre dann ein Fehlverhalten
in diesem Sinne. - In der christlichen Tradition hatte man ja meist
die "Fleischessünden" als "schwere Sünden",
"Todsünden" eingestuft. Vorehelicher Verkehr als solcher
war schwere Sünde, ganz unabhängig von der Absicht der Handelnden
und den Umständen (z.B. Verantwortlichkeit und Partnerschaftlichkeit,
s. oben!) Nach unseren heutigen Diskussionsstand ist eine solche Einstufung
fragwürdig und vielleicht sogar nicht im Sinne Jesu. Die (in der
Anwort zum 6.12.2002 besprochene) Geschichte mit der Ehebrecherin gilt
nämlich auch für den vorehelichen Verkehr. Wenn junge Menschen
verantwortungsvoll und partnerschaftlich mit ihrer Sexualität umgehen,
wird auch Jesus sie nicht verurteilen. Ich glaube sogar, dass er sie
liebevoll umarmen würde. Mit dieser Grundeinstellung können wir nun über den Kommunionempfang sprechen. Jeder muss sich da selber prüfen. Wenn die Gewissensprüfung kein sexuelles Fehlverhalten ergibt, gibt es auch keinen Grund, nicht zur Kommunion zu gehen. Denn die Kommunion, das Abendmahl, ist auch Speise und sakramentale Stärkung. Gerade darum brauchen wir dieses Sakrament, dass wir schwachen Menschen in unseren Partnerschaften zu einer immer tieferen und erfüllten Liebe finden - und dazu gehört ganz besonders ein glückliches Sexualleben. Wer ist schon ohne Schwächen und Fehler? Aber hat nicht Jesus gerade mit Zöllnern, Prostituierten und Sündern Mahlgemeinschaft gepflegt? Er ist der gute Hirte für die Schwachen. Für uns.
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