Fragen
und Antworten
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Am 24. Dezember 2005 schrieb uns Herr E. C.: guten tag also
naja mich beschäftigen seit längerer zeit schon so einige
dinge in richtung meines glaubens...ich denke das ich anders glaube...weis
auch nich so genau wie ich das alles ausdrücken soll denn ich bin
mir nich sicher an was und vorallem wie ich glauben soll!? ich gehe
nicht in die kirche, jedenfalls nicht oft, und ich glaube auch nich
direkt an die geschichte von jesus, nich so wie sie erzählt wird...also
das mit durchs wasser gehen und so! ich glaube jedoch das es ihn gab
und das er eine botschaft an die menschen gebracht hat.. ich bete manchmal
aber nich immer... ich wurde als einziger konfirmiert aus meiner fam.
und bin auch sehr unchristlich erzogen wurden aber ich glaube dennoch
an etwas kann nur nich sagen was es direkt ist.. ich denke schon das
es etwas "danach" geben muss denn eine seele kann ja nich
einfach so verschwinden... es is auch schade das ich in meinem umfeld
mit keinem so richtig darüber reden kann wobei ich mich auch vor
meinen freunden dazu bekenne an "etwas" zu glauben! ich bete
ab und an aber nich immer und wenn ich dann lese das man täglich
beten soll komm ich mir so vor als wäre ich doch nich glaubensstark
genug??? ich bete meistens dann wenn ich das bedürfnmis habe etwas
los zu werden oder für meine verstorbene oma das es ihr gut geht...
wobei da das nächste problem wäre... meine schwester trämt
ständig von meiner oma! ein alter mann stützt meine oma und
bringt sie zu meiner schwester... meine schwester fängt in ihren
träumen an sich zu bekreuzigen weil sie merkt das das nich meine
oma ist und kann anschliessend nicht aufwachen... was geschieht mit
meiner schwester?? sie träumt auch sehr viel von anderen toten
die ihr versuchen etwas zu sagen..ich weis es klingt eigenartig aber
kann es sein das meine omas seele noch auf der erde ist?? eine frage habe ich noch... Unsere
Antwort: Lieber Herr C., vielen Dank für Ihren
mutigen Brief. - Nein, irre oder wirr kommt uns Ihre Mail überhaupt
nicht vor. (Ein wenig flapsig und ungewöhnlich in der Sprache und
Rechtschreibung darf man ja bei E-Mails sein. Oder?) Im Gegenteil: Wenn
jemand noch unruhige Fragen stellen kann wie Sie, dann ist das eher
ein Zeichen von selbständigem Denken. Bedenklich wird es erst,
wenn jemand keine Fragen mehr stellt. Antworten auf Ihre "vielen
Fragen" kann man nicht auf die Schnelle und auch nicht mit zwei
Sätzen geben. Man kann manches zunächst auch nur "halb"
beantworten, vieles verkürzt. Sie müssen also, wenn Ihre Hoffnung
auf Antwort ernst ist, Durchhaltevermögen beweisen und selbständig
weiterdenken. Vielleicht ist es auch besser, wir beginnen für heute
nur mit Ihren wichtigsten Fragen zum Glauben. Sie können ja nach
dieser ersten Antwort klärende Fragen stellen, wenn Ihnen etwas
unverständlich war. Die Themen "Kirchenbesuch, Beten und Leben
nach dem Tode" können wir dann später angehen. Es scheint Sie zu beunruhigen,
dass Sie "anders" glauben. Anders als damals bei der Konfirmation?
Anders als die offizielle Kirche? Oder anders als die Menschen um Sie
herum: Christen und Nichtchristen, Gläubige oder Ungläubige?
Was ist Glaube? Hinter dem Wort "Glauben"
verbergen sich zwei Welten. Die eine Welt ist der Horizont dessen, der
glaubt. Niemand kann allein nur mit seinen Sinnen die Welt erkennen.
Der Mensch erfährt nämlich von seiner ersten Stunde an seine
Umwelt vermittelt. In der Geborgenheit liebender Menschen erfährt
das Kleinkind mit seiner Sinnlichkeit seine Welt als stimmig, es kann
ihr vertrauen, es kann die Welt "glauben". Wer diese Urerfahrungen
nicht gemacht hat, wird es später mit dem Glauben nicht leicht
haben. Ohne unsere Sinnlichkeit können wir also nicht glauben,
aber auch nicht denken. Der Mensch kann auch nicht alles mit seinen
Sinnen selber erfahren. Er muß die Erfahrungen, das Wissen anderer
annehmen können. Dazu gehört das seit den ersten Lebensstunden
grundgelegte Vertrauen an andere Menschen. Auch das ist Glauben. Und
schließlich gibt es Dinge und Vorgänge, die unsere Sinnlichkeit
übersteigen. Hier kommen wir ohne den Glauben nicht weiter. Wenn
Ihnen z.B. Ihre Freundin beteuert, dass sie Sie liebt, können und
müssen Sie das trotz aller Liebesbeweise am Ende glauben. Wir können sagen: Zum
Glauben gehört Ihre ganze Persönlichkeit und Lebenswelt: Ihr
Lebensgefühl, Ihre Begabungen und Anlagen, Ihr erworbenes Wissen
und Ihre Fertigkeiten und Fähigkeiten, Ihre Lebenserfahrung mit
allen Freuden und Leiden, Glück und Enttäuschungen. Diese
Ebene des Glaubens ist der Kern Ihrer Person, ist Ihre Identität.
Es ist das Wertvollste, was ein Mensch haben kann und was keinem genommen
werden kann. Es ist der Inbegriff von Freiheit. Mit diesem persönlichen
Glauben orientieren Sie sich im Leben und treffen Ihre Entscheidungen,
finden Sie Sinn in dem, was Sie tun und was Ihnen widerfährt. Mit
diesem Glauben erklären Sie sich (subjektiv) die Welt - falsch
oder richtig. Und weil jeder Mensch ein Recht auf diesen freien Glauben
hat, haben wir das Gebot der Toleranz. Der persönliche Glaube ist
die Grundlage der Menschenwürde und der Freiheit. Leider ist das alles im Alltag
ziemlich schwierig. Nicht jeder hat die oben erwähnten Urerfahrungen
gemacht, nicht jeder konnte in so freie vertrauensbasierte Entscheidungen
hineinwachsen. Außerdem ist Freiheit ähnlich wie Wahrheit
schwer zu definieren und noch schwerer zu leben. Wer ist wirklich frei?
Unser persönlicher Glaube ist meist voller Abhängigkeiten
und Vorurteile. Er ist auch ständig im Wandel und bedarf der kritischen
Selbstüberprüfung, der Auseinandersetzung mit seiner Identität.
Er bedarf der ständigen Neuorientierung und manchmal der Richtungsänderung.
Schnurgerade Wege zur Selbsterkenntnis sind eher selten und man muss
sich vor denen hüten die solche geraden Wege versprechen. Vielleicht ist es das, was
Sie gerade beschäftigt: Sie fühlen, dass das, was Sie damals
bei der mutigen Entscheidung für die Konfirmation geglaubt haben,
nicht mehr mit dem übereinstimmt, was Sie heute glauben. Ihr persönlicher
Glaube hat sich verändert. - Dazu kann man Sie beglückwünschen,
denn es wäre fatal, wenn Sie beim damaligen Glauben stehen geblieben
wären. - Sie schrieben ja den Brief am Heiligabend, an dem die
Kirchen voll sind wie sonst nie im Jahr. Könnte das nicht damit
zusammenhängen, dass viele Menschen da ihren unveränderten
Kinderglauben von damals wieder zu finden suchen? Damals war alles noch
so schön und stimmig. Der Rest ihrer Persönlichkeit hat sich
weiterentwickelt und von dem Kinderglauben abgespalten. Man kann Ihnen
deswegen gratulieren, weil Sie mit Ihren unruhigen Fragen nach dem Glauben
vielleicht die Chance bekommen, das was sich verändert hat ganzheitlich
und ungespalten in Ihre Persönlichkeit einzubringen. Erwachsene
Menschen müssen auch einen "erwachsenen" Glauben finden.
Das können sie nur, wenn Sie (meist nicht ohne Schmerzen!) von
ihren Kinderglauben losgelassen haben. Loslassen heißt nicht ausradieren.
Da Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, sondern vollwertige Menschen,
ist auch ihr Glaube vollwertig. Aber als Erwachsene muss der Glaube
anders werden. Wir stellten vorher fest,
dass hinter dem Wort "Glauben" zwei Welten stecken: Einmal
die Welt des persönlichen Glaubens, den wir mit allen Sinnen leben.
Dieser Glaube ist bei genauer Betrachtung bei jedem Menschen anders,
weil wir Individuen sind. Individuum bedeutet, dass jeder Mensch eine
"einmalige Ausgabe" und unverwechselbar ist. Es gibt folglich
so viele persönliche Glauben, wie es Menschen gibt. Zum Glück
ist aber der Mensch nicht nur ein einmaliges Individuum, sondern auch
ein Wesen der Gemeinschaft. (Unter Gemeinschaft versteht man Familie,
Sippe, Clan, Volk, Partei, usw.) Er könnte allein gar nicht leben
und muss sich an die Gemeinschaft anpassen. Würde er sich bei der
Suche nach seinem Glauben nicht auch an anderen orientieren, hätte
sich die Menschheit wohl schon lange ausgerottet - in Glaubenskriegen.
Dieses wesentliche Zugeordnetsein des Individuums zur Gemeinschaft erklärt
auch die ständige Spannung des persönlichen Glaubens zum Glauben
der Gemeinschaft. Das ist die zweite Welt des Glaubens, mit der Sie
sich in Ihrem Brief konfrontiert fühlen, und über die man
reden muss, um ihn zu beantworten. Gemeinschaften bilden bekanntlich
gemeinsame Merkmale aus. Jede Gemeinschaft hat eine besondere Kultur,
könnte man sagen. Dazu gehören Lebensstil, Lebensart, Gebräuche
und Sitten, Moden, Stile und Kunst, Mentalitäten, Weltanschauungen
und Ideologien. Dazu gehören auch die Religionen und damit auch
der Glaube. Um den Glaubensmeinungen der Individuen ihre gemeinschaftsgefährdende
Kraft zu nehmen und um andererseits die Individuen vor intoleranten
Doktrinen der Gemeinschaften zu schützen, haben sich im Laufe der
Menschheitsgeschichte Institutionen ausgebildet wie Parteien, Religionsgemeinschaften
und Kirchen. Sie sorgen dafür, dass die persönlichen Glaubenseinstellungen
der Individuen Orientierung und Korrektiv bekommen. Das geschieht durch
Festlegen und Vorschreiben des Glaubens und dadurch, dass diese Institution
versuchen dem subjektiven Glauben der Individuen mehr "Objektivität"
zu geben. Viele Augen erkennen besser als eines. Diese Institutionen
versuchen (im Idealfall) in einer dialogischen und öffentlich überprüfbaren
Weise so der "Wahrheit" näher zu kommen. Sie geben die
Grenzen der Glaubensfreiheit innerhalb dieser Gemeinschaft vor und definieren,
was "wahr" ist. Wohlgemerkt: um beide, Individuum und Gemeinschaft,
zu schützen! Man kann also verkürzt sagen, dass zum Glauben
der persönliche Glaube und der Glaube einer Gemeinschaft gehört.
Beide müssen sich ergänzen und stützen. Sie müssen
ausgewogen sein. Das geht freilich bei erwachsenen Menschen nicht von
selber. Man muss daran arbeiten, sich informieren, diskutieren, sich
und die Gemeinschaft in Frage stellen, aber sich auch gegenseitig bestätigen.
Und das ist ganz wichtig: Zu einem Glauben mit allen Sinnen gehört
Lebensfreude und emotionale Geborgenheit. Das ist auch der Grund warum
es in allen Religionen Feste und Feiern gibt. Sie sind manchmal wichtiger
als Predigten. Jesus hat uns seine Lebensfreude vorgelebt, wenn er mit
Zöllnern und Sündern aß und trank. Er versteckte sich
nicht im Keller, um zu lachen, und lief nicht mit Leichenbittermiene
in schwarzen Kleidern herum. Wir Christen wären überzeugender,
wenn wir in unseren Gemeinschaften unseren Glauben mit allen Sinnen
leben würden und Lebensfreude zeigten! Zurück zum Glauben der
Gemeinschaft: Während beim Individuum der Prozess des persönlichen
Glaubens in ständigem Wandel ist, scheint dies bei den Glaubensgemeinschaften
und Religionen fast entgegengesetzt zu laufen. Um den Individuen vieler
Generationen Identifikationsmöglichkeiten und Orientierung geben
zu können, muss dieser Prozess bei den Institutionen langsam laufen.
Wenn freilich diese Institutionen den Wandel der Individuen in der Gesellschaft
nicht wahrnehmen oder akzeptieren wollen, kann es sein, dass sie ihre
Glaubwürdigkeit verlieren. Die Menschen verstehen sie nicht mehr,
ihre Sprache wird fremd, ihre Kultur, ihr Kult wird museumsreif und
damit ihre Botschaft unverständlich. Die Menschen bekommen dann
Schwierigkeiten mit ihrem Glauben, "emigrieren" aus den Gemeinschaften
und suchen sich ihre Heimat und Geborgenheit anderswo, manchmal bei
Ersatzreligionen. Die in den Glaubensgemeinschaften Bleibenden rufen
dann manchmal nach dem unveränderten Altgewohnten und die Religionsgemeinschaften
reagieren mit Mitteln der Macht und mit strafferen und engeren Glaubensvorschriften.
Solche fundamentalistischen Strömungen kann man derzeit in allen
Religionen beobachten. Mit diesem Problem schlagen
sich die christlichen Kirchen schon fast 2000 Jahre herum. Das frühe
Christentum der ersten Jahrhunderte war in seiner Ablösung vom
Judentum eine Art Revolution, weil es eine ganz neue Lebensart und einen
ganz neuen Glauben brachte. Seit den Zeiten der frühen Christenheit
hat sich aber sehr viel verändert und unmerklich der Zeit angepasst.
Immer wieder war das manchen zuviel oder zuwenig. Sie spalteten sich
dann ab und blieben entweder beim uralten "Richtigen" oder
gründeten Neues und Zeitgemässeres. Ein Beispiel für
so eine radikale Neubesinnung im Christentum ist die Reformation im
16. Jahrhundert. Weil vieles im Kult, im Ordnungswesen und in der Verkündigung
der alten Kirche nicht mehr verständlich und überzeugend war,
forderten die Reformatoren damals zu Recht eine Begründung des
Glaubens durch die Heilige Schrift. Die Folgen waren nicht nur eine
bedauerliche Spaltung mit schrecklichen Religionskriegen, sondern auch
eine Erneuerung des christlichen Glaubens in den alten und neuen Kirchen,
die immer noch anhält. Ja, die Reformation barg in sich auch den
Samen für die ökumenische Annäherung der Konfessionen,
die wir derzeit hoffnungsvoll erleben. Damit sind wir nach einigen
Umwegen wieder bei Ihrem Problem. Sie haben sich seit Ihrer Konfirmation
weiterentwickelt, sind altersgemäß kritischer und selbständiger
geworden, haben andere Erklärungen und Deutungsmuster für
Ihre "Welt". Sie kollidieren womöglich mit der Sprache
der Kirche und vielleicht auch mit der Sprache der hebräischen
Bibel und der Evangelien. Denn weil die kirchliche Verkündigung
auch Rücksicht nehmen muss auf (innovations)ängstliche Menschen
mit ihrem jeweiligen persönlichen Glauben, die sich nicht von einem
wörtlichen Verständnis der Heiligen Schrift lösen können
und wollen, hat sie nicht immer für die breite Schar der Gläubigen
in ihren Erklärungen unverständlicher Texte die wissenschaftlichen
Befunde mitverkündet - und die Gläubigen leider oft auch in
ihrem Kinderglauben gelassen. Bei der Erforschung der biblischen Texte
haben nämlich die Theologen herausgestellt, dass die Verfasser
der biblischen Texte immer nur eine Sprache anwenden konnten, die für
die Menschen der damaligen Zeit verständlich, also der Lebenswelt
und Kultur der jeweiligen Gruppen angepasst war. Für die jeweils
unterschiedlichen Adressaten der vier Evangelien mussten sie die frohe
Botschaft so verkünden, dass sie für diese Menschen glaubwürdig
waren. Für die wundergläubigen Menschen des ausgehenden 1.
Jh. mit einer z.B. griechischen Kultur war es selbstverständlich,
dass ein Prophet oder Messias Wunder wirken konnte. Kranke heilen und
übers Wasser laufen konnten ja schließlich die Propheten
und Priester der damaligen ("heidnischen") Religionen auch.
Und da die Verfasser der Evangelien ja keine wissenschaftlichen Geschichtsbücher
und keine kriminalistischen oder medizinischen Tatsachenberichte verfassen
wollten, sondern nur den Menschen der betreffenden Kultur ihren begeisterten
Glauben an Jesus weitergeben wollten, sind ihre Texte für die damaligen
Menschen stimmig. Sie sind auch für uns stimmig, wenn wir uns auf
den Kern der frohen Botschaft konzentrieren. Für unseren modernen
Glauben ist z.B. das Übers-Wasser-Gehen unwichtig. Für uns
moderne Menschen hat die Wissenschaft für vieles Erklärungen
gebracht, was damals noch als Wunder betrachtet wurden. Es mag auch
für das damalige Erleben der Apostel und Jünger Erklärungen
für so manche "Wunder" geben, die zentrale Botschaft
über Jesus ist es nicht. Sicher aber seine Botschaft von einem
bedingungslos liebenden und barmherzigen Gott, den wir Vater nennen
dürfen und der ein Faible für schwache sündige Menschen
hat. Zentral ist Jesu Botschaft und Leben auch im Hinblick auf die Menschenwürde
und Nächstenliebe und auf den Frieden in der Welt (Bergpredigt!).
Hier gibt es im Evangelium für Menschen aller Zeiten und Kulturen
immer Aktuelles herauszufinden. Es geht also darum, unseren
wie auch immer geprägten persönlichen Glauben ins Spannungsfeld
mit dem Glauben der Gemeinschaft zu halten. Das geht nicht ohne Kritik
und Verstand. Glauben ohne Zweifeln ist fragwürdig und eher einer
kindlicheren Entwicklungsstufe angepasst. Aber Glauben geht auch nicht
ohne das Herz und ohne Lebensfreude. Und es geht auch darum, dass die
Glaubensgemeinschaft die Verkündigung des Glaubens der Zeit anpasst.
Wenn die Kirchen zu starr an der alten Sprache und am alten Kult festhalten,
kann es sein, dass manche Menschen den Inhalt der Botschaft nicht mehr
verstehen, abgedrängt werden und nicht mehr glauben können.
Die christlichen Kirchen neigen dazu, manchmal dafür ihren Kirchenmitgliedern
die Schuld zu geben, weil ja der Glaube nach der Lehre der Kirche ein
Gnadengeschenk Gottes sei, das der Mensch ergreifen muss. Vielleicht
ist es wichtig, darauf beizeiten hinzuweisen. Aber pauschale Schuldzuweisungen
scheitern häufig an den Lebensbedingungen der Individuen. Nicht
alle Menschen hatten die zum Glauben nötigen Urerfahrungen machen
können. Und wenn Jesus zum Ärger seiner frommen Zeitgenossen
immer wieder seine Vorliebe für die Sünder mit ihrem schwachen
Glauben gezeigt hat - und eben nicht für die strenggläubigen
Pharisäer! - dann gibt das Stoff zum Nachdenken. Das beantwortete
ein wenig schon Ihre Frage "wie gläubig muss ich denn sein
um die gnade von gott zu erspühren und wo fängt der glaube
an??". Wer wie Sie sich Gedanken und Sorgen um seinen Glauben macht
und ins Gespräch darüber kommen will, gehört sicher zu
jenen, die die Gnade schon haben. An die Gnade müssen wir glauben
und hoffen, weil wir sie mit unseren Sinnen nicht sicher erspüren
können. Das ist so wie bei der Liebe. Aber wenn Ihnen heute beim
Betrachten der Schneelandschaft ein wohltuendes Gefühl durch den
Leib geht und Sie denken "Wie schön ist doch die Natur"
und ein Gefühl der Dankbarkeit spüren, dann können Sie
spüren, dass hier der Glaube anfängt. Das Schöne ist
ein Geschenk Gottes, also eine Gnade. Sich freuen darüber und Gott
dafür dankbar sein, ist Glaube. Er will geübt und gepflegt
werden. Brechen wir hier heute ab.
Wir wünschen Ihnen erholsame Ruhe und Mut zum Nachdenken und freuen
uns auf eine Antwort. Am 29. 12. 2005 antwortete uns Herr C.: schönen guten tag, ich bin erst 19 und naja
ich weis nich richtig wie ich mit diesem gefühl das ich habe umgehen
soll! ich glaube daran das es einen
jesus gab und das er die botschaft gottes an die menschen gebracht hat... ich habe nur angst die gnade
nicht zu bekommen dadurch das ich halt nicht immer in die kirche gehe
und auch nicht immer bete! ich würde den glauben
gerne näher an mich heranlassen, aber ich weis nicht wie ich das
machen soll!? nach dem tode zb.kann die
seele nicht einfach verschwinden das weis ich und deshalb frage ich
mich auch wo sie danach hingeht und das ich für mich ein ganz wichtiger
punkt zu sagen ich weiss das danach etwas kommt! ich hoffe auf ihre antworten
und bin jetzt schon wieder dankbar! mit lieben grüssen e. Unsere Antwort: Lieber E., Beeindruckt hat uns sehr
Ihr "nobles" Verständnis des Betens, wenn Sie schreiben,
dass Sie ein "schlechtes Gewissen" haben, wenn Sie beim Beten
nur an sich denken. Sie haben recht: Beten für andere ist sicher
humaner und edler als das Betteln für das eigene Wohlbefinden.
Gott weiß ja, was man selber braucht. "Beten ist das Atemholen
der Seele", sagt eine alte Weißheit. Das aber heißt
wiederum, dass man schon auch mal an sich denken darf, wenn einem "die
Luft ausgeht", wenn es einem schlecht geht. Wenn wir so beten,
wie Jesus es uns mit dem Vaterunser gelehrt hat, dann dürfen wir
Gott als liebenden Vater ansprechen - auch in persönlichen Nöten!
Seine Nöte vor Gott tragen - auch ohne Worte - ist Gebet. Ein Gedanke
genügt. Denn damit eingestehen wir unsere eigenen Schwächen
und anerkennen seine Größe. Wenn wir ihm sagen "Schau,
ich hab leider wieder einmal Scheiß gebaut, Du könntest mir
aber helfen!", ist das ein besseres Gebet, als wenn einer betet
"Erleuchte mich, lieber Gott, damit ich heute im Mathetest eine
Eins bekomme!" Das Mathegebet ist vielleicht gar kein Gebet, sondern
nur ein lächerlicher Versuch, Gott in seine Dienste zu nehmen,
ihn zu instrumentalisieren. - Und wenn es schon ums Betteln geht: Man
kann auch wie ein bekannter Heiliger zu Gott sagen "Meine Probleme
mit dem Glauben kennst Du. Hilf doch meinem Unglauben!" Man kann im Gebet auch ohne
viel Worte seine Freude vor Gott tragen. Wenn Sie z.B. Augenblicke des
Glücks mit Ihrer Freundin erlebt haben, können Sie ihm "sagen",
wie dankbar sie sind. Sie haben dann das erfahrene Glück ihm zugeschrieben,
als sein Geschenk, als seine Gnade angenommen. Wenn es Ihnen gelingt,
möglichst oft solche kleinen Akte der Dankbarkeit Gott zuzuwenden,
dann haben Sie den Glauben ganz im Sinne Jesu. Denn ihm ging es nicht
um intellektuelle Glaubensleistungen - das taten die Pharisäer,
die er ja kritisierte, sondern um den Glauben des Herzens, wie das die
Kinder noch können. Dieser Glaube des Herzens nimmt dankbar die
kleinen Dinge des Lebens an, freut sich über das Schöne und
drückt Gott dafür Dank aus. Dazu braucht man keine großen
Worte. Dazu braucht man aber auch keine Schau und kein Publikum. Ihre
Punkfreunde könnten das auch nicht verstehen - oder vielleicht
doch? - So eine schlichte und dankbare Annahme des Lebens mit seinen
Freuden ist Glaube. Wenn man das kann, hat man auch Chancen, Leiden,
Schmerzen, Krankheit, Ungerechtigkeit und Unglück anzunehmen. Das
ist freilich schwerer - und manchmal dürfen wir mit Gott auch "streiten".
Gute Väter wie Gott machen da gern mit, ohne ihre Kinder zu strafen.
Genau das ist die Frohbotschaft Jesu. Sie ist wichtiger als die Wundergeschichten;
von denen wir bei der letzten Antwort gesprochen haben. Ein kleines Wort noch zu
Ihrer Bemerkung, dass Sie Angst haben, die Gnade nicht zu bekommen,
wenn Sie dieses oder jenes nicht erfüllen, was Sie zu tun hätten.
Diese Angst spürt man an verschiedenen Stellen Ihrer Mails. - Die
vier Schriften über Jesus heißen deswegen "Evangelien",
weil sie den Menschen die Angst vor einem strafenden und rächenden
Gott nehmen. Evangelium kommt aus dem Griechischen "euangelion",
die frohe Botschaft. Die Botschaft über Jesu war damals neu und
froh machend, weil er immer wieder verkündete, dass er nicht für
die Frommen, sondern für die kleinen, schwachen Menschen, für
die "Sünder" gekommen sei, weil er den Menschen die Angst
nahm. Diese frohe Botschaft gilt auch noch für uns; wir müssen
sie nur annehmen. Wenn es Ihnen gelingt zu glauben, dass diese Botschaft
stimmt und auch für Sie da ist, haben Sie keinen Grund mehr, Angst
zu haben. Vielleicht ist das der richtige Anfang, den "Glauben
näher an sich heranzulassen". Wir haben nun wieder viel
über den Glauben und ein wenig über das Beten gesprochen.
Ihre Fragen über das Leben nach dem Tode sind noch nicht beantwortet.
Ihre eigene Antwort zeigt ja, dass Sie an eine unsterbliche Seele glauben.
Sie fragen sich aber, was mit den Seelen nachher geschieht. Diese quälende
Frage stellt sich die Menschheit immer schon. Niemand hat bisher überprüfbare
Auskünfte aus dem Jenseits bekommen. Antworten dazu kann man nur
als Glaubender finden. Was dazu in den heiligen Schriften steht, sind
Aussagen des Glaubens geschrieben für die damaligen Menschen mit
ihren Möglichkeiten des Verstehens. Aber auch da ist es schwierig,
sich etwas vorzustellen. Wir stellen uns sicher als moderne Menschen
das Jüngste Gericht, die Hölle und den Himmel anders vor als
die Menschen zu Jesu Zeiten. Aber brauchen wir eigentlich präzises
Wissen darüber? Und brauchen wir unbedingt massive Drohungen, um
als gute Menschen zu leben? Jesu Botschaft ist eine Frohbotschaft und
keine Drohbotschaft. - Wir sind wieder beim Glauben angelangt. Denn
mit unserem Glauben an einen bedingungslos liebenden Gott öffnet
sich die Zukunft als untrennbar zur Gegenwart. Wir sterben in das Leben
und in die Liebe Gottes zurück. Wir vertrauen auf ihn. Sie können
auch auf ihn vertrauen, dass er Ihre Oma in sein Leben aufgenommen hat.
Damit schließe ich
für heute. Es würde mich freuen, wenn wir wenigstens einige
Ihrer Fragen beantworten konnten. Im Übrigen finden Sie vielleicht
in den früheren Antworten an andere Fragenden Auskünfte, die
Ihnen weiterhelfen. Und wir freuen uns immer auf Ihre Reaktion.
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