Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 27. Dezember 2006 schrieb uns Herr xy.:


Thema: Wert des Menschen

Sehr geehrte Damen und Herren,

in Anbetracht immer höherer Arbeitslosigkeit fragen sich immer mehr Menschen, was sie wert sind. In unserer Gesellschaft wird der Wert eines Menschen häufig danach bemessen, was er verdient und was er arbeitet. Welche Antwort gibt die Bibel auf die Frage nach dem Wert eines Menschen.

Viele Grüße
xy


Unsere Antwort:

Sehr geehrter xy,
vielen Dank für Ihre Mail mit Ihren einfühlsamen Gedanken. - Die wachsende Armut und strukturelle Massenarbeitslosigkeit bei uns, das Schwinden der sozialen Gerechtigkeit und die globale Unterdrückung der Menschen durch die Interessen des Kapitals haben seit Jahren die engagierten Christen aller Kirchen zu Akten der Solidarität und sogar zu kritischem Widerstand bewegt. Dass durch die Folgen des neoliberalen Kapitalismus die Menschenwürde gefährdet wird, gehört immer mehr zum Sorgenkatalog verantwortungsbewusster Politiker und Bischöfe. Leider ist die Zahl der Kritiker noch klein und leider ist der Konsumismus der Vielen noch zu groß, um auf kritische Stimmen zu hören. (Vgl. auf unserer Homepage http://www.kirchameck.de/gerTexImpulsBischkonf.html,
http://www.kirchameck.de/gerTexteGlob.html,
http://www.koka-netzwerk.de/fileadmin/media/dokumente/flyer_20060328.pdf,
http://www.leuninger.de/sozial/artikel.htm, http://www.grundsatzprogramm.cdu.de/doc/060821_kas_grundsatzpapier_menschenwuerde.pdf)

Die Antwort auf Ihre Frage nach der biblischen Aussage über den Wert eines Menschen, über seine Menschenwürde ist eindeutig. Leitmotiv der ganzen hebräischen Bibel (Altes Testament) ist: Gott erschafft den Menschen nach seinem Bilde und erhebt ihn so zur höchsten Würde. Als Abbild Gottes ist der Mensch mit Gott verwandt und mit unverletzlicher Würde ausgestattet (Gen 1,27). Gott liebt den Menschen: Alle, die nach seinem Namen benannt sind, hat Gott zu seiner Ehre geschaffen und sind in seinen Augen teuer und wertvoll (vgl. Jesaja 43, 1-7).

Die Würde und seine Nähe zu Gott verpflichtet den Menschen aber zu Solidarität und Gerechtigkeit. "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" lautet das Gebot bei Moses; Levitikus (3. Mose) 19, 18.
Im Buch der Sprüche Salomos (24, 11-12) heißt es (in Übersetzung nach Martin Luther): "Errette, die man zu Tode schleppt und entzieh dich nicht denen, die zur Schlachtbank wanken. Sprichst du: Siehe, wir habens nicht gewußt", fürwahr, der die Herzen prüft, merkt es, und der auf deine Seele acht hat, weiß es (..)" -
Beim Propheten Jesaja kann man lesen, dass es nicht irgendwelche Formen der Frömmigkeit sind, die vom Menschen verlangt werden, sondern eben Solidarität und soziale Gerechtigkeit im Zusammenleben mit seinen Mitmenschen: "Das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten frei zu lassen, jedes Joch zu zerbrechen, an die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen" (Jes 58, 6f ). - Angewandt auf unsere gegenwärtigen gesellschaftlichen Probleme würde die Befolgung solcher prophetischen Worte den Führern in Politik und Wirtschaft unruhige Stunden bereiten.

Das Neue Testament vollendet die biblische Botschaft von der Menschenwürde: Gott wird Mensch und macht sich dem Menschen gleich. Der Mensch wird so zum Teilhaber am göttlichen Leben. Gott wird Bruder und Schwester der Ärmsten ohne Rücksicht auf Rasse, Religion und Geld. Das ist die Botschaft von Weihnachten. (vgl. Luk 2,1-20; Joh 1,1-18).
In der prophetischen Tradition des Judentums steht auch Jesus von Nazaret. Als Jude verkündet er wie Moses und die Propheten die Menschenwürde und die mit ihr verbundene Verantwortung und Verpflichtung: "Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele mit all deiner Kraft und all deinen Gedanken und deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst" (Luk 10,27).

Der Mensch Jesus vertritt Gewaltlosigkeit (- strukturelle Arbeitslosigkeit ist erlittene Gewalt!) und soziale Gerechtigkeit: "Selig, die keine Gewalt anwenden, denn sie werden das Land erben. Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden. Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden. Selig, die Frieden stiften, denn sie werden Söhne Gottes genannt werden. Selig, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Himmelreich" (Mt 5, 5-10).

Jesus identifiziert sich und ist solidarisch mit dem leidenden Menschen: "Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt 25,40). Schließlich besiegelt Jesus seine Solidarität mit dem Menschen durch sein Leiden und seinen Tod und gibt damit den größten Beweis für die Würde und den Wert des Menschen.

Vor diesem Hintergrund kann Paulus im Römerbrief (8, 12-17) die Würde des Menschen in der evangelischen Freiheit definieren: "Denn ihr habt nicht einen Geist empfangen, der euch zu Sklaven macht, so dass ihr euch immer noch fürchten müsstet, sondern ihr habt den Geist empfangen, der euch zu Söhnen macht, den Geist, in dem wir rufen: Abba, Vater! So bezeugt der Geist selber unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind. Sind wir aber Kinder, dann auch Erben; wir sind Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden." - Kann ein Mensch einen größeren Wert haben? In unserem Stand als Kinder Gottes sind wir vor Gott gleich - vom Obdach- und Arbeitslosen bis zum Aufsichtsratvorsitzenden und Großaktionär, - wenn wir unsere Würde und Freiheit entsprechend leben.

Soweit unser kurzer Versuch einer biblischen Begründung der Menschenwürde. Noch einmal: In der jüdisch-christlichen Tradition ist die Menschenwürde nicht loslösbar von unserem solidarischen Handeln. Das macht das Thema Menschenwürde untauglich für Sonntagsreden. Wenn der Mensch bedroht ist, durch die Interessen des Kapitals seine Würde zu verlieren, können wir nicht sagen "wir habens nicht gewußt", sondern müssen handeln. Das ist wie wir alle wissen nicht leicht und verlangt Mut. Solidarisches Handeln beginnt sicher mit einer breiten Öffentlichkeitsarbeit. Gewaltmaßnahmen wie sie die Geschichte kennt, schließen sich in einer bewussten Nachfolge der Botschaft Jesu aus. Nachdenkenswert ist vielleicht Ziffer 2242 im Katechismus der Katholischen Kirche (München 1993, 571f.): "Der Bürger hat die Gewissenspflicht, die Vorschriften der staatlichen Autoritäten nicht zu befolgen, wenn diese Anordnungen den Forderungen der sittlichen Ordnung, den Grundrechten des Menschen oder den Weisungen des Evangeliums widersprechen. Den staatlichen Autoritäten den Gehorsam zu verweigern, falls deren Forderungen dem rechten Gewissen widersprechen, findet seine Rechtfertigung in der Unterscheidung zwischen dem Dienst Gottes und dem Dienst an der staatlichen Gemeinschaft. ‚Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!' (Mt 22,21). ›Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen‹ (Apg 5,29)."

Wir wünschen Ihnen Kraft und Mut zum solidarischen Handeln für unsere durch Arbeitslosigkeit abgewerteten Mitmenschen.



 


 
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