Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 6. Februar 2007 schrieb uns Herr yz.:


Thema: Ist Gott männlich oder weiblich?

Sehr geehrte Damen und Herren,

Wie antwortet man auf die Frage eines Konfirmanden am Geschicktesten. *Ist Gott für Sie eher ein Mann oder eine Frau?
*Mit dieser Frage fühle ich mich überfordert. In der Bibel wird doch nur vom Vater oder von unserem Herrn gesprochen?
Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen. Mit freundlichen Grüßen

yz


Unsere Antwort:

Sehr geehrter Herr yz,

lassen Sie uns, bevor wir an die Frage des Konfirmanden gehen, ein paar Bemerkungen zum biblischen Befund machen.

1. In der hebräischen Bibel finden sich nicht nur Vorstellungen über Gott als Mann. Wenn Gott in Ex 3,14-16 seinen Namen mitteilt, ist er jedenfalls weder Mann noch Frau: "Da antwortete Gott dem Mose: Ich bin der ‚Ich-bin-da'. ... So sag zu den Israeliten: Jahwe, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt. Das ist mein Name für immer, und so wird man mich nennen in allen Generationen." - "Ich-bin-da" ist nach dem gegenwärtigen Forschungsstand die plausibelste Übersetzung für Jahwe. Der Name Jahwe wird in der hebräischen Bibel mit den vier Konsonanten JHWH (Tetragramm) überliefert, sodass keine Klarheit über die Aussprache und auch keine völlige Sicherheit über die ursprüngliche Bedeutung besteht. Eindeutig ist aber, dass Jahwe eine geschlechtsneutrale Bezeichnung ist. Dass in einer patriarchalischen Gesellschaft in den Vorstellungen der Gläubigen dann sehr leicht aus dem geschlechtslosen Jahwe ein Mann wird, ist verständlich. - Lesen Sie dazu vielleicht auszugsweise mit Ihren Konfirmanden den empfehlenswerten Artikel JHWH in dem Internetlexikon Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/JHWH . Und in unserer Homepage den Aufsatz von Joachim Friebe: Hergott ist ein falscher Name. http://www.kirchameck.de/texte1.html .

2. In Gen 1, 27 heißt es: "Gott schuf also den Menschen als sein Abbild; als Abbild Gottes schuf er ihn. Als Mann und Frau schuf er sie." Wenn vom Abbild auf das zugrundeliegende Originalbild zu schließen ist, müsste Gott beides zugleich sein: Mann und Frau. Jeder Mann könnte dann sagen: Gott ist Mann, weil ich sein Abbild bin. Aber jede Frau könnte dann mit ebenso gutem Recht auch sagen, dass Gott eine Frau ist.

3. In Gen 1, 2 heißt es zum Anfang der Schöpfung, dass Finsternis über der Urflut lag "und Gottes Geist schwebte über dem Wasser." Mit Gottes Geist, Gottes Geisteskraft, Gott als Geist, Hauch, Atem, Sturm wird (in der von uns verwendeten Einheitsübersetzung) das hebräische Wort ruach übersetzt. (Vgl. Ez 37,1-14; Jes 32,15-18; Jes 44,3-5; Jes 61,1.) Ruach ist im Hebräischen weiblich. Also Gottes "Geistin" schwebte über dem Wasser, usw. - In der Übersetzung ins Griechische wurde aus dem weiblichen ruach das neutrum pneuma, und im Lateinischen schließlich zum männlichen spiritus. - Auch dieser sprachliche Sachverhalt spricht dafür, Gott nicht ausschließlich als Mann zu betrachten.

4. Einen ähnlichen Befund hat man, wenn man die verschiedenen weiblichen Gottesbilder der Bibel heranzieht: Gott wird als gebärende Frau gesehen (Dtn 32,18; Num 11,12), oder als Mutter (Jes 49,15; Jes 66,13; Hos 11,4; Ps 131,2). Gott wird auch als Weisheit (Sophia) gesehen (Weish 7,22; Sir 1,1-10; Spr 8-9). - Mit diesem Gottesbildern wird deutlich, dass von Gott in der Bibel nicht nur als Vater oder Herr gesprochen wird.

5. Im Neuen Testament bezieht sich Jesus - der ja gläubiger Jude war - immer wieder auf diesen Gott der hebräischen Bibel. Die vertrauliche Anrede Gottes als "Abba", Vater, findet sich häufig als Jesuswort im NT. Sie ist aber auch in der hebräischen Bibel geläufig, wenn auch nicht so häufig. Vgl. Jer 31,9 und Jes 64,7. Dass Jesus Gott mit der männlichen Bezeichnung Vater nennt, entspricht ganz seiner Zeit, die im Zuge der hellenistischen Kultur noch patriarchaler war als die mosaische Vorzeit.

Wie könnte man den Konfirmanden antworten?
Vielleicht könnte man mit ihnen zunächst den Aufsatz Joachim Friebes lesen und herausarbeiten, dass Bibelübersetzungen immer vom jeweiligen Zeitgeist beeinflusst sind und keine direkten Antworten, ob Gott Mann oder Frau ist, zulassen. In einer kontextbezogenen Übersetzung erscheint aber das "Ich-bin-da" als ein sehr zärtlicher mütterlich-väterlicher Name. "Ich bin doch da. Hab keine Angst!" sagen wir ja auch liebevoll als Mütter und Väter zu verängstigten Kindern und stiften so vom ersten Tag ihres Lebens an Vertrauen, Urvertrauen. Ohne dieses Urvertrauen kann der Mensch weder lieben, noch jemand anderem glaubend vertrauen. Jahwe = "Ich-bin-da!" ist das pädagogische Ur-Wort der Menschheit. Es bedeutet eben nicht "Du musst selber mit deinem Problem fertig werden!" und auch nicht "Stell dich nicht so an. Da musst das oder dies machen, lernen, üben usw.", also weder nur autoritäres Führen oder nur permissives Wachsenlassen, sondern einfaches liebevolles, aber für den jungen Menschen interessiertes Da-sein, das dem anderen etwas zutraut und Freiheit voraussetzt und schafft.

Die Erfahrung eines solchen liebevollen Da-seins ist für das Kind geschlechtsbezogen. Es ist immer ein Da-sein als Mutter oder als Vater. Ein solches Verständnis des Gottesnamens könnte bei den jungen Menschen eine lebendige und persönlichere Gottesvorstellung ermöglichen. Dass wir trotz unserer Gottesbilder und -vorstellungen den transzendenten Gott nicht erkennen können, versteht sich von selbst.
Wir brauchen aber die Gottesbilder (vgl. unsere Antwort vom 21.10.2006 http://www.kirchameck.de/FragAntwort23.htm ) und wir brauchen einen Zugang zu Gott über das "Herz". Wenn wir die Antwort Jesu nach dem wichtigsten Gebot ernst nehmen, spielt dabei die Vorstellung vom Geschlecht Gottes eine wichtige Rolle: "Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft." (Mk 12, 30; vgl. Dtn 6, 4) Wir können nicht abstrakt mit dem Kopf lieben, sondern immer nur mit unserer Leiblichkeit, d.h. mit unserer Geschlechtlichkeit. Unser Lebensgefühl haben wir immer nur als Mann oder als Frau - und das ist gemeint mit "lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele". Dass dazu auch der Eros gehört, weiß die Christenheit auch schon lange (vgl. Enzyklika "Deus caritas est" von Papst Benedikt XVI). Das praktizierten die Mystiker und davon sprechen auch noch viele Texte (vgl. z.B. "Seelenbräutigam"). Und dass der Bereich des Eros eine spezifisch männliche und weibliche Ausprägung hat, ist auch im Zusammenhang mit unserer Religiosität von Bedeutung.

Die Frage des Konfirmanden "Ist Gott für Sie eher ein Mann oder eine Frau?" ist sehr ernst gemeint. Denn es spielt durchaus eine Rolle, welches Geschlecht Gottes wir uns als Männer oder als Frauen vorstellen, wenn es darum geht, Gott zu lieben. Frauen hatten da naturgemäß weniger Probleme. Was spricht dagegen, dass sich Männer Gott als Frau vorstellen?
In der Hoffnung, dass wir Ihnen und Ihren Konfirmanden Anregung zum Nachdenken geben konnten grüßt Sie

 


 


 
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