Fragen und Antworten

 

 

 

 

Am 12. September 2007 schrieb uns Herr M.:


Frage eines zukünftigen Konvertiten

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich werde konvertieren. Vorher möchte ich jedoch einen theologischen Fehler korrigieren, den ich im Alter von zehn Jahren begangen habe. Leider habe ich keine Ahnung wie! Da ich umgezogen bin und daher keinen Priester persönlich kenne, wende ich mich mit der Bitte an Sie, mir einen Rat zu geben. Mein theologisches Problem ist folgendes:

Obwohl ich römisch-katholisch getauft wurde, wollte ich als Kind schon zu einem anderen christlichen Glauben konvertieren, auch wenn die Gründe des jetzt erwachsenen Konvertiten weitaus vielfältiger sind. Dies habe ich meinen papierreligiösen Eltern wenige Tage vor meiner Erstkommunion mitgeteilt. Überfordert mit der Situation haben meine Eltern, für die Religion nur auf der Lohnsteuerkarte existiert, mich zur Erstkommunion gezwungen. Unabhängig von meiner Meinung zum römisch- katholischen Glauben und trotz der Tatsache, daß ich immerhin nicht zur Firmung gegangen bin, so war mir, trotz meines damaligen Alters, bewußt, daß ich während der Durchführung dieser Zeremonie lüge. Eigentlich macht es keinen Unterschied mehr, da meine zukünftige Religionsgemeinschaft die Taufe der römisch-katholischen Kirche nicht anerkennt, ich somit neu getauft werden muß und wahrscheinlich sowieso von der katholischen Kirche exkommuniziert werde, nur Fakt ist, das ich in einer christlichen Kirche und bei Durchführung einer christlichen Zeremonie gelogen habe. Dies ist aus theologischer Sicht eine schwere Sünde, oder? Ich möchte unbelastet meinen Glauben ausleben können, das bedeutet, wenn es eine Sünde sein sollte, diese tilgen, bevor ich konvertiere.

Mit freundlichen Grüßen


Unsere Antwort:


Sehr geehrter Herr M.,

Konversionen sind in den meisten Fällen tiefgehende und stark in die Persönlichkeit eines Menschen eingreifende Akte. Eine Konversion zu einem anderen religiösen Glauben berührt ja die Identität einer Person.
Die Religionsfreiheit - Voraussetzung für eine Konversion in Mündigkeit und freier Gewissensentscheidung - ist im heutigen Europa fast uneingeschränkt möglich. Religionsfreiheit gehört zu den Menschenrechten (Artikel 18). Das Recht auf freie Wahl seiner Religion gehört zu den unantastbaren Gütern des Menschen: Konversionen, die z.B. aus familiären (z.B. bei Eheschließungen), beruflichen (z.B. bei Anstellungen) oder politischen Gründen verlangt oder "empfohlen" werden, sind inhuman. Das gilt natürlich auch für Konversionen innerhalb der christlichen Konfessionen. Hier gibt es immer noch "missionarische" Aktivitäten. Manchmal ist dabei der Druck von außen kaum feststellbar. Häufig kommt hier der "Druck" von innen aus der Persönlichkeit. Es ist oft für die Konvertiten schwer, "sachliche" Gründe zu nennen, die nur aus dem Glauben heraus begründbar sind. Damit soll freilich eine gefühlsbasierte Entscheidung nicht abgewertet werden.
Trotz der größeren Freiheit und der durch die Globalisierung bedingten Vermischung der Kulturen und Religionen ist eine Konversion innerhalb der christlichen Kirchen heute immer noch problematisch. Der Konvertit muss seine Entscheidung selbständig treffen und sollte sie weniger auf die missionarische Botschaft der Kirchen und Religionsgemeinschaften gründen, als auf die Botschaft Jesu.
Die großen christlichen Konfessionen haben sich alle wieder mehr auf ihr jesuanisches Erbe besonnen, sind folglich toleranter geworden und pflegen die Ökumene. Religionskriege, der Inbegriff unchristlichen Handelns (vgl. Bergpredigt, Matthäusevangelium, Kap. 5-7), gab es schließlich genügend, - und damit verbunden Dogmatismus, Scheiterhaufen und Exkommunikation ebenfalls. Insofern sind "Wiedertaufen" und Aberkennung anderer Taufen christlicher Gemeinschaften fragwürdig geworden. Ja, dort wo es sich um die großen christlichen Kirchen handelt, ist der Unterschied im Glauben so klein geworden, dass Konversionen kaum mehr begründbar sind. Vielmehr ist in unserer Zeit Ökumene und Toleranz angezeigt - nicht nur innerhalb der Christenheit, sondern auch mit Juden und Muslimen und den anderen Religionen. Gott hat sich in allen Religionen geoffenbart und alle Menschen können sich auf die Ebenbildlichkeit mit Gott berufen. Das macht für die einzelnen Religionsgemeinschaften und Kirchen die Inanspruchnahme einer alleinigen Wahrheit, die nur sie zu haben glauben, sehr schwer.

Ihrer Mail kann man entnehmen, dass Sie sehr gewissenhaft und gründlich Ihre Konversion angehen. Vielleicht haben Sie ein sehr strenges Bild von Gott, das Ihnen sogar Angst einflößt über "Fehler", die Sie in Ihrer Kindheit begangen zu haben glauben. So ein Gottesbild widerspricht der Vorstellung Jesu, der uns die Botschaft vom bedingungslos liebenden Gott gebracht hat. Gott, "unser Vater", zürnt keinem Menschen, sicherlich keinem 10jährigen Kind, das vielleicht auf Grund der Eltern-Kind-Beziehung gar nicht anders hat handeln können. Gott kann nur lieben. (Lesen Sie dazu den gleichlautenden Text in unserer Homepage unter "Texte" !)

Aus theologischer Sicht ist Ihr geschilderter Sachverhalt keine schwere Sünde, die man tilgen muss. 10jährige sind für solche Handlungen nicht zurechnungsfähig. Der Vorgang ist folglich kein Tatbestand einer Sünde und tut Ihnen übrigens ja auch leid. Und wenn es eine Sünde gewesen sein sollte, so ist sie theologisch betrachtet mit Jesu Tod getilgt. Daran dankbar zu glauben ist der Kern des Christentums. Dieser Glaube muss vom erwachsenen Menschen neu erarbeitet werden und ist vielleicht sogar bedeutsamer als das Zeichen der Taufe. Denn Zeichen können den Glauben nicht ersetzen und sind keine "magischen" Akte, die eine Veränderung "materiell" bewirken. Darüber wäre freilich noch mehr zu sagen.

Vielleicht fühlen Sie sich nun mit unserer knappen Antwort unverstanden oder provoziert. Vielleicht müssen Sie auch darüber noch nachdenken. Wir sind für einen Dialog immer bereit und wünschen Ihnen eine fruchtbare Zeit.

Ihr Team von der Kirch am Eck



 


 
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