Fragen und Antworten

 
 

Am 6. Dezember 2002 bekamen wir folgende Mail:

Hallo!
Ich bin 28 Jahre, rk. auch kirchgänger und lebe mit meiner Freundin seit 27 Monaten zusammen.
Sie ist 23 Jahre und atheistisch.
Nun denken wir über Heiraten nach.
Ich weiss, daß man trotzdem in der Kirche heiraten kann, das möchte sie aber überhaupt nicht und sagt auch, daß ihre Familie da auf keinen Fall reingeht. Ihre Großeltern sind evangelisch, gehen aber nur Weihnachten in die Kirche.
Ich würde (auch wenn ich es gern anders hätte - aber ist ja dann auch nicht
rechtmäßig kirchlich geheiratet) auch nur standesamtlich heiraten.
Nun wollte ich einfach mal wissen, was die katholische Kirche zu solch einer Vebindung sagt? Ist sie auch genauso rechtskräftig in Augen der Kirche? Könnte man eventuell auch später kirchlich noch heiraten?
Ist das Sünde? Muß oder sollte ich die Kinder taufen (auch wenn meine Frau das nicht will - sie sagt,daß sie das selber später entscheiden könnten).
Vielen Dank für eine Antwort.
Vielleicht gibt es dazu auch Literatur?
Mfg xy

PS: Ich denke was Jesus sagen würde, weiß ich.
Er liebt alle Menschen und für ihn wäre das ok.Schließlich leitet Gott die
Menschen, auch wenn sie nicht in die Kirche gehen.

 

Sehr geehrter Herr xy,
die Antwort auf Ihre Frage haben Sie sich mit Ihrem "Postscriptum" fast schon selbst gegeben und ich möchte damit beginnen: Was würde Jesus dazu sagen?
Als Christen müssen wir uns für alles immer zuerst diese Frage stellen, schließlich haben wir uns als erwachsene Menschen in Freiheit entschieden, unser Leben zunächst nach seinem Geist auszurichten und nicht nach irgendwelchen Gesetzen oder Vorschriften. Denn Jesus war sicher nicht gegen die Gesetze, aber er ordnete die Gesetze den Menschen und ihren Nöten unter.

In der bekannten Geschichte von Jesus und der Ehebrecherin (Joh 8, 3-11) gibt er uns die Lösung: Er verurteilt nicht bei Fehlverhalten. Er verweist uns auf unser Gewissen, auf den Kern unserer Person. Nur der betroffene Einzelne - kein Kirchenfunktionär oder Richter - kann wissen, mit welcher Absicht und Gesinnung eine Tat begannen wurde. Sünde definiert sich nicht durch die Tat von außen, sondern nach dem guten oder schlechten Willen, nach der Gesinnung. Eine dem sichtbaren Erfolg nach "gute" Handlung, die in böser Absicht geplant wurde, wäre dann Sünde; eine Handlung, die in böser Absicht geplant wurde und wegen mangelnder Gelegenheit nicht stattfand, ebenso. Eine gut gemeinte Tat, die aber aus irgendwelchen Gründen böse Folgen hatte, wäre keine Sünde usw. - Niemand kann in den andern hineinsehen und wissen, mit welcher Gesinnung eine Tat getan wurde. Unser Gewissen ist die letzte Bastion unserer Freiheit und Menschenwürde, vor dem es keinen irdischen Richter gibt.

Damit können wir Ihre Frage weiter einkreisen: Das Wesen der Ehe liegt in der Treue der Partner zueinander. Treue gehört - folgt man z.B. dem Philosophen O.F. Bollnow - zu den grundlegenden Tugenden unseres Menschseins. Nur wenn ich dem Partner "trauen" kann, ist ein Zusammenleben möglich. "Treue ist ihrem Wesen zufolge "ewige Treue", es gibt keine Treue auf Zeit und mit Vorbehalten". - Dass dies bei der bekannten "schwachen Natur" des Menschen ein schwieriges Geschäft ist, ist ein Allgemeinplatz. Und vielleicht ist dies alles auch der Grund, warum sich im Laufe der Zeit in der katholische Kirche die Vorstellung von der Ehe als Sakrament entwickelt hat und auf dem Konzil von Trient 1563 per Dekret erlassen wurde: Sakrament soll die Ehe sein, weil man dazu spezielle Hilfe "von oben" braucht; Öffentlichkeit (d.h. mindestens den zuständigen Pfarrer und zwei oder drei Zeugen) braucht man dazu, weil die Glaubensgemeinschaft durch die Rituale und Feiern Stütze und Hilfe bietet. Aber - und damit sind wir wieder auf unsere oben besprochene Geschichte bei Johannes verwiesen - die katholische Lehre betont, dass die Spender dieses Sakraments die Eheleute selber sind, also nicht der Priester oder welche/r Kirchendiener/in auch immer, der die "Trauung" vollzieht.

Nun mag hinter der auf dem Konzil von Trient fixierten Konzeption des Ehesakraments auch das in der Geschichte bekannte unwürdige Machtspielchen der Amtskirche mit den Staaten und mit dem ihr anvertrauten Volk der Glaubenden stehen. Zu oft hat die Kirche aus der befreienden Frohbotschaft Jesu eine Drohbotschaft gemacht. Nicht abstreiten kann man aber die Sorge der Kirche um die Sicherung der ehelichen Treue und um die Würde der Eheleute. Denn es gab damals Missstände wie "geheime Ehen" und willkürliche Scheidungen bei den Mächtigen. Es gab auch damals (bis zum 19. Jh. !) noch keine staatlichen Standesämter. - Inzwischen hat sich viel verändert, die Kirche ist keine weltliche Macht mehr, die Staaten haben jene Funktionen zum Schutz der Ehe übernommen und die Kirche hat sich mehr ihrer pastoralen Rolle erinnert. Man könnte also auch in der katholischen Kirche wieder gelassener mit jenen damals erlassenen Vorschriften umgehen und z.B. die standesamtliche Trauung auf Wunsch der Eheleute als gültige Ehe anerkennen. Aber das ist leider noch Zukunftsmusik. Reformen in der Kirche brauchen unerträglich lang. - Wir könnten jetzt als Zwischenbilanz sagen: Wenn der Geist Jesu gegen eine legalistische Auslegung alter Vorschriften der Kirche spricht und wenn die Wahrnehmung unserer Gewissensfreiheit im Sinne des Evangeliums ist, dann wären alle Wege offen, in Ihrem Falle eine passende Lösung im Sinne der Frohbotschaft zu finden.

Ihr geschilderter Fall ist ja keine Seltenheit. Die Liebe und Ehe von Christen mit Andersgläubigen oder Atheisten sind mittlerweile an der Tagesordnung. Eine geglückte Partnerschaft solcher Paare ist nur möglich auf der Basis einer gegenseitigen tiefen Toleranz der Weltanschauungen. Ein "Missionieren" des anderen für seine Überzeugung, ein Lächerlichmachen oder Ignorieren seines Glaubens endet häufig wie alle Religionskriege. Wenn wir dem Glauben und den Überzeugungen des Menschen, seinem Verhältnis zu Gott oder seinem Glauben an die Nichtexistenz Gottes mit der größten Achtung und Ehrfurcht begegnen, steht die Menschenwürde am höchsten im Kurs. So betrachtet haben Sie eine große Chance, mit Ihrer Ehe eine Zeugnis für Humanität zu leben, das zu mehr Frieden auf der Welt beiträgt. Toleranz fällt nicht vom Himmel und braucht viel Dialog und Mut, immer wieder neu anzufangen. Es braucht dazu auch das Gespräch mit anderen Menschen in ähnlichen Situationen. - Ich bin überzeugt, dass Sie mit Ihrer Partnerin einen Weg finden, der für beide akzeptabel ist. Die Frage nach dem Zeitpunkt der Taufe wird sich dann von selber lösen. Das haben viele andere Paare in solchen Situationen schon vorgelebt. Ich war vor einiger Zeit zu einer solchen Hochzeit eingeladen, bei der eine überzeugte Atheistin und ein Katholik in einem kirchlichen Rahmen mit den ähnlichen Verwandtschaftsproblemen eine Zeremonie gefeiert haben, die alle zum Nachdenken über Toleranz gebracht hat. - Die Kirche bietet dazu (in den meisten Fällen) brauchbare Hilfe. Reden Sie zuerst einmal mit Ihrem zuständigen Pfarrer oder schreiben Sie uns, wenn Sie Vermittlung brauchen.

In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Das Kind in der Krippe ist auch ein Symbol für den Frieden unter den Weltanschauungen, auch wenn die Geschichte uns anderes lehrt. Wir wünschen Ihnen für Ihren gemeinsamen Weg viel Kraft und Mut, Toleranz vorzuleben.


 


 
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