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Ökumenisches Kirchenasyl in Herbrechtingen
Evangelische
Gemeinde gewährt Kurden Asyl
Kurde Mehmet
Tekin gibt an: Türken
wollen ihn inhaftieren und foltern
HERBRECHTINGEN (bea). Erstmals
in der Geschichte der evangelischen Kirche in der Buigenstadt ist der
Fall eingetreten, dass die Gemeinde einem. von der Abschiebung bedrohten
Ausländer Asyl gewährt. Für Mehmet einen 29-jährigen
Kurden, ist das die letzte Chance, eventuell von der Polizei unbehelligt
bleiben zu können. Die evangelische Gemeinde bietet ihm nun den
letzten Schutz,
Bislang wurden die Asylanträge
Tekins von den Gerichten abgelehnt. Dies obwohl der Mann behauptet,
dass in der Türkei nach einer Abschiebung Gefängnis und Folter
auf ihn warten.
Weil die türkische Regierung dem Kurden türkenfeindliche Aktivitäten
unterstellt und ihn deswegen auch verfolgte, war der 29-jährige
gezwungen, seinen gut gehenden. landwirtschaftlichen Betrieb in seiner
Heimat zu verlassen und – wie zuvor auch seine Brüder –
aus der Heimat zu fliehen. Im Jahr 1995 kam Mehmet Tekin nach Deutschland
und lebte seit 1997 in Herbrechtingen.
Der erste Asylantrag wurde im September des Jahres 1999 abgelehnt, woraufhin
der Kurde Berufung einlegte. Diese wurde vom Verwaltungsgerichtshof
- wie in den allermeisten Fällen - ebenfalls abgelehnt,
Weil der Kurde in Deutschland an exilpolitischen Aktionen wie beispielsweise
Kurdendemonstrationeri in Stuttgart teilgenommen hatte, gab es erneut
einen Grund, einen Asylantrag zu stellen, der allerdings innerhalb eines
Tages vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge
abgelehnt wurde. Daraufhin erfolgte eine erneute Klage gegen die Ablehnung
und der Antrag auf Schutz bis zur nächsten Verhandlung. Auch dies
wurde dem Kurden nicht gewährt. Die Folge war, dass bereits am
nächsten Tag die Polizei vor seiner Wohnungstüre stand. Mehmet
Tekin entzog sich der deutschen Justiz und tauchte in die Illegalität
ab.
Jetzt war es wegen weiterer Verhandlungen notwendig geworden, wieder
an die Öffentlichkeit zu treten. Die einzige Möglichkeit,
jedoch nicht sofort voll der Polizei aufgegriffen und abgeschoben zu
werden, lag darin, bei der Kirche um Kirchenasyl zu ersuchen
Die evangelische Kirche beschloss in einer geheimen Sitzung des Kirchengemeinderats,
dem jungen Mann diesen Schutz zu gewahren. Bis zur Verhandlung darf
sich der Mann ausschließlich nur in Räumen aufhallen, die
direkt mit dein A!tarraum zu tun haben. Die Kirche selbst darf er die
gesamte Zeit nicht verlassen, sonst hat die 5taatsgewalt wieder direkten
Zugriff und kann ihn noch vor der Verhandlung abschieben.
Es ist möglich. dass aufgrund der Bereitschaft der Kirche, dem
Mann Asyl zu gewähren, auch eine Aufenthaltsduldung bis zum Prozess
genehmigt wird, was bedeuten würde, dass der Mann sich auch außerhalb
der Kirchenräume frei bewegen könnte.
Wie lange die Aktion dauern wird, ist noch nicht absehbar. Theoretisch
ist es möglich, dass der Kurde noch zwei Jahre auf seine Verhandlung
warten muss. Natürlich muss für solch einen Zeitraum eine
andere Lösung gesucht werden, erklärt hierzu Pfarrer Wilfried
Scholl, der in der Sonntagsmesse auch die Gemeindeglieder über
die Situation informierte. Da der Kurde derzeit völlig mittellos
ist, ist er auf die Unterstützung anderer angewiesen. Seine Brüder,
denen in Deutschland bereits Asyl gewährt worden ist, haben ihm
Unterstützung zugesagt.
HNP-Kreisnachrichten 19.3.2001
STADT HERBRECHTINGEN
Protestanten und Katholiken
arbeiten zusammen
Kurde
im Kirchenasyl
BOLHEIM (ha). Wie Ökumene funktionieren kann, zeigen derzeit
die evangelischen und katholischen Christen. Sie kümmern sich gemeinsam
uni einen kurdischen Asylbewerber.
Nachdem der Kurde Mehmet
Tekin zunächst im Herbrechtinger Kirchenasyl untergebracht war,
zog er nun ins Bolheimer Kirchenasyl um. Die evangelischen und katholischen
Christen teilen sich die Versorgung und Betreuung des verfolgten Asylbewerbers.
Der 29-Jährige wurde im März im Kirchenasyl aufgenommen, weil
von einer Bedrohung gegen seine Person auszugehen war und ihm die „Schutzgewährung“
verweigert wurde.
HZ-Informationen zufolge
verweigerte das Gericht seine Anerkennung als Asylant. „Die Sache
sieht nicht gut aus“, sagt eine Helferin vom ökumenischen
Arbeitskreis Asyl. Nun müsse abgewartet werden, was die Rechtsanwältin
des Kurden zu tun gedenke. Als letzte Instanz bleibe das Bundesverfassungsgericht.
Wie bereits berichtet, sind die beiden Brüder des 29-Jährigen
längst anerkannte Asylanten. Sie helfen ihrem Bruder und unterstützen
ihn.
Was im Fall der Familie Ahmed
aus Pakistan geschah - die Familie hatte Asyl beantragt und wurde abgeschoben
(wir berichteten mehrfach) -, wurde dieser Tage deutlich: Wie befürchtet
lehnte das deutsche Gericht das Asylersuchen erneut ab.
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