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Schwäbisches Tagblatt
vom 29. März 2003

 

Leserbriefe

Der Krieg im Irak und die Verantwortung der hiesigen Bundestagsabgeordneten.

»Ein Kriegsverbrechen«

1. Der Präventiv-Krieg gegen den Irak und sein verbrecherisches Regime ist weder mit dem christlichen Friedensauftrag noch mit dem Völkerrecht und auch nicht mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik vereinbar. Er ist deshalb ein Kriegsverbrechen.

2. Die Verantwortlichen für diesen Krieg - US-Präsident George W. Bush, Premierminister Tony Blair von Großbritannien und andere - müssen wir deshalb als Kriegsverbrecher ansehen und öffentlich anklagen.

3. Das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland darf weder direkt noch indirekt für Aktionen, die mit diesem Krieg zusammenhängen, in Anspruch genommen werden. Gleiches gilt für die Streit- und Ordnungskräfte unseres Landes. Sonst leistet die Bundesrepublik Deutschland Beihilfe zu Kriegsverbrechen.

4. Ich fordere die Verantwortungsträger der Bundesrepublik Deutschland, besonders Bundeskanzler Gerhard Schröder, auf, diesem Gesichtspunkt unverzüglich Rechnung zu tragen. Sonst muss ich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland der Beihilfe zu Kriegsverbrechen öffentlich anklagen.

5. Ich fordere unsere Vertreter/innen, vor allem die Bundestagsabgeordneten unseres Gebiets, auf, sich durch Anträge und ein entsprechendes Abstimmungsverhalten dafür einzusetzen, dass sich unser Land nicht der Beihilfe an Kriegsverbrechen schuldig macht. Wenn sie das nicht tun, werde ich sie dieser Beihilfe öffentlich anklagen.

6. Ich bestreite damit weder den demokratischen Charakter der in dieses Kriegsverbrechen verwickelten Länder noch die Mitwirkung von humanitären Absichten und berechtigten Schutzinteressen bei den Entscheidungen. Auch die ethischen Unterschiede werden damit nicht verwischt. Saddam Hussein ist ein weitaus brutalerer Kriegsverbrecher als Präsident Bush. Allerdings stehen die USA als größte Macht der Welt mit demokratischer Legitimation in einer besonderen Verantwortung, internationale Regeln weltweit einzuhalten. (...)

7. Als Christ bekenne und als Pfarrer lehre ich, dass das letzte Urteil über menschliche Taten Gott zusteht, dass er uns aber auch zum Kampf für den Frieden unter den Umständen unserer Zeit ermutigt. Ich werde in der Öffentlichkeit für diese Verpflichtung Gottes zum Frieden eintreten und fordere andere Christ(inn)en auf, dies auch zu tun. Diese Erklärung ist Teil dieses Zeugnisses.

Frieder Held, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinden Wankheim und Jettenburg, Wankheim, Hauptstraße 60


Hier sendet ein Leser das Gedicht eines 18-jährigen Schülers vom Mössinger Quenstedt-Gymnasium zum Krieg.

»Herz verkrampft sich«

Ich sende Ihnen ein Gedicht zum heutigen Frühlingsanfang. Ein 18-jähriger Schüler vom Quenstedt-Gymnasium hat es geschrieben. Er nennt es "Decrescendo ins Mittelalter". Es hat mich angerührt. In diesen Tagen einer neuen Aufmerksamkeit und Sensibilisierung für Menschenrechte gegen Supermächte, Diktaturen und Propaganda erscheinen mir leise Stimmen besonders glaubwürdig und bedenkenswert zu sein.

bin so machtlos, bin so schwer,
keine lust und will nicht mehr,
will nichts sehn mehr, will nichts hörn,
keiner soll mich jetzt mehr störn,
überladen, bin verbraucht,
bin nur macht? und mittellos,
setz der welt den gnadenstoß,
ist verloren alles schon,
sitzt georg bush auf seinem thron
und erfolgreich auf den schlag,
gibt's nur tote im irak,
bin gefesselt, kann nichts tun,
kann nur vor der glotze ruhn,
kann nur sehen, was die wolln,
nämlich das, was wir sehn solln,
bester wille, noch gericht,
weder noch, ich kann es nicht
übermitteln diese wut,
herz verkrampft sich,
spucke blut, unbegreiflich, schaut da her,
pressefreiheit gibt's nicht mehr,
um für freiheit als blutlach
zu (voll)enden bin ich schwach,
und die andern ebenso,
sieger wird sein bush und co.
ein zurück gibt's jetzt nie mehr,
der kampf ist einfach zu schwer.

Bodo Rahn, Mössingen, Barbelsenstraße 2


»Klare Willensbekundung«

In Deutschland finden, erstmals seit vielen Jahren wieder, flächendeckend Demonstrationen statt. Neben den großen, machtvollen Demonstrationen mit zigtausend Teilnehmern in den Landeshauptstädten gibt es vielfältige und zum Teil sehr phantasievolle Kundgebungen in vielen kleinen Städten. (...)

Erstaunlich und ärgerlich ist für uns deshalb die Berichterstattung in den Medien, insbesondere in Funk und Fernsehen, wo immer häufiger so genannte Experten auftreten, um sich dazu zu äußern, warum jetzt so viele Menschen auf die Straße gehen. Eine beliebte Erklärung dabei ist, dass es wohl die Menschen nicht aushielten, einen Krieg tatenlos geschehen zu lassen. Sie seien durch die Bilder und Berichte stark belastet und müssten - um dies zu verarbeiten etwas tun - zum Beispiel eben demonstrieren. Die Teilnahme an Demonstrationen dienten daher lediglich der persönlichen "Psychohygiene".

Dies ist unseres Erachtens nicht nur eine billige Form von Laienpsychologie, die einen untergeordneten Aspekt einer komplexen Motivationslage für das Ganze hält, sondern sie dient auf raffinierte Weise ganz handfesten Interessen. (...)

Wir wollen daher für unsere Personen ausdrücklich klarstellen: wir demonstrieren, weil Krieg nicht zur anerkannten Form der Konfliktlösung werden darf, weil das Vorgehen der amerikanischen Regierung und ihrer Verbündeten klar gegen Völkerrecht verstößt, weil kein Land dieser Erde das Recht at, die Regierung einer anderen Nation wegen Missliebigkeit mit dem Tod zu bedrohen (...)

Wir gehen auf die Straße, um klarzumachen, dass wir eine deutsche Beteiligung an diesem Krieg nicht tolerieren werden. Und wir demonstrieren gegen Gruppierungen in Deutschland, die diesen Krieg mittragen wollen. Es ist uns eine unerträgliche Vorstellung, dass Deutschland jetzt an vorderster Front in diesem Krieg kämpfen würde, wenn die letzte Bundestagswahl eine CDU?Regierung gebracht hätte und Leute wie Frau Merkel Regierungsverantwortung trügen.

Wir sind als Psychiater/Psychotherapeut und Pfarrerin durchaus Bewohnt unser Handeln und die Motivation dafür kritisch zu reflektieren. Und wir erwarten daher, dass die Demonstrationen von den politisch Verantwortlichen und von den Journalisten nicht "psychologisiert" werden, sondern als das verstanden werden, was sie sind: eine klare und eindeutige Willensbekundung mündiger Staatsbürger.

Dr. Gerhard und Carola Längle, Tübingen, Steinbruchstraße 6


»Niemals aber Solidarität«

Nachdem die ersten amerikanischen Kriegsgefangenen im irakischen Fernsehen gezeigt werden, beruft sich Bush auf die Genfer Konvention: Kriegsgefangene müssen "human" behandelt werden - sonst handle es sich um ein "Kriegsverbrechen"; zudem dürfen sie nicht der Öffentlichkeit vorgeführt werden. Das US-Propaganda-Fernsehen dagegen führt schamlos täglich sich (angeblich) ergebende irakische Soldaten vor - und nachdem er abseits der UN-Charta Krieg führt, fällt Bush plötzlich wieder ein weltweit geltendes Recht ein. (...)

Aber bleiben wir im Lande. Kriegspropagandistin Nummer 1, Kanzlerkandidatin Merkel, macht Stimmung mit Sprüchen, die an Dummheit nicht zu überbieten sind, etwa: Schröder habe diesen Krieg "wahrscheinlicher und nicht unwahrscheinlicher gemacht". In gleicher Kampfreihe Schäuble: Wir "stehen uneingeschränkt an der Seite Amerikas". Grundsätzlich kann man zwischen Bündnispartnern die Frage stellen: Kompromisslose Vasallentreue oder Akzeptanz von abweichenden Meinungen? - Für Bush gibt es nur Ersteres. Und die CDU hat sich entschieden. Sie fordert die "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA - und spricht sich damit offen für einen Bruch des Völkerrechts, einen Angriffskrieg ohne UN-Mandat aus (...).

Bush spricht sein eigenes Ermächtigungsgesetz das ihn zu allem legitimiert, und das zudem "zu einem von uns gewählten Zeitpunkt" (siehe seine Rede vom 18. März). Die US-Medien sind seit Wochen nicht explizit, aber in der Praxis zunehmend gleichgeschaltet. "Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich" - mit derartigen Bibelzitaten bekräftigt Bush seine politische "Mission", die er zugleich auch als religiöse versteht, und spricht von einem "göttlichen Auftrag", den er auszuführen habe (in kaum anderer Lesart: der Allmächtige und ich). Spätestens jetzt sollten sich speziell in den Köpfen der Deutschen (besonders in jenen der CDU-"Gläubigen") Erinnerungen an Zeiten regen, in denen ähnliche Parolen geschwungen wurden. Und die Frage, mit welcher "Macht" Deutschland hier eigentlich "verbündet" ist. (...)

Dieser Krieg muss sofort gestoppt werden, unter anderem, indem ihn der Weltsicherheitsrat für völkerrechtswidrig erklärt. Bush und seine engsten Gefolgsleute müssen sich in Den Haag vor dem Kriegsverbrechertribunal für diesen Angriffskrieg samt seinen Folgen verantworten.

Gabi Brodbeck, Tübingen, Käsenbachstraße 10/2, Initiative "Koalition der Unwilligen" / Writers against War


»Der kleine Bush«

Die frühere Bundesjustizministerin Prof. Däubler-Gmelin kann sich nachträglich bestätigt sehen, als sie im vergangenen Bundestagswahlkampf gewisse politische Methoden von Bush in die Nähe von Hitler rückte. Denn dieser Irak-Krieg ist eindeutig völkerrechtswidrig, da weder ein Selbstverteidigungsfall noch ein Mandat der Vereinten Nationen vorliegen. Im ersten Golfkrieg hatte Vater Bush ein solches Mandat der UN erhalten, was der Junior offensichtlich verdrängt hat.

Folglich handelt es sich um einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Und zumindest eines haben der kleine Bush und der große Diktator gemeinsam, nämlich eine unerträgliche Machtarroganz und die Missachtung der Völkergemeinschaften.

Friedrich Schäuble, Tübingen, Untere Hohbergstraße 1


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