Ökumenischer Stammtisch
 

Stammtisch am Achermittwoch, den 9. 2. 2005

 
 
 

Schwäbisches Tagblatt 9. Februar 2005

Von falschen Bindungen lösen

Viele Katholiken und Protestanten verzichten von heute an auf Fleisch, Alkohol, Nikotin oder Süßes

Von Manfred Hantke

KREIS TÜBINGEN. Kein Fleisch oder keinen Alkohol, kein Nikotin oder keine Schokolade: Nach den fettreichen Weihnachtstagen und der feucht-fröhlichen Fasnetszeit beginnt heute die Fastenzeit. Bis zum Ostersonntag verzichten viele Kreis-Tübinger auf eine der lieb gewordenen Gewohnheiten, andere enthalten sich gar sämtlicher Genussmittel gleichzeitig. Ob Katholiken oder Protestanten: Für alle bedeutet die Fastenzeit eine innere Einkehr und mögliche Neuorientierung des eigenen Lebens (siehe auch das ÜBRIGENS).

Fasten, Beten, Almosen geben - das ist der klassische Dreiklang, um sich "besser auf Gott einlassen zu können", erläutert Klaus W. Hälbig, Pressesprecher des Bischöflichen Ordinariats in Rottenburg. Worauf die gläubigen Katholiken in den kommenden Wochen verzichten sollen, sei nicht festgelegt. Entsagen könne man dem Fernsehkonsuln, aber auch einem opulenten Essen oder dem Rauchen.
Durch den Verzicht könne der Gläubige "eine größere Freiheit" gewinnen, sich fragen, wo er "falsche Bindungen" habe und sich für "die geistige Dimension" öffnen. Sonntags gelte das Fastengebot für die katholischen Gläubigen nicht. insgesamt wird an 40 Tagen gefastet.

Die Zahl 40 hat übrigens biblische Bedeutung und steht für eine besondere Nähe zu Gott und die Bereitschaft zur Buße und Umkehr. So soll etwa Mose 40 Tage auf dem Berg Sinai und Jesus 40 Tage lang in der Wüste gewesen sein.
Die vorösterliche Abstinenz ist eng mit der Almosengabe verbunden. Das Leitwort der diesjährigen Misereor-Aktion heißt "Teilen verbindet. Gemeinsam gegen Krankheit in der Welt". Misereor ruft zum solidarischen Handeln und zum "Einsatz für gerechtere Strukturen" in der Welt auf. Bundesweit eröffnet wird die Fastenaktion am 13. Februar in Freiburg, noch bis zum 12. Februar dauert die Hungertuchwallfahrt, die von Bamberg über die Ostalb entlang der Donau in die Breisgaustadt führt. Das Bischöfliche Jugendamt bietet den Fastenden unter dem Motto "8ung" auch in diesem Jahr wieder tägliche Bibelsprüche zur Begleitung aufs Handy oder als E-Mail an.

"Sieben Wochen ohne" nennt sich die Fastenaktion der evangelischen Kirche. Den Beginn der Passionszeit markiert wie im letzten Jahr der Shalom-Gottesdienst am heutigen Mittwoch um 19 Uhr in der Tübinger Jakobuskirche.
Pfarrer Karl-Theodor Kleinknecht von der Tübinger Stiftskirche verzeichnete in den vergangenen Jahren einen stets stärkeren Zuspruch der Abstinenzler auf Zeit. "Ein paar hundert Leute in Tübingen" werden auf Fleisch, Alkohol oder Schokolade bis Ostern verzichten, schätzt er. Aber nicht, "um guten Eindruck vor Gott zu machen", betont er, sondern um über die eigene Freiheit nachzudenken und sich von Gewohnheiten zu lösen. Auch Pfarrer Kleinknecht ist mit dabei: Er will in den kommenden Wochen verstärkt den Öffentlichen Nahverkehr nutzen und das Glas Wein zum Essen weglassen. Eine zentrale Spendensammlung gebe es in der evangelischen Kirche nicht. Das regele jeder individuell.

Dagegen denken sich die Mitglieder der evangelisch-methodistischen Kirche in Tübingen allwöchentlich ein Entwicklungshilfe-Projekt aus. "Freie Hände durch Verzicht", heißt die Aktion. Wer nicht raucht, keinen Alkohol trinkt, kein Fleisch oder keine Schokolade isst, kann das eingesparte Geld spenden. Andere wiederum schränken den Fernsehkonsum ein und widmen die gewonnene Zeit ihren Mitmenschen, so Pastor Martin Jäger. Wie in den vergangenen Jahren will seine Ehefrau Elfriede Ambacher die gesamte Karwoche bis Ostersonntag ohne feste Nahrung durchhalten und ausschließlich von Kräutertees mit Honig, Gemüsebrühe, Fruchtsaft und Mineralwasser leben. "Ich vertrage das Fasten ganz gut, nach zwei Ta-gen ist das Hungergefühl weg", sagt sie. Kopfschmerzen kenne sie nicht, auch kein Schwindelgefühl.

Solches Extrem-Fasten kann gesundheitliche Risiken bergen, weiß die Mössinger Diätassistentin Maria von Wulfen. Heilfasten sollte daher nur nach Rücksprache mit einem Arzt begonnen werden. f)er wochenlange Verzicht auf Fleisch sei dagegen gar kein Problem. Die Ernährung müsse dann auf Obst, Gemüse und Getreide umgestellt werden. Vor allem aber gilt: Kalorienfreie Flüssigkeiten zu sich nehmen.

Dazu haben die rund 3000 Mitglieder der Christlich-Orthodoxen Kirche in Tübingen und Reutlingen noch ein paar Tage mehr Zeit. Ihre Fastenzeit beginnt nach dem julianischen Kalender erst am 6. März mit einer "Einleitungswoche", erklärt Priester Jonnis Vergetis. Danach essen die Gläubigen bis zum 30. April weder Fleisch noch Milchprodukte. Auch hier sind freilich Kinder, alte und kranke Menschen vom Fastengebot ausgenommen.

INFO Einen ökumenischen Stammtisch mit muslimischen Studierenden zum Thema Fasten gibt es am heutigen Mittwoch um 20 Uhr in der Tübinger Lorettogaststätte. Im Internet steht ein "Fasten-Forum" für all jene bereit, die Tipps und Hilfe für die kargen Wochen haben oder benötigen: www.tagblatt.de


Übrigens …

Zum Frühstück dann ein Achtele

Warum manche Leute fasten, ist mir schleierhaft. Denn sie sind schon dünn. Bei mir ist das anders. Da sieht jeder sofort, dass ich nicht nur genügend, sondern sogar ziemlich zu viel Speck auf den Rippen und sonst wo habe. Also ist der heutige Aschermittwoch der gegebene Anlass, in Sachen Kalorien-Aufnahme kürzer zu treten.

Manche Leute kommen während des Fastens mit flüssiger Nahrung aus. Aber bei mir ist gerade diese flüssige Nahrung das Problem. Hier ein schönes Pils, dort eine durststillende Halbe und am Abend nicht nur ein gepflegtes Viertele roten Weines. Dazu muss man natürlich auch etwas essen. Zu meinen Leibspeisen gehören Schweinebraten mit Knödeln, Eisbein mit Sauerkraut und deftiger Gulasch samt Salzkartoffeln.

Meine Ess-Gewohnheiten kann ich allerdings verändern. Auch. Gemüse und Fisch munden mir bestens. Beim Trinken ist es schon schwieriger. Kaffee und Schwarztee sind bekanntlich ungesund, Cola und Limonade schmecken scheußlich süß. Und auch die Aufnahmefähigkeit von Apfelsaftschorle ist begrenzt. Dass Wasser überhaupt keinen Geschmack hat, ist allgemein bekannt. Und alkoholfreies Bier schmeckt mehr nach Wasser und hat außerdem auch noch jede Menge Kalorien.

Legt man irgendwann eine Alkohol-Pause ein, muss man immer neugierige Fragen beantworten. "Musst Du zum Idioten-Test?", will der eine wissen. "Sind Deine Leber-Werte mal wieder zu hoch?", fragt der andere. Dieser Fragerei entgeht man in der Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern. Wird man auf die veränderten Trinkgewohnheiten angesprochen, braucht man nur auf die Fastenzeit zu verweisen. Weil manche nicht mehr wissen, was das ist, kann man auch einfach "Sieben Wochen ohne" oder "Ramadan" sagen.

Wobei das mit dem Ramadan nicht stimmt, denn die Muslime dürfen ja nach Sonnenuntergang nach Belieben essen. Die Katholiken können die harte Zeit bis Ostern sechs Mal unterbrechen, weil sie am Sonntag nicht fasten müssen. Da bin ich als Protestant schlechter dran.

Oder vielleicht besser. Denn die sieben Wochen ohne Bier und Wein fangen zwar hart an, tun mir aber immer sehr gut. Die ersten trockenen Tage hindurch ist man ziemlich grantig. Aber im Laufe der Zeit wird man richtig stolz auf sich. Dass man es schafft. Dass es auch ohne Stoff geht. Dass man eben doch noch kein richtiger Alki ist. Wenn man zum Frühstück am Ostersonntag das erste Achtele trinkt, schmeckt es sehr viel besser als all die vielen Viertele in der feuchten Jahreszeit.

Hagen Kluck

   
   
 

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