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Was ist
Dreieinigkeit?
Predigt am 1. Sonntag nach Trinitatis 29.5.05 in der Eberhardsgemeinde
(Beate
Schröder)
Liebe Gemeinde!
Der erste Sonntag nach dem Dreieinigkeitsfest ist heute. Dreieinigkeit,
Trinität - Vater, Sohn und Heiliger Geist. Wie ist das zu denken?
- Vertreter unserer Schwesterreligionen Judentum und Islam haben in
der Geschichte oft mit Skepsis auf den christlichen Glauben gesehen?
Ist das wirklich der Glaube an den einen Gott? Verbergen sich da nicht
doch drei Götter in dem Dreieinigen? Oder ist der Gott der Christen
ein Gott mit drei Köpfen?
Skepsis und Misstrauen wurde
schon Jesus entgegengebracht, wenn er von sich als Sohn des Vaters im
Himmel sprach. Unser heutiger Predigttext ist einem Gespräch Jesu
mit jüdischen Gesprächspartnern entnommen. Jesus hat am Sabbat
einen Kranken am Teich Bethesda geheilt. Sprecher der jüdischen
Gemeinde kritisieren Jesus, weil er das Sabbat-Gebot gebrochen habe.
Es kommt zu einem Gespräch zwischen ihnen und Jesus. Im Laufe dieses
Gesprächs spricht Jesus von Gott als seinem Vater, der ihn, den
Sohn, in die Welt gesandt hat. Das aber, so die jüdischen Vertreter,
widerspreche dem höchsten Gebot der Tora. "Höre Israel,
der Herr, unser Gott ist einer. Und du sollst den Herrn, deinen Gott,
lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und all deiner Kraft."
(Dtn 6,4)
Gott ist einer und vor ihm
sind alle Menschen gleich. Wenn Jesus sich als Gottes Sohn bezeichne,
so der Vorwurf, mache er sich Gott gleich. Und das sei Gotteslästerung.
Daraufhin hält Jesus eine lange Rede. Das Ende dieser langen Rede
ist unser heutiger Predigttext. Ich lese aus Joh 5, 37 -47:
37 Und der Vater, der
mich gesandt hat, hat von mir Zeugnis gegeben.
Ihr habt niemals seine Stimme gehört noch seine Gestalt gesehen
38 und sein Wort habt ihr nicht in euch wohnen; denn ihr glaubt dem
nicht, den er gesandt hat.
39 Ihr sucht in der Schrift, denn ihr meint, ihr habt das ewige Leben
darin; und sie ist's, die von mir zeugt;
40 aber ihr wollt nicht zu mir kommen, dass ihr das Leben hättet.
41 Ich nehme nicht Ehre von Menschen;
42 aber ich kenne euch, dass ihr nicht Gottes Liebe in euch habt.
43 Ich bin gekommen in meines Vaters Namen und ihr nehmt mich nicht
an. Wenn ein anderer kommen wird in seinem eigenen Namen, den werdet
ihr annehmen.
44 Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre voneinander annehmt, und
die Ehre, die von dem alleinigen Gott ist, sucht ihr nicht?
45 Ihr sollt nicht meinen, dass ich euch vor dem Vater verklagen werde;
es ist einer, der euch verklagt: Mose, auf den ihr hofft.
46 Wenn ihr Mose glaubtet, so glaubtet ihr auch mir; denn er hat von
mir geschrieben.
47 Wenn ihr aber seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr meinen
Worten glauben?
Liebe Gemeinde!
Christen haben die Rede Jesu an die Juden häufig benutzt, um die
Überlegenheit ihres Glaubens gegenüber dem jüdischen
Glauben zu begründen. Mit all den fatalen Folgen, die das in der
deutschen Geschichte gehabt hat.
Sie haben sich mit der Position Jesu identifiziert und die jüdischen
Vertreter als Gegner erlebt. Jesus spricht hier als Jude mit Juden,
die die Heiligen Schriften kannten und mit ihnen lebten. Sie sind die
gemeinsame Grundlage des Glaubens, um den hier gerungen wird.
"Wenn ihr Mose und seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet
ihr mir glauben?" (V. 46-47)
Jesus meint die fünf
Bücher Mose der hebräischen Bibel, die wir heute Altes Testament
nennen.
Heute sprechen die Worte Jesu zu uns. Als Christen, als Nachfolger und
Nachfolgerinnen Jesu müssen wir uns heute fragen lassen:
"Wenn ihr Mose und seinen Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr
mir glauben?"
Was wissen wir von den fünf
Büchern Mose? Wir kennen die Geschichten von Abraham, Isaak und
Jakob und von Josef und dem Auszug aus Ägypten. All diese Erzählungen
sind aber nur der kleinste Teil der Tora
Evangelische Christen glaubten häufig: Den Glauben an den auferstandenen
Christus gäbe es ohne den Glauben an den, der Christus auferweckt
hat, den Sohn ohne den Vater, ohne seine Liebe zu Israel und seine Weisungen
an Mose. Die Älteren unter Ihnen kennen vielleicht noch die kleinen
Bibelausgaben mit dem Neuen Testament und den Psalmen. Das schien genug
für den Gebrauch eines Christenmenschen.
"Wenn ihr Mose und seinen
Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr mir glauben?"
Wie glauben wir, liebe Gemeinde? An den Gott Israels, an den Sohn, an
den heiligen Geist?
Ich unterrichte in der 4. Grundschulklasse der Französischen Schule.
Wenn ich dort biblische Geschichten erzähle, dann wirft ein Schüler
fast stereotyp ein. "Das stimmt doch sowieso nicht." Er meldet
sich nicht. Er fragt nicht und äußert keine Zweifel. Mehr
brummelt er vor sich hin: "Das stimmt doch sowieso nicht. Es gibt
keinen Gott." Jesus kann er sich noch vorstellen, als ein Mensch,
der wirklich gelebt hat. Aber Gott, den niemand gesehen und gehört
hat?
Vielen Kindern in der Französischen
Schule ist die Welt des Glaubens fremd. Die Wirklichkeit des Fernsehens
mit seinen soaps und science fiction ist diesen Kindern wirklicher als
die Geschichten der Bibel.
Wie vermitteln wir diesen Kindern und durch sie ja auch ihren Eltern,
was christlicher Glaube ist? Glaube an Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Auf einem Elternabend sagte
einmal ein Vater zu mir, der Religionsunterricht böte doch die
Chance, ganz auf die Bedürfnisse der Kinder einzugehen, sowohl
im Stoff als auch in der Art und Weise der Vermittlung. So könne
sich der Religionsunterricht vom übrigen Unterricht mit seinem
Leistungsdruck unterscheiden. Religionsunterricht sozusagen als Erholung
vom Schulstress? Als ich ihm erklärte, dass ich den Kindern im
Religionsunterricht durchaus etwas vermitteln möchte, nämlich
Kenntnis über den christlichen Glauben und dazu gehörten für
mich bei Kindern in erster Linie biblische Geschichten, sah er mich
ganz befremdet an. Er hatte mich doch bisher für aufgeschlossen
und fortschrittlich gehalten.
Eine gute Atmosphäre,
Spaß und Spiel, schöne Erlebnisse - das ist sicher wichtig,
wenn man Kindern etwas vom christlichen Glauben vermitteln will. Doch
an den Schriften, an den Geschichten, in denen von Gott und den Menschen
erzählt wird, kommen wir nicht vorbei, wenn wir etwas erfahren
wollen von dem einen Gott, dem Vater Jesu Christi.
Erinnern wir uns an den reichen
Mann, vor dessen Tür der arme Lazarus lag. Wir haben in der Schriftlesung
von ihm gehört. Erst nach seinem Tod hat er verstanden, wer Gott
ist. Nun will er seinen Brüdern davon Nachricht geben.
Aber er meint, sie könne nur etwas überzeugen, was sie noch
nie zuvor erlebt haben. Etwas ganz Besonderes, eine einmalige Erfahrung.
Darum bittet er Abraham, Lazarus zu ihnen zu schicken, um sie zu warnen.
"Wenn einer von den Toten zu ihnen käme, dann würden
sie Buße tun." Die trockene Antwort Abrahams, in dessen Schoß
Lazarus ruht: "Hören sie Mose und die Propheten nicht, so
werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn jemand von den
Toten auferstünde."
"Wenn ihr Mose und seinen
Schriften nicht glaubt, wie werdet ihr mir glauben?"
Was ist es, was Menschen den Zugang zu den Schriften nicht nur des Alten,
sondern auch des Neuen Testamentes manchmal so erschwert? Vielleicht
hat es etwas mit dem anderen zu tun, das Jesus in unserem Evangelium
einklagt, wenn er sagt: "Die Ehre von dem alleinigen Gott sucht
ihr nicht." (V.44)
Die Ehre von dem alleinigen Gott ist auch die Ehre dem Wort Gottes gegenüber.
Dazu noch eine Geschichte aus der Schule: Wenn ich mit den Schülern
im Religionsunterricht über den Islam spreche, bitte ich die muslimischen
Kinder der Klasse dazu, die sonst nicht am Religionsunterricht teilnehmen.
Vor ein paar Wochen bat ich eine Schülerin, einen Koran von zu
Hause mit zubringen. Sie tat es. Das Buch war sorgfältig in eine
Leinentasche eingewickelt. Bevor sie es auswickelte und herum gab, bat
sie ihre Mitschüler und Mitschülerinnen, sich ihre Hände
zu waschen. Denn der Koran dürfe nur mit sauberen Händen angefasst
werden. Die Kinde taten es und betrachteten voll Ehrfurcht das Buch
mit den fremden Schriftzeichen. Mich und ich denke auch die christlichen
Schüler hat der Respekt des muslimischen Mädchens vor dem
Koran beeindruckt.
Respekt vor dem heiligen Schriften kennt auch das Judentum. Nicht mit
dem Finger, nur mit dem silbernen Lesefinger fährt man die Buchstaben
entlang, wenn man in der Synagoge aus der Schriftrolle vorliest. Feierlich
unter Gesang und Gebet werden die geschmückten Torarollen aus dem
Schrein geholt. Und an Simchat Tora, dem Fest der Freude an der Tora,
wird mit den Rollen getanzt...
Selbst unsere katholischen Schwestern und Brüder kennen Zeichen
der Ehrfurcht gegenüber der Schrift. Bei der Lesung des Evangeliums
wird die Schrift hochgehoben und geküsst.
Warum ist gerade uns Evangelischen, deren Zentrum des Glaubens doch
die Schrift ist (sola sciptura), Zeichen solcher Ehrfurcht fremd geworden?
Und doch lassen sich auch evangelische Christen anrühren zu lassen
von der heiligen Schrift und dem christlichen Glauben. 100.000 feiern
zu dieser Stunde den Abschlussgottesdienst auf dem Deutschen Evangelischen
Kirchentag in Hannover. 100.000 Christen, die die letzten vier Tage
über die Bedeutung der Schrift für unserem bundesrepublikanischen
Alltag nachgedacht haben, in den täglichen Bibelarbeiten, in Vorträgen
und in Gottesdiensten. Fast alle Spitzenpolitiker und Politikerinnen,
die so plötzlich in den Wahlkampf geworfen wurden, haben sich dort
blicken und fragen lassen. Egal wie sie selber zum christlichen Glauben
stehen, nehmen sie die Christen und ihre Suche nach einem authentischen
Glauben in unserer Welt ernst. Auch viele Jugendliche fühlen sich
vom Kirchentag angesprochen. Sie genießen, denke ich, vor allem
das Gefühl der Gemeinschaft in den Gottesdiensten, den liturgischen
Nächten und Konzerten. Christlicher Glaube erschöpft sich
nicht im Studium der Schriften. Christlicher Glaube braucht die Gemeinschaft
mit Gleichgesinnten und Gleichgestellten. Eine Gemeinschaft, die nicht
durch die Ehre von Menschen entsteht, sondern durch die Ehre von dem
einen Gott, wie Jesus sagt. (V. 44)
Letzte Woche waren wir im
Urlaub im Burgund. Wir machten einen Ausflug nach Taizé. Taizé
ist ein kleines, wunderschönes burgundisches Dorf, an dessen Rand
Roger Schütz 1945 eine ökumenische Kommunität gründete,
die heute zu einem spirituellen Zentrum für Menschen, vor allem
Jugendliche aus der ganzen Welt geworden ist. Ich war überrascht,
wie klein die Kirche der Kommunität ist angesichts der vielen Menschen,
die dort ein und aus gehen. Sie bildet das unaufdringliche Zentrum der
Anlage, in der Menschen in einfachsten Behausungen untergebracht sind.
Das Leben der Jugendlichen spielt sich vor allem draußen ab. Hier
werden die Mahlzeiten ausgegeben, hier treffen sich Menschen zu workshops,
um über die Bibel nachzudenken.
Unter ganz einfachen äußerlichen Bedingungen können
Jugendliche hier in aller Offenheit und Freiheit und ohne jeden Druck
christlichen Glauben kennen lernen können durch gemeinsames Studium
der Schriften, durch Stille und durch besonders gestaltete Gottesdienste.
Einige Gesänge von Taizé haben wir ja auch in die Gottesdienstordnung
der Eberhardsgemeinde aufgenommen. "Meine Hoffnung und meine Freude"
werden wir nachher beim Abendmahl singen. Und auch das Kyrie, das wir
zwischen den einzelnen Fürbitten singen, stammt aus Taizé.
Hier wird der eine Gott geehrt. Es gibt keinen Guru, keinen Prediger
oder Pfarrer, der sagt, wie die Menschen zu glauben haben. Die große
Gemeinschaft der Gäste hat ihren Kern in der kleinen Gemeinschaft
der Brüder, die immer dort leben. Und hier kommt der dritte Teil
der Trinität ins Spiel: der Heilige Geist.
Vor zwei Wochen war Pfingsten.
Da haben wir gehört, wie der Geist die Gemeinschaft der Jünger
erfasste und sie keine Angst mehr hatten, auf die Straße zu gehen
und von ihren Erlebnissen mit Jesus zu erzählen.
Der Geist der Gemeinschaft wirkt aber nicht nur zu großen Anlässe,
wie Kirchentag oder Pfingsttreffen in Taizé.
Wir können ihn auch im Alltag unserer Gemeinde wahrzunehmen, z.B.
im Sonntagsgottesdienst und in der Feier des Heiligen Abendmahls. "Das
Abendmahl ist ein Sakrament und göttlich Wortzeichen, worin uns
Christus wahrhaftig gegenwärtig ist in Brot und Wein." sagt
Martin Luther im Katechismus.
Es braucht das Wort, es braucht das Zeichen von Brot und Wein und es
braucht die Gemeinschaft der Feiernden.
Wie ist die Dreieinigkeit
des christlichen Gottes zu denken, haben wir am Anfang gefragt. Vielleicht
können wir uns die Dreieinigkeit vorstellen als drei verschiedene
Orte, an denen wir den einen Gott finden:
1. In den Schriften, die Mose am Berg Sinai gegeben wurden, in denen
Gott sein Recht unter den Menschen stiftet,
2. in den Erzählungen über Jesu Leben, Tod und Auferstehung,
durch die Gott zu uns kam, die wir nicht teil des ersten Bundes, des
Volkes Israels sind,
3. und in der Gemeinschaft des heiligen Geistes, in der Menschen zusammen
kommen, um Gott die Ehre zu geben. In der Gemeinschaft, in der wir Brot
und Wein teilen und uns erinnern, wie Jesus das letzte Mal mit seinen
Jüngern das Passahmahl einnahm.
Lassen Sie mich schließen mit einem Gebet:
Werde begreifbar, Gott,
zeige dich in Brot und Wein,
sei mitten unter uns.
Bleibe verletzbar, Gott,
teile mit uns Leben und Tod,
sei mitten unter uns.
Bleibe bewegbar, Gott,
blase uns Mut ein und Zärtlichkeit,
sei mitten unter uns.
Werde begreifbar.
Werde Liebe,
werde Brot und Wein.
Amen
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