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Ostern -
Fest der leisen Töne
Predigt
über Mk 16,1-7
Ostersonntag 16.4.2006 - 6.00 Uhr St. Michael / 10.00 Uhr St. Petrus
(Thomas Steiger)
Ist es nicht eigenartig,
liebe Schwestern und Brüder, daß das, was an Ostern geschieht,
eigentlich ganz im Verborgenen statt findet? Die Evangelien bezeugen
in ihren jeweils ersten Berichten vom Ostermorgen mehrheitlich ein zartes
Geschehen, das ohne spektakuläre Vorfälle auskommt. Bei Markus
ist eigentlich nur von einem leeren Platz in einem Grab die Rede; darauf
weist der junge Mann in Weiß hin: Seht, da ist die Stelle, wo
man ihn hingelegt hatte. Mehr geschieht nicht. Davon, daß die
Frauen zum Glauben kommen, ist keine Rede; das Wort Auferstehung fällt
nicht ein Mal beim ältesten Evangelisten. Ganz offen endet sein
Zeugnis, wenn man vom sekundären Schluß absieht, den letzten
Versen des 16. Kapitels, die später hinzugefügt wurden, wohl
weil manche diesem Leisen, so ganz und gar nicht Greifbaren nicht so
recht trauen wollten. Ursprünglich jedoch bleiben die Wirklichkeit
der Auferstehung und ihre Wirkkraft ausschließlich in den drei
Frauen verborgen. Es gibt nichts zu berichten davon; die Frauen sagen
kein Wort. Aber was in ihnen geschah, hat eine enorme Wirkung entfaltet,
auch eine Wirkungsgeschichte, ohne die wir heute nicht Ostern als Christen
feiern würden. So still kann etwas so Bedeutsames von sich gehen!
Und auch Lukas und Johannes bewahren diesen Charakter in ihrem Bemühen
auf erzählende Art und Weise das Geheimnis der Auferstehung einzufangen:
in der ganz vorsichtigen Emmaus-Episode, wo Jesus mehr fragt als Antworten
gibt, und sich dem Zugriff der beiden Jünger sofort wieder entzieht,
als ihnen die Augen aufgehen und sie zu begreifen beginnen; ebenso wie
in der nachgerade zärtlichen Begegnung, die Maria von Magdala am
Morgen von Ostern mit Jesus erlebt - mehr Fragen als Antworten, keine
Erklärungen, eine schüchterne Anrede Rabbuni! Maria! - nur
inniges Erleben.
Ganz anders in der Passion,
liebe Schwestern und Brüder. Als Jesus stirbt, - und diesen Zusammenhang
zwischen Auferstehung und Tod müssen wir an Ostern zwingend herstellen
- bemühen die biblischen Zeugen äußere Zeichen, Sichtbares,
Hörbares, Gewaltiges: eine Finsternis, die über das ganze
Land kommt; den zerrissenen Tempelvorhang, Erdbeben und Gräber,
die sich auftun. Das Sterben ist sichtbar, der Tod eine brachiale Gewalt,
die in unsere Normalität einbricht, die Fundamente unserer Existenz
auf die Probe stellt (so wie bei Abraham in der Lesung!!):Der Tod ist
immer groß. Er läßt uns dem Atem anhalten. Er bevölkert
jeden Tag unsere Nachrichten, verbunden mit den Ursachen, die ihn bewirken:
Terroranschläge gegen Andersglaubende - die Hilflosigkeit der Ärzte
gegen den Krebs (eine ganze Themenwoche hat das Fernsehen dem unlängst
gewidmet) - die Toten des Tages auf der vorletzten Seite der Zeitung
- die Erinnerung an den vor einem Jahr verstorbenen Papst Johannes Paul
- ... Und es sind ja nicht nur die Fälle, wo ein Mensch leibhaftig
stirbt. Hinzu kommen die vielen (kleinen) Tode, die Mechanismen des
Todes, die wirken: Gewalt an unseren Schule und die damit verbundenen
Versäumnisse der Integration; die Härte des Arbeitsmarktes,
der nur die Leistungsfähigsten und Jungen haben will; der Egoismus,
mit dem wir Reichen die Schätze unseres Planeten und die Armen
auf ihm ausbeuten; die Härte, mit der unsere Katholische Kirche
mit denen umgeht, die nicht ihren Moralvorstellungen entspricht. Auch
das sind Facetten des Todes. Und die dazu gehörenden Bilder prägen
sich stark in uns ein. Wir würden sie lieber verdrängen, ihnen
ausweichen, so tun, als gäbe es das Gesehene und die dazu gehörige
Realität nicht. Wir lassen uns die Mär von der ewigen Jugend
einreden. Aber das Unausweichliche nimmt sich mit Macht den Raum, dem
diese Welt sich nicht entziehen kann: Wir alle gehen auf den Tod zu.
Er ist von Anfang an in uns eingepflanzt, Teil unseres Wesens, innerstes
Merkmal der Schöpfungsordnung. Und so gehört er auch in die
religiöse Betrachtung von allem Irdischen hinein. Ja, er muß
auch Teil Gottes sein, seines Willens, seines Vollbringens, wenn Gott
Gott ist, alles in allem!
Ist es also eine schiere
Unmöglichkeit, dem entgegen auf die Macht der Auferstehung zu setzen?
Wie könnte sie sich behaupten, gewinnen gar? Liebe Schwestern und
Brüder, an diesem Osterfest werden/wurden in unserer Gemeinde 4/2
Frau(en) getauft bzw. gefirmt. Sie haben sich diesen Schritt gut überlegt
und lange darauf vorbereitet. Was ist es, das sie dazu bringt, dies
zu wollen, es zu tun? Sichtbar geschieht dabei nichts Besonderes: Etwas
Wasser wird über sie gegossen; ihre Stirn wird mit Chrisam gesalbt;
sie entzünden ein Kerze, die sie durchs Leben begleiten soll. Tief
in ihnen drin jedoch, in der Intimität, die für das eigene
Wesen reserviert bleibt, woran kein anderer Mensch rühren darf,
dort muß sich etwas Großes ereignet haben: eine Ahnung von
dem, was wir Auferstehung nennen. Der entscheidende Antrieb dazu muß
etwas mit dieser grundstürzenden Wirklichkeit zu tun haben, daß
wir Menschen dem Tod etwas entgegen zu setzen haben; daß wir eben
nicht ihm rettungslos ausgeliefert sind, sondern daß in dieser
Welt eine Kraft am Werk war und ist und sein wird, die dem Lebendigen
in uns mehr zutraut als dem Zerstörerischen, die so den Tod besiegen
kann. Gott nennen die Religionen auf der ganzen Welt diese Kraft. Wie
die Frauen am Grab müssen unsere Frauen irgendwann in ihrem Leben
eine österliche Erfahrung, oder etliche, gemacht haben, wahrscheinlich
auch solche, über die sich nicht so leicht reden läßt,
die leise vonstatten gingen, leise Reaktionen nach sich zogen und doch
zum Wesentlichsten gehören, was einem Menschen widerfahren kann:
Sich getragen, gehalten zu wissen; eine tiefe Hoffnung auf Ewigkeit
in mir zu spüren; einen tragfähigen Horizont für meine
großen Fragen; das Wissen, angenommen zu sein, geliebt. Alle,
die als Erwachsene bewußte Schritte des Glaubens getan haben,
müßten dies bestätigen können. Von solchen Ostererfahrungen
lebt das Wunder der Auferstehung. Und davon lebt auch der Fortbestand
dieses Wunders in unserer Kirche.
Ob es uns gelingt, liebe
Schwestern und Brüder, dazu unseren Beitrag zu leisten? Auch wenn
die jüngste Sinus-Studie (sie wäre einmal eigens eine Predigt
wert), von der DBK in Auftrag gegeben, der Katholischen Kirche in Deutschland
attestiert, daß sie jenseits der loyalen Kirchgänger überhaupt
nicht mehr wahr genommen wird, daß Kirche schlicht nicht mehr
statt findet, so lebt christliche Gemeinde trotzdem nicht von Public-Relations-Arbeit
und groß angelegten Aktionen. Wozu sie gesandt ist und jeder in
ihr, wird sich vielmehr daran zeigen, wie und wo und wann die Auferstehung
sich realisiert. Und es wird keinen Tag geben, wo auch nur einem von
uns dazu eine Möglichkeit fehlte. Amen.
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