Predigt
zu Gründonnerstag in St. Michael 13.4.2006 (Martin
Günter)
Liebe Kinder, liebe Gemeinde,
manche Dinge bekommen
für uns in unserem Leben einen ganz besonderen Wert - Dinge,
die wir mit bestimmten Erlebnissen verbinden, die für uns mit
lieben Personen verbunden sind, die wir mit besonderen Erinnerungen
verknüpfen. Ich habe heute einen solchen Gegenstand mitgebracht,
der für mich eine besondere Bedeutung hat - eine Kerze. Für
jemand Außenstehendes, der die Geschichte dieser Kerze nicht
kennt, ist das eine ganz gewöhnliche Kerze, zwar schön
verziert, aber ansonsten nichts Besonderes, nichts Wertvolles. Für
mich und meine Frau aber ist sie etwas ganz Besonderes, etwas Wertvolles
- denn es ist unsere Hochzeitskerze, die uns eine liebe Freundin
vor nun schon 17 Jahren gemacht hat. Immer an unserem Hochzeitstag
zünden wir diese Kerze an und stellen sie auf den Esstisch;
sie begleitet uns dann durch den Tag - so, wie sie uns auch damals
an unserer Hochzeit durch den Tag begleitet hat.
Wenn meine Frau und ich
sie jetzt anzünden und anschauen, werden viele Erinnerungen
wach: An den feierlichen Gottesdienst in der Kirche, in dem sie
auf dem Altar stand; an das schöne Fest, das wir gefeiert haben;
an die Freundin, die sie uns geschenkt hat und an die vielen lieben
Menschen, die mit dabei waren... Und Manches von dem, was wir damals
erlebt haben, wird dann wieder in uns lebendig: "Weißt
Du noch, als...", beginnen wir dann einander und unseren Kindern
zu erzählen; und Vieles von dem Erlebten ist plötzlich
wieder in uns da - fast so, als ob es erst gestern geschehen wäre...
So hält diese Hochzeitskerze in uns etwas von damals lebendig
- etwas, das uns wichtig ist, etwas, das unser Miteinander bis heute
trägt und hält...
Liebe Kinder, liebe Gemeinde,
ich denke, dass Jede und Jeder von uns einen oder vielleicht mehrere
solcher Gegenstände hat, die für uns besonders bedeutsam
sind - Gegenstände, die uns an etwas oder an jemanden erinnern
und die uns deshalb ans Herz gewachsen sind: Das Freundschaftsbändchen,
das mir jemand Liebes geschenkt hat; die Münze, die ich vom
schon längst verstorbenen Großvater bekommen habe; das
Urlaubsfoto, das mich an eine schöne Zeit erinnert... Sie alle
sind für uns zu Zeichen geworden, die über sich hinaus
weisen - zu Symbolen, die etwas spürbar werden lassen von dem,
was uns wichtig ist.
Auch Jesus hat seinen
Jüngern solche Zeichen hinterlassen - von zweien haben wir
in den Bibeltexten des heutigen Tages gehört: Von Brot und
Wein, die er bei seinem letzten Mahl als seinen Leib und sein Blut
deutet, und von der Fußwaschung, mit der er zeigen will, worauf
es in seiner Nachfolge ankommt. Zwei Zeichen für seine Hingabe,
für seinen Dienst an Mensch und Welt; zwei Zeichen, deren tiefen
Sinn die Jünger sicher nicht sofort verstanden haben, dem sie
aber im Tun nach Jesu Tod und Auferstehung allmählich näher
kamen. Nicht umsonst hat Jesus ihnen aufgetragen: "Tut dies
zu meinem Gedächtnis!" und "Ich habe Euch ein Beispiel
gegeben, damit auch Ihr so handelt, wie ich an Euch gehandelt habe."
Wie wir Menschen in unseren alltäglichen Bereichen Zeichen
und Symbole für das brauchen, was uns wichtig ist, so brauchen
wir auch in unserem Glauben Zeichen und Symbole für das, was
unser Leben trägt und hält - für das, was wir als
Christen miteinander hoffen, für das, worauf hin wir gemeinsam
unterwegs sind. Im Feiern dieser Zeichen und Symbole, im Vollziehen
dessen, was er getan und uns aufgetragen hat, können wir uns
- wie die ersten Jünger - dem Geheimnis unseres Glaubens annähern...
Was das nun für
Jede und Jeden ganz persönlich heißt, kann ich nicht
abstrakt benennen; aber ich kann Euch und Ihnen ein wenig davon
erzählen, was das für mich bedeutet, warum ich die Feier
dieser Zeichen brauche:
Zunächst ist mir bewusst geworden, dass es mir gut tut, in
jeder Eucharistiefeier durch Brot und Wein erinnert zu werden: Jesus
hält dich für so wertvoll, dass er dir Anteil an sich
gibt! Es tut mir gut, daran zu denken, dass er auch mir die Füße
wäscht - so, wie ich bin: mit meinen Licht- und Schattenseiten,
mit meinen Stärken und Schwächen. Wir alle sind ihm so
wichtig, dass es uns nicht peinlich sein muss - wie zunächst
Petrus - wenn Jesus uns niedere Dienste erweist; wir sind für
ihn so wertvoll, dass er für uns bis zum Äußersten
geht, dass er sich selbst uns schenkt.
D.h. für mich: Ich darf mich annehmen, weil er mich annimmt,
so wie ich bin; Ihr Kinder dürft groß von Euch denken,
weil er groß von Euch denkt; und wir Erwachsenen dürfen
uns mit unseren Fehlern und Schwächen akzeptieren, weil er
uns akzeptiert und Anteil an sich gibt.
Für mich wird das gerade in schweren Stunden wichtig, wenn
ich viel Kraft brauche, wenn Manches mühsam ist und ich eher
gebückt als aufrecht gehe - denn auch im Dunkel, im Leid ist
er da; gerade hier, auf dem Kreuzweg kommt er mir entgegen.
Ja, ich brauche die lebendige Erinnerung an diesen Jesus für
den Blick auf mich selbst; aber auch, weil er gleichzeitig meinen
Blick auf Andere hin weitet - indem ich durch ihn in eine Gemeinschaft
von Menschen hineingestellt bin, die ebenso Anteil an ihm haben;
durch Jesus gehöre ich zu einer Gemeinschaft von Menschen,
die von ihm mit ihren Licht- und Schattenseiten ebenso angenommen
sind, denen er denselben Dienst erweist.
Ich denke, Ihr Erstkommunionkinder habt in Eurer Vorbereitungszeit
etwas von dieser Gemeinschaft untereinander erfahren und vielleicht
auch schätzen gelernt; es tut ja einfach gut zu wissen und
zu spüren, dass niemand von Euch allein unterwegs ist, sondern
dass es da in der Gruppe auch andere gibt, mit denen man reden und
lachen, lernen und spielen, sich freuen und manchmal auch streiten
kann! Bei allem, was Euch aneinander freut, aber auch bei allem,
was Euch vielleicht aneinander stört, verbindet Euch als Erstkommunionkinder
etwas, das weit über all das hinausgeht: Jesus selbst, der
Euch Anteil an sich gibt!
Das Besondere an Eurem Miteinander, aber auch noch weiter gedacht
an unserer Gemeinschaft als Gemeinde, als Kirche ist für mich,
dass ich sie mir eben nicht nach Sympathie und gegenseitiger Zuneigung
ausgesucht habe; Gemeinde und Kirche sind eine Gemeinschaft, in
der wir ganz verschiedenen Menschen begegnen, in der wir uns gegenseitig
in unserem Leben und Glauben immer wieder bereichern, anfragen und
manchmal auch korrigieren lassen müssen; und genau dieses,
manchmal harmonische, manchmal spannungsvolle Miteinander ist der
Ort, an dem der eigene Glaube lebendig bleiben kann.
Im Blick auf uns selbst
wie im Blick auf die Gemeinschaft untereinander ist es notwendig,
dass wir das, was für unser Glauben und Leben wichtig ist,
immer wieder miteinander feiern - in Zeichen und Riten. Hoffnungen
und Überzeugungen ohne bestimmte Ausdrucksformen - ohne Zeichen,
in denen sie konkret werden - verblassen schnell. Liebe und Freundschaft,
die keine Sprache findet, vergeht; ein Glaube, der nicht gefeiert
wird, der nicht zum Ausdruck kommen kann, verkümmert...
Ich wünsche Euch
Kindern, wenn Ihr jetzt zum ersten Mal zur Kommunion geht, und uns
allen, wenn wir das wieder und wieder miteinander tun, dass wir
immer mehr dem Geheimnis unseres Glaubens näherkommen, dass
Jesus durch Brot und Wein in uns lebendig bleibt. Amen.
Fürbitten zum
Gründonnerstag 2006
Herr Jesus Christus,
am Abend vor Deinem Leiden hast Du mit Deinen Jüngern Mahl
gehalten und das Gedächtnis Deiner Liebe gestiftet, das wir
auch heute wieder begehen. Wir bitten Dich:
Hilf der gespaltenen Christenheit, Wege zur Einheit in Glaube, Hoffnung
und Liebe zu finden.
Lass unsere Gemeinde als eine Gemeinschaft leben, in der wir in
Deinem Geist miteinander feiern, einander begegnen und für
unsere Mitmenschen offen bleiben.
Lass unsere Erstkommunionkinder Deine Gegenwart in den Zeichen von
Brot und Wein erfahren.
Stärke uns alle auf unseren Wegen und lass uns nie vergessen,
dass wir für Dich unendlich wertvoll sind.
Herr Jesus Christus,
in den Zeichen von Brot und Wein bist Du da.
Dafür danken wir Dir, heute und alle Tage. Amen.
Einführung
Mit dem heutigen Abend beginnen die drei Österlichen Tage,
in denen wir in besonderer Weise den Ursprung unseres Glaubens feiern.
Heute, am Gründonnerstag, erinnern wir uns an den letzten Abend
vor Jesu Leiden und Sterben. Der jüdischen Tradition gemäß,
hält Jesus mit seinen Jüngern das Paschamahl; aber es
wird ein besonderes Mahl: ein Mahl, in dem Jesus sich selbst seinen
Jüngern schenkt; ein Mahl, durch das er sie und uns alle zu
einer Gemeinschaft zusammenführt; ein Mahl, das wir in jeder
Eucharistie neu miteinander feiern.
Und so begrüßen
wir heute alle ganz herzlich, die gekommen sind, um dieses Gedächtnis
mitzufeiern; besonders freuen wir uns, dass Ihr Kommunionkinder
mit Euren Familien da seid, dass Ihr heute zum ersten Mal mit uns
zusammen die Hl. Kommunion empfangen werdet!
Beginnen wir unsere Feier
mit dem Entzünden der Kerzen - so, wie es auch Jesus beim Letzten
Mahl mit seinen Jüngern getan hat.