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"Einen
neuen Bund will ich mit euch schließen!"
Predigt
am Sonntag Exaudi 28.5.06 in der Eberhardskirche zu Jer 31, 31 - 35
(Beate Schröder):
31 Siehe, es kommt die
Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem
Hause Juda einen neuen Bund schließen,
32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss,
als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen,
ein Bund, den sie nicht gehalten haben, ob ich gleich ihr Herr war,
spricht der HERR;
33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen
will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr
Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein
und ich will ihr Gott sein.
34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und
sagen: "Erkenne den HERRN", sondern sie sollen mich alle erkennen,
beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre
Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
35 So spricht der HERR, der die Sonne dem Tage zum Licht gibt und den
Mond und die Sterne der Nacht zum Licht bestellt; der das Meer bewegt,
dass seine Wellen brausen - HERR Zebaoth ist sein Name.
Liebe Gemeinde!
Zwischen Bangen und Hoffen lebte das Volk Israel, als ihm dieses Wort
zugesprochen wurde. Die Stadt Jerusalem und der Tempel waren zerstört.
Umsonst hatte der Prophet Jeremia zur Umkehr gemahnt und vor der Zerstörung
Jerusalems gewarnt. Die Menschen hatten nicht auf ihn gehört. Jetzt
lag Jerusalem in Schutt und Asche. Die Bevölkerung war deportiert
und lebte im babylonischen Exil. Die Hoffnung, dass sie eines Tages
in ihr Land zurückkehren und den Tempel, das Haus Gottes wieder
aufbauen würden, wurde immer geringer.
Da wird ihnen dieses Wort Gottes durch den Propheten Jeremia zugesprochen:
Gott streckt ihnen seine Hand entgegen. Er will es noch einmal mit ihnen
versuchen. Was gewesen ist, soll nicht mehr zwischen ihnen stehen: Die
Missetaten sind vergeben und an die Sünden wird nicht mehr gedacht.
Einen neuen Bund will Gott mit seinem Volk schließen, einen Bund,
der sich unterscheidet von dem, den er mit ihren Vätern geschlossen
hatte, damals als er sie aus Ägyptenland, aus der Sklaverei führte.
Am Berg Sinai hatte er ihnen die 10 Gebote gegeben, gehauen auf zwei
Tafeln aus Stein.
Liebe Gemeinde!
Was bedeutet das? Ist der Bund vom Sinai plötzlich nicht mehr gültig?
Sollen die 10 Gebote nicht mehr Maßstab des Handelns sein? Sie
waren Wegweisung gewesen, auf der Wanderschaft durch die Wüste
und in das verheißene Land, damit sie in Frieden beieinander leben
konnten. Über Jahrhunderte hatten die Gebote, die Tora, das Verhältnis
zwischen Gott und seinem Volk bestimmt. Und das soll jetzt alles nicht
mehr gelten?
Liebe Gemeinde!
Ein Bund ist in der Bibel eine Art Vertrag, der von beiden Seiten gehalten
werden muss. Nicht Gott hat den Bund mit den Menschen gebrochen. Die
Menschen sind es, die nicht auf Gottes Weisungen hören, obwohl
sie es damals zugesagt haben. Bis heute bauen sie sich goldene Kälber,
beten ihren Reichtum und andere Götter an anstatt auf Gott zu hören.
Sie begehren auf gegen Mose und gegen Propheten wie Jeremia, die sie
zur Umkehr mahnen.
Damals führte dieses Verhalten zur Zerstörung der Stadt Jerusalem
und des Tempels.
Heute liegen nicht Städte und Tempel in Schutt und Asche, zumindest
nicht in Europa. Heute ist es die Schöpfung Gottes selbst, die
allmählich den Bach herunter geht. Wir werden es noch nicht so
arg spüren, aber unsere Kinder? Bis zum Ende dieses Jahrhunderts
wird sich die Erdatmosphäre um 7° erwärmt haben. So war
es vor ein paar Tagen in der Zeitung zu lesen. Länder wie Holland
oder Irland werden überflutet sein. Wird dann noch Leben, wie es
uns hier in Europa vertraut ist, möglich sein?
Propheten, die vor den Folgen unseres Tuns warnen, gibt es auch heute.
Mich hat es gefreut, dass jetzt auch Kirchen in den Vereinigten Staaten,
ihre Regierung auffordern, endlich das Kyoto-Protokoll zur Verminderung
der CO2 - Abgabe zu unterschreiben. Es liegt an unserer Generation,
ob wir auf diese Propheten hören oder weiterhin so verschwenderisch
mit den Ressourcen der Erde umgehen.
Gott will den Bund erneuern, der von den Menschen gebrochen wurde. Noch
einmal will er ihnen seine Weisung, seine Gebote geben. Keine neuen
Gebote, die alten bleiben gültig. Doch diesmal will er sie nicht
auf steinerne Tafeln schreiben, wie damals am Berg Sinai. Die kann man
in die Ecke stellen und vergessen. Jetzt will Gott sie direkt in die
Herzen der Menschen schreiben. In das Herz jedes und jeder einzelnen.
Männer und Frauen, kleine und große, sollen die Gebote Gottes
verstehen, ohne dass jemand sie groß erklären muss. "Ich
will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben",
spricht Gott, der Herr, damit sie diese Weisung nie mehr vergessen werden.
Der alte Bund soll nicht aufgelöst, er soll vielmehr erneuert werden,
neu aufgelegt sozusagen. Gott will die Herzen der Menschen für
seine Weisung weit öffnen.
Liebe Gemeinde!
Sind wir bereit dazu? Sind wir bereit, unsere Herzen zu öffnen?
Oder geht es uns heute am Sonntag Exaudi wie den Jüngern zwischen
Himmelfahrt und Pfingsten?
Ein zweites Mal hatte Jesus
sie verlassen, als er von einer Wolke in den Himmel gehoben wurde. Sie
hatten dagestanden und gen Himmel gestarrt, hatten nicht fassen können,
was Jesus ihnen zum Abschied gesagt hatte: "Ihr werdet die Kraft
des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet
meine Zeugen sein." (Apg 1, 8). Traurig hatten sie sich in das
Obergemach eines Hauses in Jerusalem zurückgezogen, Fenster und
Türen verrammelt, um ja nichts mitzubekommen von dem Festgetümmel,
das sich auf den Straßen abspielte. Zum jüdischen Pfingstfest
waren die Menschen in Jerusalem zusammengekommen, um Gott dafür
zu danken und zu loben, dass er ihnen die Gebote am Berg Sinai gegeben
hatte, die Weisung für ihr Leben. Die Jünger verschlossen
Fenster und Türen und ihre Herzen. Sie wollten nichts sehen und
nicht hören. Doch der Geist Gottes war stärker. Er durchbrach
die Hindernisse und erfasste die Herzen der Jünger, so dass sie
auf die Straße liefen und den Menschen erzählten, von dem,
was sie erlebt hatten: Plötzlich wussten sie: Sie sind nicht verlassen.
Der Geist Gottes und der Geist Jesu ist bei ihnen. Er hat ihnen die
Weisung der Tora in ihr Herz geschrieben.
Liebe Gemeinde!
Noch nie habe ich diesen Sonntag Exaudi zwischen Himmelfahrt und Pfingsten
so spannungsreich erlebt wie in diesem Jahr. Wie das Volk Israel im
babylonischen Exil und wie Jünger im Obergemach ihres hauses in
Jerusalem leben wir in de Spannung zwischen Hoffen und Bangen. Im Bangen
um unsere Zukunft und in der Hoffnung auf den heiligen Geist, der uns
sein Gesetz in unser Herz geben und in unseren Sinn schreib will, dass
wir ihn erkennen, beide klein und groß...
Ich habe das Gefühl, die Kleinen begreifen schneller als wir Großen.
Vor wenigen Wochen haben wir bei den Konfirmationen erlebt, wie die
Konfirmanden die Gebote wiedergegeben und kommentiert haben. Auswendiglernen
heißt im Englischen "Learning by heart". Ich hatte das
Gefühl, die Konfirmanden haben mit ihrem Herzen gelernt, dass wir
die Gebote als Weisung brauchen, als Geländer, an dem wir uns entlang
hangeln können, um ein Leben in Frieden und Gerechtigkeit mit unseren
Mitmenschen und mit der Schöpfung führen zu können.
Vielleicht sollten auch wir Großen noch mal in den Konfirmandenunterricht
gehen und mit offenem Herzen hören, was Gott uns zu sagen hat.
Liebe Gemeinde!
Durch Jesus Christus sind auch wir, die wir nicht zum Volk Israel gehören,
eingeladen, mit der Tora, dem Gesetz und den Geboten zu leben. Die Verheißung
des neuen Bundes, den Gott mit den Menschen schließen will, gilt
auch uns. Lassen wir uns ermutigen von dem verstorbenen Berliner Theologen
Friedrich-Wilhelm Marquardt, der in der Aussprache zu einem Kirchentagsvortrag
sagte: "Versuch es erstmal mit einem Gebot. Wenn du scheiterst,
versuch es mit einem anderen. Und mache keine Theorie des Scheiterns
daraus! Erspüre die Freiheit des Gesetzes. Es gibt nichts pluraleres
als 613 Gebote Gottes und 613 Orte einer möglichen Erfahrung!"
(Evgl Freude an der Tora, S. 7)
613 Gebote hat die hebräische Bibel.
Liebe Gemeinde!
Lassen wir uns von dieser Zahl nicht schrecken. Sehen wir sie als Orte
der Erfahrung mit Gott und unsern Mitmenschen. Ihnen dürfen wir
unsere Herzen öffnen, dass der Geist Gottes wirken und sein Gesetz
in unseren Sinn schreiben kann.
Amen
Pfarrerin Beate Schröder
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