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Die Dreieinigkeit
Gottes - mehr als ein geistreiches Gedankenspiel?
Predigt
zum Trinitatisfest am 11.6.06 in der Eberhardskirche (Beate Schröder)
Liebe Gemeinde!
Trinitatis - Dreieinigkeit. Drei und doch eins. Drei Personen, Vater,
Sohn und Heiliger Geist - und doch ein Gott... Ist das nur ein geistreiches
Gedankenspiel?
Was feiern wir an Trinitatis? Das Trinitatisfest bekam nie den volkstümlichen
Charakter, den Weihnachten oder Ostern haben. Es steckt keine Geschichte
dahinter . Nicht die Geburt eines kleinen Kindes in einem Stall, keine
Hirten auf dem Felde und kein leeres Grab, das Frauen in Schrecken versetzt.
Das Trinitatisfest ist die Feier eines Dogmas. Ein Dogma, das wie kein
anderes jüdischer und auch islamischer Kritik ausgesetzt ist. Glauben
Christen überhaupt an den einen Gott? Oder verehren sie insgeheim
nicht doch drei Götter: Vater, Sohn und Heiliger Geist?
Warum feiern wir das Trinitatisfest? Steckt doch mehr als ein Gedankenspiel
dahinter?
Liebe Gemeinde!
Für mich ist die Vorstellung von der Dreifaltigkeit Gottes eine
Einladung, Gott auf unterschiedliche Weisen zu erfahren. Auf drei verschiedenen
Wegen erreicht mich seine Zuwendung und sein Segen - und auf keinen
dieser Wege kann und möchte ich verzichten.
Der Predigttext der uns für den heutigen Sonntag Trinitatis vorgegeben
ist, ist ein Loblied auf den dreieinigen Gott. Mit ihm wird der Epheserbriefes
eingeleitet und es ist, als wolle dieser Brief zu Beginn die ganze Heilsgeschichte
Gottes mit den Menschen in einem Lobgesang zusammenfassen.
Eph 1, 3-14
3 Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns
gesegnet hat mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus.
4 Denn in ihm hat er uns erwählt, ehe der Welt Grund gelegt war,
dass wir heilig und untadelig vor ihm sein sollten;
in seiner Liebe 5 hat er uns dazu vorherbestimmt, seine Kinder zu sein
durch Jesus Christus nach dem Wohlgefallen seines Willens, 6 zum Lob
seiner herrlichen Gnade....
7 In ihm haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung
der Sünden, nach dem Reichtum seiner Gnade,
8 die er uns reichlich hat widerfahren lassen in aller Weisheit und
Klugheit.
9 Denn Gott hat uns wissen lassen das Geheimnis seines Willens nach
seinem Ratschluss, den er zuvor in Christus gefasst hatte,
10 um ihn auszuführen, wenn die Zeit erfüllt wäre, dass
alles zusammengefasst würde in Christus, was im Himmel und auf
Erden ist.
11 In ihm sind wir auch zu Erben eingesetzt worden.... 12 damit wir
etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit, die wir zuvor auf Christus
gehofft haben.
13 In ihm seid auch ihr...., als ihr gläubig wurdet, versiegelt
worden mit dem Heiligen Geist, der verheißen ist,
14 welcher ist das Unterpfand unsres Erbes, zu unsrer Erlösung,
dass wir sein Eigentum würden zum Lob seiner Herrlichkeit. Amen
Aus vier langen Sätzen
besteht dieses Loblied. Jeder dieser Sätze beginnt mit den Worten
"In ihm", in Jesus Christus. Denn in Jesus Christus ist Gott
uns Menschen, die wir nicht zum Volk Israel gehören, nahe gekommen.
Wie in unserem Glaubensbekenntnis, das wir jeden Sonntag beten, steht
in jedem dieser Sätze eine drei Personen Gottes im Mittelpunkt:
Erst Gott, der Schöpfer, dann Jesus, der Christus - ihm sind zwei
Sätze gewidmet, und zum Schluss der Heilige Geist.
1. In ihm, in Jesus Christus
hat Gott, der Schöpfer, uns vor der Erschaffung der Welt erwählt,
seine Kinder zu sein. Durch unseren Bruder Jesus Christus gilt auch
uns der Segen, mit dem Gott die ersten Menschen segnete, nachdem er
sie erschaffen hatte.
Der Gott, der Himmel und Erde und das ganze All im Blick hat, der verliert
auch den einzelnen Menschen nicht aus dem Auge.
2. In ihm, in Jesus Christus kommt dieser Gott uns ganz nahe.
Er ist nicht nur der Schöpfer Himmels und der Erden. Durch die
Geburt Jesu von Nazareth bekommt ein menschliches Gesicht. Er wird Teil
unserer Geschichte hier auf Erden. Er lässt sich ein auf die Abgründe
unseres Lebens, auf Schuld und Verbrechen und gibt denen eine neue Chance,
die umkehren wollen.
ER heilt Kranke, tröstet Traurige, und verkündet den Armen
das Evangelium
In Jesu Leiden und Sterben, in seiner Trauer und Verzweiflung ist Gott
all denen nahe, die heute hier auf Erden leiden und verzweifeln, auch
denen, die in ihrem Leiden keinen Gott mehr erkennen können.
3. Ihn, Jesus Christus hat Gott auferweckt von den Toten. Der Tod ist
überwunden. Es gibt einen neuen Himmel und eine neue Erde, auf
die wir hoffen dürfen.
4. In ihm, in Jesus Christus sind wir versiegelt worden mit dem heiligen
Geist. So sagt es unser Evangelium. Damit ist die Taufe gemeint. In
der Taufe empfangen wir die Kraft des heiligen Geistes. Sie läßt
uns spüren: Die Geschichte des Jesus von Nazareth ist kein Märchen
aus uralten Zeiten, keine Geschichte, die vor 2000 Jahren ihren Anfang
und ihr Ende fand. Nein, sie hat etwas zu tun hat mit unserem gegenwärtigen
Leben auf dieser zerrissenen Erde im Jahre 2006. Schon hier Welt beginnt
der neue Himmel und die neue Erde, wenn wir uns zusammenfinden in der
Gemeinschaft der Gläubigen und Gott loben in seiner Herrlichkeit.
Liebe Gemeinde!
Vater, Sohn und Heiliger Geist - drei Wege, die Größe und
zugleich die Nähe Gottes zu erfahren. Wie gesagt: Auf keinen dieser
Wege möchte ich verzichten.
In der Geschichte der Kirche gab und gibt es immer wieder Gruppen und
Strömungen, die einen der drei Erscheinungsweisen Gottes ins Zentrum
ihrer Frömmigkeit rücken.
In einigen Gemeinden gerade hier in Württemberg gibt es eine starke
Jesus-Frömmigkeit. Lieder und Gebete richten sich fast ausschließlich
an Jesus. Er wird zu einem persönlichen Freund, der direkt in das
private Leben des Gläubigen eingreift. Der Schöpfergott, der
die ganze Welt im Blick hat, tritt hier eher zurück.
In neueren charismatischen Gruppen ist die Frömmigkeit ganz auf
den Heiligen Geist ausgerichtet. Vielleicht haben Sie es letzte Woche
in der Zeitung gelesen: Auf einer Veranstaltung der Tübinger Offensiven
Stadtmission erzählte der dreifache Olympiasieger an der Schnellfeuerpistole
Ralf Schumann, wie sich sein Leben durch ein Erweckungserlebnis verändert
habe. Nicht mehr er selber bestimme sein Handeln, sondern - so sagte
er: "Der Heilige Geist erledigt meine Training, der Heilige Geist
führt meine Schusshand." Seinen Olympiasieg habe er in einer
Vision vorausgesehen, "und zwar genau in der Kameraperspektive,
die auch später im Fernsehen zu sehen war."
Liebe Gemeinde!
Ich glaube, dass der Gott der Bibel größer ist, als es dieser
Mann erfahren hat. Ich glaube, Gott hat mehr vor mit der Welt als einem
Olympiaschützen die Hand zu führen, damit er eine Medaille
gewinnt. Wenn in unserem Evangelium von Erlösung die Rede ist,
dann ist das kein nur innerliches Geschehen, das sich in der Seele des
Einzelnen abspielt, sondern öffentliche und sichtbare Veränderung
und Verwandlung der ganzen Welt auf dem Schauplatz der Geschichte.
Und wir Menschen sind nicht nur Zuschauer dieser Veränderung, nicht
nur Empfänger von Gottes Segenstaten. Wir müssen ihm nicht
nur unsere Hände zur Verfügung stellen, damit er sie führt,
schon gar nicht zum Schießen . Gott braucht uns ganz, mit Körper,
Seele und Verstand. Gott will uns nicht als Marionetten eines himmlischen
Schauspiels. ER braucht uns als Akteure der Geschichte, ohne die er
nichts verwandeln will und kann.
Das Loblied aus dem Epheserbrief macht das durch ein wunderbares Wortspiel
deutlich. Das Lied beginnt und endet mit dem Lob Gottes. Lobend antwortet
es auf seinen Segen. Loben und Segnen gehört in der Bibel so eng
zusammen, dass es für beides nur ein Wort gibt. Loben meint immer
auch segnen, und segnen immer auch loben. Den ersten Satz unsers Textes
"Gelobt sei Gott, der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen."
könnte man also auch übersetzen: "Gesegnet sei Gott,
der uns gesegnet hat mit allem geistlichen Segen."
Gott segnen?
Liebe Gemeinde! Das ist uns
fremd: Gott segnet Menschen, ja, und wir sprechen anderen Menschen Gottes
Segen zu, bei der Taufe zum Beispiel oder bei einer Trauung, ja - aber
Menschen segnen Gott?
In Israel gehört der Segensspruch, mit dem Menschen Gott loben
und segnen, zum Alltag. Ein duftendes Brot, ein Schluck frischen Wein,
das Vorübergehen eines schönen Menschen, das Strahlen der
Sterne, die Vogelstimme der Frühe - all das wird mit Gott verbunden.
Der Segensspruch lobt und stärkt Gott. Seinem Wirken, seiner Nähe
wird all dies Schöne zugeschrieben.
Und genau so segnet auch der Schreiber des Epheser-Briefes Gott. Sein
Loblied ist so etwas wie eine Art Rückerstattung für die großen
Wohltaten, die Gott den Menschen erwiesen hat. Alle Zeiten, alle Menschen
und alles, was im Himmel und auf Erden ist, werden in diesem Loblied
Gott unterstellt.
Ich denke, wenn wir Gott in dieser Weise loben und segnen, dann tun
wir dies nicht nur in Worten und Liedern, dann folgen die Taten ganz
von allein.
Gott, den Schöpfer loben und segnen die, die seine Schöpfung
bewahren und mit ihren Gaben verantwortlich umgehen.
Den Vater Jesu Christi loben und segnen die, die auf die Nächsten
zugehen, wie Jesus von Nazareth auf Menschen zugegangen ist, tröstend,
heilend, zuhörend.... - auch wenn uns das bei einigen Menschen
sehr schwer fällt.
Den heiligen Geist loben und segnen die, die nicht resignieren angesichts
des Elends auf der Welt, sondern hoffen auf den neuen Himmel und die
neue Erde, die schon hier spürbar ist, wo er unter uns wirkt.
Einer, der auf diese Weise Gott und Menschen loben und segnen konnte,
war der Kabarettist Hanns-Dieter Hüsch. Von ihm möchte ich
zum Schluss ein Gedicht vorlesen, in dem er auf wunderbar leichte Weise
die Dreieinigkeit Gottes beschreibt und die Wirkung, die sie auf uns
haben kann. Dann ist sie vielleicht doch mehr als ein geistreiches Gedankenspiel:
"Gott ist nicht leicht
Gott ist nicht schwer
Gott ist schwierig
Ist kompliziert ist hochdifferenziert
Aber nicht schwer
Gott ist das Lachen nicht das Gelächter
Gott ist die Freude nicht die Schadenfreude
Das Vertrauen nicht das Misstrauen
Er gab uns den Sohn um uns zu ertragen
Und er schickt seit Jahrtausenden
Den Heiligen Geist in die Welt
Dass wir zuversichtlich sind
Dass wir uns freuen
Dass wir aufrecht gehen ohne Hochmut
Dass wir jedem die Hand reichen ohne Hintergedanken
Und im Namen Gottes Kinder sind
In allen Teilen der Welt
Eins und einig sind
Und Phantasten dem Herrn werden
Von zartem Gemüt
Von fassungsloser Großzügigkeit
Und von leichtem Geist"
(Hüsch/Seidel: Ich stehe unter Gottes Schutz. Psalmen für
Alletage, S. 63)
Pfarrerin Beate Schröder
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