Predigt
zum Fest Verklärung des Herrn Mk 9, 2-10
in St. Michael und St. Pankratius 5./6.8.2006 (Martin Günter)
Liebe Gemeinde,
es ist eine außergewöhnliche
Geschichte, die uns der Evangelist Markus da erzählt: Jesus
nimmt drei seiner Jünger mit sich auf einen Berg und wird
dort – vor ihren Augen – verwandelt; seine Kleider
leuchten in überirdischem Licht, Elija und Mose erscheinen
und reden mit ihm, und die Stimme Gottes offenbart Jesus als Gottessohn.
Ein erstaunliches, wunderbares Geschehen – und vielleicht
geht es uns ganz ähnlich wie den verdutzten Jüngern,
dass wir nicht so recht wissen, wie wir diese Begebenheit einordnen
sollen. Je wunderbarer das Erzählte, desto weiter weg von
unserem Alltag, von unserer Realität erscheint es uns dann
oft. Bei diesem Evangelium fällt mir immer das Zitat eines
Theologieprofessors ein, der einmal sagte, dass er selbst noch
nie das Licht der Verklärung gesehen habe, aber hoffe, trotzdem
ein guter Christ sein zu können. Also wie ist mit diesem
Evangelium umzugehen – was kann es uns heute, hier in St.
Michael sagen? Was hat es mit uns, mit unserem Leben zu tun?
Interessant finde ich
bereits den Beginn der Erzählung: „Sechs Tage danach
nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte
sie auf einen hohen Berg“... Immer wieder wird in den Evangelien
erzählt, dass Jesus seinen Jüngern und sich selbst Auszeiten
gegönnt hat; weg von den tagtäglichen Anforderungen,
weg von den vielen Menschen, weg von den hohen Erwartungen, denen
sie auf Schritt und Tritt begegnet sind; Zeiten für sich,
Zeiten der Regeneration, zum Aufatmen und Auftanken.
Dass dies für die Jünger wieder einmal notwendig war,
geht aus dem größeren Erzählzusammenhang hervor:
Nach verschiedenen Wunder-heilungen befinden sich Jesus und seine
Jünger auf dem Weg nach Jerusalem; Jesus weiß, was
kommen wird; er kündigt ihnen sein Leiden und Sterben an,
ruft sie zu Nachfolge und Selbstverleugnung auf. Anstrengende
Tage liegen hinter ihnen, und dann diese Ankündigung - keine
leichte Kost, die er den Jüngern da zumutet! Da tut es gut,
wieder einmal Kraft zu schöpfen, eine Auszeit zu nehmen,
sich zu vergewissern, auf dem rechten Wege zu sein... Was Petrus,
Jakobus und Johannes wohl erwartet haben, als sie von Jesus beiseite
genommen wurden?
Nach sechs Tagen nehmen auch wir heute wieder eine Auszeit vom
Alltäglichen; wir lassen uns in diesem Gottesdienst von Jesus
beiseite nehmen, weg von Arbeit und Verpflichtungen, von Anforderungen
und Erledigungen... Was erwarten wir?
Was die Jünger
dann auf dem Berg Tabor gesehen haben, dürfte all ihre Erwartungen
übertroffen haben. So eindeutig haben sie zuvor noch nie
erfahren, dass dieser Jesus, mit dem sie nun schon so lange unterwegs
waren, nicht allein von dieser Welt ist; so eindeutig ist ihnen
noch nie aufgegangen, dass er von Gott kommt und ganz zu ihm gehört;
und so eindeutig ist ihnen noch nie gezeigt worden, wer dieser
Jesus ist: Göttliche Kraft verwandelt ihn, himmlischer Glanz
umstrahlt ihn; Elija und Mose erscheinen, reden mit ihm –
ein Zeichen, dass das Reich Gottes jetzt kommen wird, dass er
es ist, in dem sich die Botschaft der alttestamentlichen Propheten
erfüllt; und Gott selbst erklärt ihn als seinen geliebten
Sohn – ein größeres Offenbarungsgeschehen ist
nicht denkbar.
Kaum verwunderlich, dass die Jünger vor Furcht ganz benommen
waren und zunächst gar nicht begreifen konnten, was hier
geschieht. Aber ich bin sicher, dass dieses Geschehen auch sie
verwandelt hat – dass sie eine Ahnung davon bekommen haben,
welche geistliche Kraft, welche Vollmacht in und durch diesen
Jesus wirkt: Gottes Kraft, die alles Irdische verwandeln und vollenden
wird. Nicht umsonst verbot Jesus ihnen, von dem Erlebten zu erzählen,
bis der Menschensohn von den Toten auferstanden sei. Tatsächlich
wird ihnen erst dann – nach Jesu Auferweckung - die wahre
Dimension der alles verwandelnden Kraft Gottes aufgegangen sein.
Keine effektvolle Zauberei, keine billigen Tricks, kein beeindruckender
Hokuspokus, - sondern die Kraft der Liebe Gottes, die selbst Leid
und Tod überwinden kann und alles Leben zu seiner Vollendung
führen wird.
Von solch aussergewöhnlichem Geschehen wie auf dem Berg Tabor
weden wir hier in diesem Gottesdienst wohl kaum Augenzeugen werden...
Aber auch hier und heute feiern wir Wandlung und Verwandlung:
Aus alltäglichem Brot und Wein werden für uns Leib und
Blut Christi – in diesen Zeichen ist er selbst mitten unter
uns. Begreifen können wir das Geschehende ebensowenig wie
die Jünger damals – aber auch wir können in dieser
Feier, in unserer Begegnung mit ihm verwandelt werden und etwas
von der Liebe Gottes erahnen, die auch unser Leben, uns selbst
vollenden wird.
Allerdings bleiben
solche Glaubenserfahrungen immer Geschenk – sie entziehen
sich unserer Verfügbarkeit; wir können sie weder machen
noch konservieren, festhalten – auch wenn wir, wie Petrus,
dafür gerne Hütten bauen wollten... Doch bei allem Bemühen:
Als die Jünger um sich blickten, sahen sie auf einmal niemand
mehr bei sich außer Jesus – und auch wir sehen bald
wieder nur das Vertraute, Alltägliche...
Uns bewegende, verwandelnde Erfahrungen bleiben punktuell; den
Glauben können wir nicht haben, besitzen oder uns seiner
sicher sein – er muß sich auf unserem Lebensweg immer
wieder neu ereignen, immer wieder neu geschehen.
Da ist es gut, wenn
wir auf einmal gemachte Erfahrungen zurückgreifen, an sie
anknüpfen können – so, wie wir es in jedem Gottesdienst,
den wir miteinander feiern, tun. Der Evangelist Markus erzählt
uns in seinem Evangelium in sprechenden Bildern von Glaubenserfahrungen,
die die Jünger mit Jesus gemacht und die sie verwandelt haben;
damit will er uns heute das Herz öffnen, unseren eigenen
Erfahrungen mit diesem Jesus im Miteinander-Feiern auf die Spur
zu kommen; möge uns dabei auch Wandlung zuteil werden. Amen.
Eröffnung:
„Sollt ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, Du bist
so schön...“ – wer kennt es nicht, dieses Zitat
aus Goethes Faust? Und wer von uns hat nicht schon selbst den
Wunsch verspürt, besondere Augenblicke des Lebens, bewegende
Momente festhalten zu können? Wie schön wäre es,
sie sich zu erhalten, zu konservieren, um sie dann bei Bedarf
immer wieder neu erleben zu können? Doch wir alle wissen,
dass das nicht möglich ist, dass intensive Erfahrungen nicht
beliebig wiederholbar sind.
Dies mussten auch die
Jünger auf ihrem Weg mit Jesus erfahren – das heutige
Evangelium von der Verklärung des Herrn erzählt uns
davon. Und doch: Ihre Erfahrungen mit Jesus haben ihr Leben verwandelt
- so, wie der Glaube auch unser Leben verwandeln will; und so
sind wir heute zusammengekommen, um miteinander Wandlung zu feiern.
Fürbitten zum Fest Verklärung des Herrn
Guter Gott, Du hast uns Menschen Deine Herrlichkeit in Jesus Christus
offenbart. In seinem Namen bitten wir Dich:
Lass in unseren Kirchen
das Geheimnis Deiner Gegenwart aufscheinen, damit wir zum Segen
für die Menschen werden.
Schenke allen, die Angst vor der Zukunft haben, Erfahrungen Deiner
Nähe und Deines Beistands.
Lass die Menschen, deren Leben durch Leid verdunkelt wird, Mitmenschen
finden, die ihnen weiterhelfen und ihren Weg begleiten.
Führe die Verantwortlichen in den Kriegsgebieten unserer
Welt zu der Einsicht, dass Gewalt kein Mittel zur Konfliktlösung
sein kann.
Lass uns alle immer wieder neu die verwandelnde Kraft Deiner Liebe
erfahren, damit unser Leben gelingen kann.
Guter Gott, durch die Verklärung Deines Sohnes hast Du den
Glauben Deiner Jünger vertieft und gestärkt. Erhöre
unsere Bitten und festige auch unseren Glauben durch ihn, Christus,
unseren Herrn.