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Predigt
zum 5. Fastensonntag/Misereor-Sonntag am 24./25.3.2007 zu Joh 8,1-11
in St. Michael
(Ausschuss
Gerechtigkeit, Friede, Bewahrung der Schöpfung)
Predigttext
Jesus und die Ehebrecherin: 7,53 - 8,11
53 Dann gingen alle nach
Hause.
1Jesus aber ging zum Ölberg. 2Am frühen Morgen begab er sich
wieder in den Tempel. Alles Volk kam zu ihm. Er setzte sich und lehrte
es. 3Da brachten die Schriftgelehrten und die Pharisäer eine Frau,
die beim Ehebruch ertappt worden war. Sie stellten sie in die Mitte
4und sagten zu ihm: Meister, diese Frau wurde beim Ehebruch auf frischer
Tat ertappt. 5Mose hat uns im Gesetz vorgeschrieben, solche Frauen zu
steinigen. Nun, was sagst du? 6Mit dieser Frage wollten sie ihn auf
die Probe stellen, um einen Grund zu haben, ihn zu verklagen. Jesus
aber bückte sich und schrieb mit dem Finger auf die Erde. 7Als
sie hartnäckig weiterfragten, richtete er sich auf und sagte zu
ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein
auf sie. 8Und er bückte sich wieder und schrieb auf die Erde. 9Als
sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort,
zuerst die Altesten. Jesus blieb allein zurück mit der Frau, die
noch in der Mitte stand. 10Er richtete sich auf und sagte zu ihr: Frau,
wo sind sie geblieben? Hat dich keiner verurteilt? 11Sie antwortete:
Keiner, Herr. Da sagte Jesus zu ihr: Auch ich verurteile dich nicht.
Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!
Gespräch
A: Ich weiß nicht,
wie es Dir geht. Wenn ich diese Stelle im Evangelium höre oder
lese, bin ich immer wieder fasziniert von der Qualität dieses Textes.
Er ist wie ein gutes Theaterstück. Nicht von ungefähr hat
dieser Text Maler und Schriftsteller inspiriert.
B: Ja mir geht das auch so.
Mir gefällt vor allem, wie Jesus es fertig bringt, sich in einer
Situation aus der Schlinge zu ziehen, in der die Pharisäer und
Schriftgelehrten sicher waren, ihn mit dem Gesetz in Konflikt zu bringen.
Denn auf Ehebruch stand ja Todesstrafe und die wiederum war den Juden
unter der Herrschaft der Römer verboten. Mit diesem Vorfall hatten
sie ihn in der Hand. Denn er konnte in dieser Situation nur etwas Falsches
tun.- Aber wie immer in solchen Streitgesprächen mit seinen Gegnern:
Er war eben besser.
A:
Natürlich, auch das ist ständig wiederkehrende Aussage in
den Evangelien: Jesus bringt die frohe Botschaft und überzeugende
Antworten für den Menschen. Im Übrigen ist das ein besonderer
Text. Er wurde seit ältester Zeit als ganz wichtiger Text des Evangeliums
betrachtet. Und das ist er auch.- Für mich hat dieser Text etwas
Besonderes, ja Geheimnisvolles.
B:
Geheimnisvoll ist er für mich nicht unbedingt. Aber er spricht
mich vor allem an, weil Jesus sich für eine Frau einsetzt. Denn
die Szene ist schon ziemlich eindeutig patriarchalisch und frauenfeindlich.
Wieder einmal ist eine Frau an allem schuld und die Männer triumphieren.
Wo ist denn der Mann, der dabei war? Den müsste man nämlich
nach dem mosaischen Gesetz auch steinigen. Aber Männer scheinen
da eine Sondergenehmigung zu haben. Wenn es um Ehebruch geht, sind in
solchen Gesellschaften nur die Frauen zuständig.
A:
Ich bin da nicht ganz Deiner Meinung. - Klar wird zwar aus allen Texten
des Evangeliums, dass Jesus bestimmt kein Macho war und für die
Aufwertung der Frau in der Gesellschaft eintrat. So vertrat er eine
neue Vorstellung von Ehe und kritisierte die Scheidungspraxis seiner
Zeit. Auch dass er als Prediger immer von Frauen begleitet wurde, entsprach
durchaus nicht den Gewohnheiten seiner Zeit. Frauen hatten damals eine
eindeutig untergeordnete Rolle in der Gesellschaft, auch im Judentum.
Für Jesus aber waren Frauen und Männer als Ebenbild Gottes
gleichberechtigt. - Aus den Evangelien wird deutlich, dass Jesus ein
Mensch war, der für Menschen in Not Mitgefühl hatte, nicht
zuletzt für Frauen. Da liegst Du vielleicht schon richtig. - Aber
in der Geschichte ist noch mehr. Warum hat er z.B. so geheimnisvoll
auf den Boden geschrieben?
B:
Ja, diese Stelle gefällt mir, weil sie zeigt, wie überlegen
er diese Männerversammlung psychologisch auspunktet. Er tut zunächst
so, als interessiere ihn das alles gar nicht und lässt seine Gegner
sich selber hochschaukeln und ihren Dampf ablassen.
A:
Glaubst Du das? Ich glaube, da ist noch mehr. Denn schließlich
ist die Frau ja nicht unschuldig. Der Text sagt eindeutig, dass die
Frau "ertappt" wurde. Jesus war ja kein Intellektueller, sondern
ein Handwerker, d.h. er hatte die "Füße auf dem Boden".
Im alten Israel war der Ehebruch sicher nicht seltener als anderswo
und Jesus wusste auch, dass zum Ehebruch im allgemeinen zwei gehören.
Dass man den Mann nicht mitgeschleppt hat, bedeutet für unsere
Geschichte wenig. Jedenfalls wird der ehebrecherische Mann nicht erwähnt,
und das wird schon seinen Grund haben. Nein, ich glaube, um das alles
geht es in dieser Geschichte gar nicht.
B:
Du hast recht. Jesus kämpfte immer für Humanität. Er
will gegen die unmenschliche Strafe angehen. Schließlich ist Steinigung
eine der grausamsten Todesstrafen - auch heute noch. Das konnten wir
ja letztes Jahr in der Presse lesen, als in Nigeria eine junge Frau
zu dieser Strafe verurteilt wurde. Steinigung für ein sexuelles
Fehlverhalten ist für uns heutzutage unvorstellbar. Wenn heute
auf Ehebruch Steinigung stünde, bräuchte man in jeder Ortschaft
einen Steinbruch!
A:
Jesus würde Dir heute sicher zustimmen. Aber um diese Geschichte
zu verstehen, müssen wir uns in die damalige Zeit hineindenken.
Jesus war ein gläubiger und frommer Jude. Es wäre ihm nicht
in den Sinn gekommen, das mosaische Gesetz zu kritisieren. Wenn er Kritik
übt, dann daran, wie seine jüdischen Zeitgenossen mit dem
Gesetz umgehen. Ihm geht es um die Einstellung zum Gesetz. Und damit
steht er in der Tradition der jüdischen Propheten.
B:
Dass Jesus damals wie ein Prophet aufgetreten war, ist mir schon klar.
Aber was hat das mit dem Gesetz oder noch deutlicher mit dem Ehebruch
zu tun?
A: Die alten Propheten Israels
waren ja nicht nur unbequeme Ankündiger von Strafen, wenn sich
die Leute nicht bessern wollten. Sie waren vor allem eine moralische
Instanz und brachten auch eine neue Ethik. Jesaia (58, 3-8) kritisiert
so z.B. die damalige Praxis des frommen Fastens mit Sack und Asche und
sagt, dass das Gott gar nicht gefalle. Gott würde es aber mehr
gefallen, wenn sie die Fesseln des Unrechts lösen würden,
die Sklaven freilassen, den Hungrigen Brot geben, die Obdachlosen aufnehmen,
die Nackten bekleiden usw. - Die Propheten sprechen vom "neuen
Herz" das wir Menschen brauchen. - Hier wird doch deutlich, dass
es sich nicht um die Aufhebung eines Gesetzes handelt, sondern um eine
neue Einstellung zum Gesetz, ja um die Zuordnung des Fastengebots unter
ein höherstehendes Gebot: Du sollst Deinen Nächsten leiben
wie dich selbst.
B: Whwau!! Willlst Du damit
sagen, dass Jesus damit den Ehebruch bagatellisiert?
A: Durchaus nicht. Auch für
Jesus ist und bleibt der Ehebruch eine schwere Verfehlung, weil es dabei
um den Bruch der versprochenen Treue geht, weil ein Mensch damit verletzt
wird. Ein gutes Beispiel für den neuen Umgang mit dem Gesetz ist
auch die Geschichte von den Jüngern, die am Schabbat Ähren
ausrupfen und verspeisen (Mk 2,23-28). Für Jesus ist selbst das
strenge Schabbatgesetz für den Menschen da und nicht die Menschen
für den Schabbat. - Ja, für Jesus stand immer der Mensch im
Vordergrund. Für ihn ist das Gesetz für den Menschen da und
nicht umgekehrt. Wir werden nicht unrein durch die Dinge von außen,
sondern durch unser Denken, unsere innere Einstellung. Schuld, Sünde
und Verdienst bemisst sich nach dem "guten Willen" und nach
dem Gewissen.
B: So langsam verstehe ich,
worauf Du hinauswillst. Du willst sagen: Bei der Geschichte von der
Ehebrecherin, geht es nicht so sehr darum, dass sie Ehebruch begangen
hat, sondern darum wie ihre Einstellung zu diesem Ehebruch war. Wenn
sie z.B. gar nicht untreu hatte sein wollen, sondern einfach nur schwach
geworden war, weil der Mann sie so bedrängt hat, oder wenn sie
nicht mehr Widerstand leisten konnte, weil sie an diesem Tag nicht gut
drauf war. Es gibt da ja manchmal so grenzwertige Situationen.
A: Genau. Jesus kannte uns
Menschen sehr gut. Er wusste darum, wie unterschiedlich die Menschen
sind. Eine Tat mag noch so gleich erscheinen und dennoch können
dahinter himmelweite Unterschiede in der Einstellung und Gesinnung liegen.
Außerdem bringt jeder Mensch unterschiedliche Begabungen und Veranlagungen
mit, die einen großen Einfluss auf die freie Entscheidung eines
Menschen haben. Die Größe der Schuld bemisst sich nicht an
der einzelnen Tat, sondern an der Freiheit bei der Entscheidung für
eine Tat. - Das hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten erkannt,
als Jesus sich plötzlich aufrichtet und sagt, wer von ihnen ohne
Sünde sei, solle den ersten Stein werfen.
B: Ja, das war genial. Und
ich verstehe jetzt auch die Hintergründe besser. Jesus wollte zeigen,
dass wir andere nicht richten und zuerst unseren eigenen Balken aus
dem Auge ziehen sollen.
A: Ja, vielleicht. Aber es
geht ihm offensichtlich um mehr. Denn jetzt bückte er sich wieder
und fing wieder so geheimnisvoll zu kritzeln an. Das ist schon auffällig.
B: Jetzt bin ich schon sehr
gespannt, wie du dir das Ganze erklärst. Denn das erste mal bei
diesem merkwürdigen Kritzeln ging es ganz eindeutig um die aufgeregten
Männer und verhinderte ja die Steinigung. Und das zweite Mal ging
es nur um die Frau, die allein mit ihm zurückgeblieben war. Da
hätte er ja nichts auf den Boden schreiben brauchen.
A: Man versteht die erste
Szene mit den Pharisäern besser, wenn man die Antwort an die Frau
vorwegnimmt. Jesus sagt ihr mit unseren Worten: Ich bin nicht dein Richter.
Was da vorgefallen war, kannst nur du selber in deinem Gewissen erforschen.
Du bist die Richterin über Dein freies Handeln. Niemand kann Dir
ins Herz schauen und erkennen, welche Gesinnung du bei deiner Tat hattest.
Was daran Sünde war bleibt Geheimnis und weiß kein Außenstehender.
- Die Geschichte sagt uns ferner: Jesus nimmt nicht nur die Ehebrecherin
ernst und behandelt sie in Würde, sondern auch die Pharisäer.
Mit keinem von beiden argumentiert er und erteilt Belehrungen, sondern
verweist sie auf ihre Freiheit und Selbstverantwortung. Er zeigt beiden
gegenüber einen großen Respekt vor ihrer Menschenwürde.
B: Whauw! Das ist in der
Tat für die damalige Zeit eine Neuerung. Das ist doch eine totale
Befreiung des Menschen aus einem falschen, sklavischen Gesetzesverständnis
und gibt ihm Freiheit und Selbstverantwortung.
A: Ja, diese neue Ethik der
"evangelischen Freiheit" (Römer 8, 12-17), bei der die
Gesinnung und der gute Wille zählt, nimmt dem Gesetz den Charakter
einer Drohbotschaft und gehört zum Wesen der neuen Frohbotschaft.
Wir sind freie Menschen und keine Sklaven. Wir sind Gott ebenbildlich
und dürfen uns seine Kinder nennen. Wir haben deswegen eine unteilbare
und unaufgebbare Würde und verdienen Respekt. Ja, diese geheimnisvolle
Würde des Menschen kann keinem genommen werden - weder einer Ehebrecherin
noch einem Pharisäer - übrigens auch keinem Schwerverbrecher.
B: Dann ist die Geschichte
von der Ehebrecherin ja ein ganz zentraler Text. Man sieht das der kurzen
Textpassage gar nicht an. Und eines verstehe ich jetzt: Die Geschichte
von der Ehebrecherin hat einen direkten Bezug zum Misereor-Sonntag.
Sie wertet mit dem Aspekt der Menschenwürde und Gesinnungsethik
nicht nur die Armen und Hungernden auf, sondern sie garantiert ihnen
auch Respekt und verbietet das Urteilen über ihre Not. Und sie
verpflichtet uns im Sinne Jesu zum Teilen, weil wir vor Gott alle gleich
sind.
Beide: Amen
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