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Das
zerbrechliche Fundament
Ansprache
über Lk 24,1-12
Osterfest 8.4.2007 – in St. Michael Tübingen und St. Pankratius
Bühl (Thomas Steiger)
Die Schlagzeile dieses Osterfests
liegt auf der Hand. In die Worte „Düstere Prognose für
die Erde“ hat das Schwäbische Tagblatt sie gestern gefaßt.
Die Süddeutsche titelte: „Arme leiden am stärksten unter
Klimawandel“. Nun ist das insoweit nichts Neues, als die Tatsachen
mit steigender Gewißheit seit Monaten zumindest auf dem Tisch
liegen. Allerdings hat der an Karfreitag verabschiedete zweite Teil
des UN-Klimaberichts die Dramatik der Situation unmißverständlicher
denn je zuvor formuliert. Seine Botschaft lautet: Es ist schon jetzt
zu spät, um die Folgen der globalen Erwärmung abzuwenden.
Wenn die Menschheit jedoch, wir alle also, nicht sofort Gegenmaßnahmen
einleiten, dann ist es nicht nur zu spät, dann ist es das absehbare
Ende für unseren Planeten.
Nun werden Sie, liebe Schwestern, liebe Brüder, zu Recht denken,
daß dies nicht die Botschaft ist, die Sie an Ostern erwarten und
hören wollen. Viel eher hätte diese Mahnung in die eben abgeschlossene
Fastenzeit gepaßt, wo die Umkehr zentrales Anliegen ist. Umkehren
heißt ja: Ändern, was ich falsch mache; verstehen, wo ich
hinter meinen gottgegebenen Möglichkeiten zurück bleibe; die
Richtung erkennen, die mich ins Verderben führt, und auf dem Absatz
kehrt machen. Die Schlagzeile von Ostern aber lautet ganz anders. Etwa:
Der Tod auf unserer Welt ist besiegt. Gott hat mir meine Sünden
vergeben. Ich bin gerettet. –
In der Tat geht es seit jenem Ereignis, dessen wir hier und jetzt gedenken,
das wir Ostern nennen und eben die Auferstehung Jesu zu fassen versucht,
um nichts anderes. Und auch im Jahr 2007 und angesichts einer wie auch
immer gearteten Weltlage bleibt diese Botschaft dieselbe: Weil Jesus
Christus die Sünde der Welt getragen hat bis in den Tod und Gott
ihm neues, ewiges Leben geschenkt hat, gilt die Verheißung der
Unsterblichkeit jedem Geschöpf auf unserem Planeten. Klimawandel
hin, Klimawandel her, möchte ich beinahe lakonisch anfügen.
Nur..., ist es ganz so einfach?
Ich denke, wir dürfen als Ausgangspunkt aller weiteren Überlegungen
festhalten: Ostern ist nicht mehr rückgängig zu machen; es
durchzieht den Lauf aller Existenz, durchdringt die Realität in
jeder Sekunde. Die Auferstehung ist unser Blickwinkel, mit dem wir als
Christen alles betrachten, was zu uns gehört. Und damit auch den
Klimawandel und die damit verbundenen Gefahren und Ängste. Jede
Bedrohung und Not, unsere Schuld, die wir auf uns laden und unsere Feigheit,
mit den Erkenntnissen wahr zu machen, alle Halbheit unseres Glaubens
– sie sehen wir mit der Auferstehung im Rücken. Sie bleibt
und dieses Bleiben ist es, das wir heute feiern, für das wir Grund
haben, dankbar zu sein. Wir müssen dabei so weit gehen zu sagen,
daß ohne die Sicherheit des ewigen Lebens wir im Grunde gar nicht
zur Umkehr fähig wären. Genau so denkt Jesus selber, und auch
daran sollen wir uns an Ostern erinnern: Er ging immer davon aus, daß
Gottes Gnade all unserem Tun voraus geht, daß Gott uns entgegen
kommt, uns die Grundlage schafft, auf der wir uns ändern können.
So müßte gerade von uns als Christen Entscheidendes ausgehen,
immer und überall, wo das Leben bedroht ist, und erst recht, wenn
dies in so gravierender Weise der Fall ist wie bei der von Menschen
verursachten schädlichen Erwärmung der Erdatmosphäre!
Oft scheint es jedoch so zu sein, daß wir uns lieber wegducken.
Für ihren großen Mut ist die Christenheit nicht unbedingt
bekannt. Sogar die Politiker (lokal und im größeren Kontext)
fordern mehr Bekennermut der Kirchen, ein Einstehen für die Werte,
die sie vertreten, offene Worte, erkennbareres Profil. Woran nur mag
das liegen? Ob wir am Ende unseres Fundaments gar nicht so gewiß
sind, wie es zu sein scheint?
Liebe Schwestern und Brüder, an Ostern wird die Frage danach besonders
drängend. Die Grundlage, auf der unser ganzer Glaube an Gott aufbaut,
ist der Glaube, daß Christus von den Toten erstanden ist. Fange
ich jedoch bei mir selber an zu prüfen, dann tauchen bei mir eben
da auch die größten Fragen auf: Wenn nun doch alles nicht
stimmt? Wenn es eine Illusion ist, verständliche Hoffnung meiner
Phantasie, die sich nicht begnügen will mit dem Stofflichen meines
Erdenlebens? Wenn doch alles aus ist, irgendwann, ganz und gar aus,
keine Seele, kein Danach? Es ist für mich – und ich wünsche
sehr auch für Sie – jedes Jahr ein Trost zu hören, wie
die Auferstehung im Zeugnis der Bibel überliefert wurde. Die ersten
Erfahrungen mit dem, was sich nach Jesu Tod abgespielt hat, sind zarte,
zerbrechliche Zeugnisse eines Wunders, das jedem bloß äußerlichen
Gehabe entbehrt. Gerade Lukas, dessen Osterevangelium in diesem Jahr
unseren eigenen Glauben anleiten will, beschreibt dies so. Außer
den zwei Männern in den leuchtenden Gewändern gibt es nur
einen kurzen, nüchternen Dialog und das leere Grab. Und dann gibt
es ganz viel Zweifel und Verunsicherung, in denen wir uns so gut wiederfinden
können mit den unsrigen. Offenbar gibt es keinen Grund, sie zu
verbergen, sich für sie zu schämen: Die Frauen finden nichts,
was ihnen weiterhelfen könnte. Sie stehen ratlos da. Sie erschrecken
und blicken betreten zu Boden. Die Männer gar halten das alles
für Geschwätz, sie glauben nicht, schreibt Lukas. Petrus zuletzt
bleibt mit Verwunderung zurück. Jene Verwunderung aber muß
ausgereicht haben, daß daraus eine Bewegung entstand, die die
ganze Welt umspannt und nicht aufgehört hat seit zweitausend Jahren.
Es ist dieses zarte Wunder, das in den Jüngern und Aposteln, den
Augenzeugen und denen, die es weiter erzählt haben, zu einer großen
Wirklichkeit geworden ist, die trägt – trotz aller Zerbrechlichkeit.
Uns darin zu bestärken, einer den anderen, mit seinen Fragen und
seiner Hoffnung, die sich ergänzen zu einem Fundament an Glauben
(feingliedrig-individuell wie wir Menschen nun einmal sind), dazu sind
wir Kirche, hier beisammen, um Ostern zu feiern.
Und der Klimawandel, und unsere Zaghaftigkeit? Liebe Brüder, liebe
Schwestern, wenn wir die Auferstehung glauben, und ahnen, daß
sie in uns Realität ist, daß Gott uns mit dieser unvorstellbaren
Sicherheit ausgestattet hat, haben wir dann nicht eine Freiheit, die
uns mutig sein läßt, die Schritte zu tun, die das Leben schützen,
unseren Planeten bewahren, die Armen und alles Schwache unterstützen.
Ich meine: Ja. Und dann sollten wir es auch tun, mit einem Mut, der
der Welt unseren Glauben zeigt. Amen.
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