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Um den Glauben
kämpfen
Predigt
über 1 Joh 5,1-6 und Lk 9,11b-17
Fronleichnam 7.6.2007 in Tübingen
(Thomas Steiger)
Liebe Schwestern und Brüder,
in einer Stadt wie Tübingen hat es das Glauben schwer. Überall
lauern kritische Geister, die Rechenschaft einfordern. Zu jedem Thema
gibt es Spezialisten, die es besser oder mehr wissen. Respekt vor der
Autorität des Amtes, vor der alten Ehrwürde der Kirche gibt
es kaum. Traditionen werden eher belächelt. Und im Zweifelsfall
wird ein Forum zur Diskussion ins Leben gerufen, um die einsichtigen
Möglichkeiten nach allen Seiten auszuloten, bis man ein Ergebnis
hat, das konsensfähig ist. Aber um Konsens geht es ja in der Wahrheit
des Glaubens eher selten.
Was aber, wenn wir diese
Situation einmal von der anderen Seite betrachten? Dann könnte,
ohne irgend etwas zu ändern, gerade das Gegenteil herauskommen:
In einer Stadt wie Tübingen hat es der Glaube leicht. Er wird endlich
dazu aufgefordert, was ihm ohnehin zu eigen sein müßte: zur
Entschiedenheit nämlich und zu innerer Überzeugung. Der blinde
Gehorsam ist abgeschafft. Erst das, was ich begreife, darf ich glauben.
Und jeder Glaubende muß bereit sein, mit Argumenten und unter
Aufbietung all seiner Verstandeskraft für die Wahrheit zu kämpfen.
Nein, liebe Schwestern und Brüder, ich rede damit keinesfalls einer
Neuauflage des Kulturkampfes (aus dem 19. Jh.) das Wort; als ginge es
um Verteufelungen, gar um ideologische Grabenkämpfe. Und mit Kampf
meine ich auch nicht den blinden Einsatz für eine Sache ohne Rücksicht
auf Verluste, sprich die Überzeugung anderer. Ich meine allerdings
sehr wohl das Feststehen im Glauben, das Bekenntnis zu Jesus Christus,
das Festhalten am Sieg Gottes über die Welt - wie es Johannes in
seinem Brief formuliert hat, den wir als Zweite Lesung hörten.
Und dies müßte zudem der innerste Grund sein, der uns heute
morgen hierher auf den Tübinger Marktplatz geführt hat: weil
wir als Christen im Schauen auf das Stück Brot, das Leben in Fülle
in sich enthält, die Verhältnisse zurecht rücken; weil
wir zwar Kinder unserer Zeit (unserer Welt) sind und dies weder ablegen
wollen noch können, davor aber Gotteskinder sind; weil wir durch
unseren Glauben an Jesus Christus die Bedeutung alles Irdischen, alles
Materiellen relativ sehen. Wir wissen: Das alles ist weniger - das Sammeln
von Erfolgen, die Gier um Aufmerksamkeit, die Sehnsucht nach Bestätigung,
unser Lebensstandard - es ist unwichtiger als Gott. Dafür treten
wir als Christen ein, liebe Schwestern und Brüder, das ist unser
öffentliches Bekenntnis, und es sollte an unseren Taten, unseren
Werken erkennbar werden. Im Reigen der unterschiedlichen Weltanschauungen
und Meinungen dürfte es gar nicht so schwer sein, dafür einzustehen,
wenn wir uns einmal zu so einer persönlichen Entschiedenheit durchgerungen
haben. Vielleicht erinnern wir uns zurück an die Ideale, die wir
hatten, als wir jung waren. Unsere Ministranten hier suchen die ihren,
ja, sie kämpfen darum, mit ihren Eltern, den Lehrern, mit der Kirche.
Sie wollen genau überlegen, was ihnen wichtig ist, etwas wert.
Und zu allermeist bleiben sie dabei nicht an den vergänglichen
Besitztümern hängen oder am momentanen Ergebnis in der Schule,
sondern sie legen wert auf das, was den Menschen zum Menschen macht,
auf das Lebenswichtige, das Lebenswerte. Ob wir es erkennen, wenn wir
hinschauen heute, nachher auf das Stück Brot in der Monstranz...,
daß genau dafür Jesus steht mit seiner Predigt, mit seinem
Sterben am Kreuz..., daß es sich dafür zu "kämpfen"
lohnt?
Liebe Brüder, liebe
Schwestern, recht betrachten sind wir als Christen, und als Katholiken
zumal, eine Minderheit in unserer Stadt. Zwar weist die Statistik noch
immer über 40.000 Getaufte aus in Tübingen, aber dies ist
nicht die Zahl der Gläubigen - bei weitem nicht, vermutlich. Es
gibt ein neues Interesse an Religion, sagen die Sozialforscher. Kirchliche
Kindergärten und Schulen sind gefragter denn je. Aber täuschen
wir uns damit nicht über die nüchterne Wahrheit hinweg, daß
die christlichen Wurzeln vor allem auf dem Papier existieren, und nicht
in den Herzen und Köpfen? Es ist ohne Frage ein Privileg, daß
wir uns heute zu unserem großen katholischen Festtag im Jahr auf
dem Marktplatz im Herzen Tübingens versammeln dürfen. Und
es ist gut so, wie es ist. Nur das Recht dazu und unsere Freude daran
lassen sich nicht mehr von der Selbstverständlichkeit eines gemeinsamen
gesellschaftlichen Bekenntnisses ableiten. Vielmehr müssen wir
heute mehr als früher durch unseren persönlichen Glauben einen
wertvollen Beitrag zum Leben unserer Stadt leisten - und durch die daraus
resultierenden Prioritäten und Aktivitäten. Auf diese Weise
wird die Botschaft vom Heil für alle Menschen verkündet, auf
diesem Weg wird das Brot des Lebens vermehrt zu einer unkontrollierbaren
Überfülle, wie Lukas es verkündet in seinem Evangelium.
So verkommt der Leib des Herrn nicht zu einer frommen Fassade, sondern
ist das, was er sein will: Gott selbst, der sich uns und allen schenkt.
Es ist deshalb gut und richtig,
liebe Schwestern und Brüder, daß der Bund der Deutschen Katholischen
Jugend sich engagiert, um die Teilnehmer des G8-Gipfels, der in diesen
Stunden in Deutschland tagt, auf die Verantwortung der reichen Länder
für die Armen hinzuweisen, auf das mangelnde Teilen mit den Benachteiligten,
auf die hemmungslose Ausbeutung unseres Planeten nach falschen, nämlich
ausschließlich ökonomischen Schwerpunkten. Hier auf dem Marktplatz
rufe ich unserem Oberbürgermeister zu, daß er in mir einen
Verbündeten hat, was den Klimaschutz angeht - und hoffentlich in
Ihnen auch -, weil unser Glaube das verlangt, weil es ein Gebot Gottes
ist, seine Schöpfung sorgsam zu behandeln - weil alle satt an ihr
werden wollen, alle - und zwar heute und morgen. Es genügt nicht,
daß wir dabei auf die anderen schauen, überweisen an die
politisch Verantwortlichen. Gebt ihr ihnen zu essen!, sagt Jesus seinen
Jüngern. Ja, wir tragen die Verantwortung, daß unser Glaube
nicht verloren geht. Wir müssen teilen, damit es für alle
reicht. Wir schauen auf den, der die Welt besiegt hat, weil wir einzig
ihn notwendig brauchen. Amen.
Einführung
In jener Zeit redete Jesus
zum Volk vom Reich Gottes.
Mit dieser Sentenz beginnt das Evangelium unseres Festtages. Und es
ist genau das, was Jesus auch heute tun will und wird: Er redet zu uns
vom Reich Gottes. Hörbar wird dieser göttliche Bereich in
der Verkündigung, sichtbar in der Monstranz, erfahrbar in unserer
Gemeinschaft.
Vier katholische Gemeinden der SE Tübingen haben sich wieder zu
ihrem Fronleichnamsgottesdienst zusammen gefunden. Herzlich grüße
ich Sie, liebe Schwestern und Brüder aus St. Johannes, St. Paulus,
St. Petrus und St. Michael - mit Freunden und Gästen sind wir zusammen.
Besonders begrüße ich die evangelischen Christen, die mit
uns einen Höhepunkt im Kirchenjahr feiern. Die beiden anderen Gemeinden
unserer SE, Hirschau und Bühl, sind zur gleichen Zeit zu ihrem
Fest versammelt.
Damit Jesus zu uns sprechen
kann, öffnen wir unser Innerstes für ihn, und wir rufen ihn
an als unseren Herrn, der uns zusammen geführt hat.
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