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Jesus Christus:
Gottes Sohn
Ansprache zu Weihnachten
24./25.12.2007 in St. Pankratius Bühl und St. Michael Tübingen
(Steiger)
Liebe Schwestern und Brüder!
Auf daß es bekannt werde, bekennt die Christenheit an Weihnachten:
Jesus Christus ist Gottes Sohn. Seit dieses Fest im 4. Jahrhundert aus
dem heidnischen Fest der Wintersonnwende entstand, ist das der Kern
seines Inhalts. Auf vier großen ökumenischen Konzilien und
in unzähligen Disputationen der bedeutendsten Theologen der damaligen
Zeit hatte man sich zu dieser Glaubensaussage durchgerungen, dabei anderslautende
Meinungen aus der Kirche ausgeschlossen und wieder und wieder auch an
den Begriffen gefeilt. Jesus aus Nazareth, Sohn der Maria, aufgewachsen
im Haus des Zimmermanns Josef, getauft vom Propheten Johannes im Jordan,
Anführer einer Jüngerschar, Prediger in Galiläa, gestorben
am Kreuz in Jerusalem - dieser junge Mann ist Mensch, und er ist Gott.
Die Bekenntnisse der Kirche, die damals als Symbole des Glaubens niedergeschrieben
wurden und bis heute in allen christlichen Kirchen als unaufgebbare
Grundlage gelten, lassen daran keinen Zweifel zu: und an Jesus Christus,
seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, formuliert das Apostolicum,
und noch eindringlicher, intensiver das Große Credo, das sich
auf die beiden ersten Konzilien der Kirche in Nizäa und Konstantinopel
stützt (wir werden es nachher sprechen/vom Chor hören): Und
an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem
Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer
Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem
Vater. Abgesehen von seiner knappen, formelhaften Sprache merkt man
diesem Text an, wie wichtig es den Christen damals war, die Gottheit
Christi festzuhalten, gegen alle Widerstände, als das Wichtigste
ihres Bekenntnisses.
Ich bin mir bewußt,
liebe Schwestern und Brüder, daß wir uns schwer damit tun
(nicht erst heute übrigens, von Anfang an war das so!), und daß
wir gerade an Weihnachten eine geläufigere Botschaft hören
wollen, eine, die mehr ans Herz geht und mir unmißverständlich
zu verstehen gibt: "Es ist alles in Ordnung mit dir! Und insgesamt
wird alles gut werden. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Was das
ganze Jahr über kaum zu glauben ist, heute gilt es: Gott macht
alles gut!" Ich habe dieses Bedürfnis übrigens auch und
halte es für ganz und gar verständlich. Wir brauchen einen
Rückhalt, den wir nicht unserer eigenen so begrenzten Leistung,
unserem erwirtschafteten Vermögen verdanken, der sich nicht an
unserer moralischen Schwäche, unseren Sünden, unseren kümmerlichen
Verdiensten orientiert. Genau dieser Anhaltspunkt in unseren so unterschiedlich
verlaufenden, doch im Punkt unserer Schwäche so gleichen Biographien
will Gott uns sein. Nicht weil er sich damit zum Erfüllungsgehilfen
der menschlichen Sehnsüchte machen wollte, die bloß theoretische
Ausflüchte sind aus dessen Angst vor der Selbstgenügsamkeit.
Nein, er muß uns dieser Halt sein, seinem göttlichen Wesen
entsprechend. Andernfalls wäre er nicht der Gott, wie ihn das Volk
Israel erfahren hat, und in dem Namen festhält, den sie ihrem Gott
unaussprechlich zuweist: JHWH = Ich bin da! Die christliche Fortsetzung
des jüdischen Gottesglaubens nun hat diesem Dasein Gottes eine
ganz neue Dimension verliehen, die allerdings auf den Wurzeln gründet,
denen sie entstammt. Wie könnte Gott seiner Schöpfung und
der Menschheit, die ihn bis an die Grenzen der Erkenntnis zu begreifen
sucht, verständlich machen, daß er da ist, ihnen nicht nur
als Herrscher des Himmels nahe, sondern in ihnen selbst, in jedem einzelnen
Menschen beheimatet?
Manche von Ihnen, liebe Brüder,
liebe Schwestern, haben Kinder, vermutlich die meisten hier, haben Söhne
und Töchter. Und Sie wissen deshalb aus der Anschauung am eigenen
Leib, daß es keine Erfahrung größerer Nähe gibt.
Die Geburt ist ein grundstürzendes Erlebnis für eine Frau.
Daß aus der Verbindung zweier Menschen neues Leben entsteht, gehört
zu den Wundern der Existenz. In einem Nachkommen leben wir selbst, sehen
wir, daß es weiter geht. Und wir sind auf eigenartige Weise geborgen,
sicher. Selbst wenn es mit mir zu Ende geht, ist das nicht das Ende.
Ich will damit nicht in Abrede stellen, es gäbe keine schwierigen
Eltern-Kind-Beziehungen. Gleichwohl lebt auch in ihnen die ursprüngliche
Nähe und Sicherheit weiter.
Welcher Vergleich also läge
näher, um Gottes Grundverhältnis zu seiner Welt auszudrücken?
Was könnte mehr auf der Hand liegen, als das Zueinander von Gott
und Mensch ebenfalls so zu beschreiben - wie Eltern zu ihrem Kind, wie
ein Vater zu seinem Sohn (die Frauen bitte ich die historischen Befindlichkeiten
einer patriarchal geprägten Gesellschaft zu entschuldigen). Daß
Gott einen Sohn sein eigen nennt, den er der Welt schickt und schenkt,
gehört zum Grundbestand der biblischen Verkündigung. Die Hoffnung
auf einen Messias, der die Welt retten wird, verdichtet sich in diesem
Bild besonders beim Propheten Jesaja. An sie knüpfen die Visionäre
Gottes im Neuen Bund an: Paulus verkündet das Evangelium von seinem
Sohn, schreibt er am Beginn des Römerbriefes, in seinem Brief an
den Freund Titus bezeichnet er Jesus ausdrücklich als großen
Gott und Retter, der Hebräerbrief charakterisiert den Sohn als
Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, durch den er gesprochen, den er
zum Erben eingesetzt und durch den er die Welt erschaffen hat. In den
Evangelien erfährt dieser Gedanke nochmals eine Verdichtung. Gott
gebiert sich selbst in seine Welt hinein. Er wird Mensch. In seinem
Sohn ist er selbst vollkommen Gott - und Mensch zugleich. Das Kind im
Stall bei Lukas und das Wort vor aller Zeit bei Johannes, die Fleischwerdung
und das anbetende Heer der Engel auf dem Feld in Bethlehem, die Herrlichkeit
und die Niedrigkeit - diese Extreme zusammen genommen und in ihrer Spannung
offenbart, entbirgt sich das Wesen Gottes, wie er zu uns steht. Deshalb
mußten die Väter und Mütter unseres Glaubens um das
Geheimnis von Weihnachten ringen, und deswegen ist es bis auf den Tag
so wichtig, den Kern zu thematisieren und damit auf den Punkt zu kommen:
Jesus Christus ist Gottes Sohn. Er ist Gott und Mensch zugleich, geboren
von Maria, die Jungfrau sein muß, weil Gott der Vater ist und
wir sonst die Gottheit Christi erst recht nicht verstehen könnten,
aber auch seine wahre Menschennatur nicht. Wer von Gott sprechen will,
dem genügen die Erkenntnisse und Gesetze der Menschen-Biologie
nicht. Gott steckt noch in der erbärmlichsten Armut dieses Planeten,
im Streit der Erben, in der Not des Kranken, in der Verzweiflung der
Alleingelassenen; und er bleibt dabei doch der Herr, der alles in der
Hand behält, der auf seine Weise Gerechtigkeit schafft und zum
Guten führt. Dafür steht er als Gott, der sich uns in Jesus
zeigt.
Ich bin immer wieder erschrocken
darüber, liebe Schwestern und Brüder, wie sehr auch in Theologenkreisen
die Rede vom Gottessohn Jesus Christus aufgeweicht wird. Da wird er
dann mit einem Mal zum Revolutionär oder Gutmenschen, zum Nothelfer
und frommen Beter. Was sich aber an Göttlichem ereignet haben soll
und die Hl. Schriften so festhalten, das gehört alles zum Geist
des Menschen, zu seiner Vorstellungskraft und innerpsychisch bedingten
Sehnsucht. Der Sohn Gottes als Konstrukt des Menschengeistes? Daß
Glaube und Erkenntnis nicht zu trennen sind, wird kaum irgendwo deutlicher
als an Weihnachten. Denn natürlich zeigt sich das Verstehen Gottes
auch in den Überlegungen unserer Gedanken. Wo sonst?! Aber bedeutet
dies zugleich, es sei weniger real? Die Wirklichkeit und Wirkmächtigkeit
der Weihnachtsbotschaft zu festigen, haben die großen Theologen
der ersten Jahrhunderte nach Christus sich angestrengt. Gott und Mensch
gehören zusammen - in Gott und in uns. Und dafür steht der
Gottessohn Christus Jesus.
Irenäus von Lyon schreibt dazu: Das Wort Gottes und der Sohn ist
aus grenzenloser Liebe geworden, was wir sind, um uns zu dem zu machen,
was er ist.
Tertullian beschreibt die Vergöttlichung des Menschen so, daß
wir Söhne im Sohn werden.
Ebenso Cyprian von Kartago: Der Sohn Gottes ist Mensch geworden, um
uns zu Söhnen Gottes zu machen.
Solche steilen Formulierungen bringen wir kaum zuwege heutzutage. Aber
daß die Geburt Gottes in unser Fleisch mein Leben bestimmen und
nachhaltig verändern will, das verstehen auch Sie und ich. Amen.
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