|
Predigt
zu zu Mt 21, 1-11 beim ökumenischen Gottesdienst am Palmsonntag,
den 16.3.2008 (Eberhardsgemeinde - St. Michaelsgemeinde) (Beate Schröder)
Die Gnade unseres Herrn Jesus
Christus
Und die Liebe Gottes
Und die Gemeinschaft des heiligen Geistes
Sei mit uns allen. Amen
Liebe Festtagsgemeinde!
Palmsonntag - wir haben gehört vom Einzug Jesu in Jerusalem
Viele Menschen waren damals in Jerusalem.
Von überall her sind sie gekommen, um hier das Passah-Fest zu feiern.
Sie sind gekommen, um zu feiern, dass Gott sie aus der Sklaverei in
Ägypten befreit hat.
Sie erinnern sich an das salzige Wasser der Tränen, die damals
in der Unterdrückung vergossen wurden.
Sie essen das ungesäuerte Brot, das in der Nacht des Aufbruchs
in Eile gebacken wurde.
Sie feiern diese Befreiung, als seien sie selbst dabei gewesen, obwohl
seither etwa 1300 Jahre vergangen sind.
Vergangenheit und Gegenwart verschmelzen ineinander.
Alle Erinnerungen an selber erfahrene Unterdrückung sind in dieser
Feier gegenwärtig. Jetzt sind es die Römer, die die Menschen
in Israel bedrücken.
Und wie Gott einst Mose sandte, um das Volk Israel aus der Sklaverei
in Ägypten zu führen, so warten sie jetzt auf den, der sie
von der römischen Fremdherrschaft befreien wird.
Voll Erwartung, voll Sehnsucht, voller Hoffnung bereiten sich die Menschen
in Jerusalem auf das Passahfest vor.
Da kommt Er.
Er reist nicht wie sonst, unauffällig, bescheiden, zu Fuß.
Nein, er reitet auf einem Esel, und die Jünger schreiten neben
ihm her.
Und jeder und jede, die das sieht, weiß, was das zu bedeuten hat.
Jeder und jede denkt an die Worte des Propheten Sacharja:
"Du, Tochter Zion, freue dich sehr,
und du Tochter Jerusalem, jauchze!
Siehe, dein König kommt zu dir,
ein Gerechter und ein Helfer,
arm und reitet auf einem Esel, auf einem Füllin der Eselin.
Und ich, spricht Gott der Herr, will die Streitwagen wegtun aus Ephraim,
und die Rosse aus Jerusalem,
und der Kriegsbogen soll zerbrochen werden." (Sach 9,9-10)
Die Menschen in Jerusalem verstehen die unausgesprochene Botschaft Jesu:
Der Prophet aus Nazareth kommt als Gerechter und Helfer, vielleicht
sogar als König.
Er, der Brot an 5000 Menschen verteilte, kommt zum Fest der ungesäuerten
Brote.
Er, der Menschen von Krankheit und Schmerz befreite, kommt zum Fest
der Befreiung.
Voller Sehnsucht rufen die Menschen ihm zu: "Hosianna!" Das
heißt: "O Herr, hilf!"
"Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!"
Und sie breiten Kleider aus und streuen Zweige auf seinen Weg.
Liebe Gemeinde!
Wie bitter wurden diese Menschen enttäuscht.
Wir wissen, was nach diesem Tag geschah.
Wir wissen, dass Jesus die Römer nicht davon jagte, sondern sich
von ihnen gefangen nehmen ließ.
Wir wissen, dass seine Tage in Jerusalem gezählt waren. Nur noch
eine kurze Zeit hat er dort öffentlich gewirkt, dann wurde er verhaftet,
gefoltert und gekreuzigt, wie so viele andere, die sich gegen die Herrschaft
der Römer aufgelehnt hatten...
Wusste Jesus nicht, was mit ihm in Jerusalem geschehen würde?
Dreimal hatte er doch seine Jünger beiseite genommen und sie darauf
vorbereitet und ihnen gesagt:
"Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände
der Menschen und sie werden ihn töten..." (Mt 17,22f)
Liebe Gemeinde!
Warum weckt Jesus solche falschen Hoffnungen?
Warum reitet er so demonstrativ in Jerusalem ein, anstatt sich still
und heimlich unter das Volk zu mischen?
Er weiß doch, wie angespannt die Situation gerade kurz vor dem
Passahfest ist.
Glaubt er seinen eigenen Worten nicht?
Hofft er vielleicht doch noch,
- dass alles ganz anders kommen wird?
- dass die Menschen ihn als Messias, als Sohn Gottes, als König
Israels erkennen werden?
- dass er die Erwartungen und Hoffnungen der Menschen doch noch erfüllen
kann?
Zunächst sieht es ja ganz danach aus.
- Er geht in den Tempel und wirft die Tische der Geldwechsler um und
die Stände der Taubenhändler und die Käufer und Verkäufer
schmeißt er raus aus dem Gotteshaus.
- Die Blinden und Lahmen der Stadt kommen zu ihm und er heilt sie.
Und zu seinen Jüngern sagt er das Wort, das uns dieses Jahr als
Jahreslosung gegeben ist: "Ich lebe, und ihr sollt auch leben."
voller Hoffnung und Zunversicht.
Doch dann wieder sehen wir ihn weinen über Jerusalem. Er sieht
den Untergang des Tempels und der ganzen Stadt voraus - und er kann
scheinbar nichts dagegen tun.
Liebe Gemeinde!
Jesus läuft nicht weg vor den politischen Konsequenzen seines Wirkens.
Er sieht die Gefahr und stellt sich ihr. Er weicht den Konsequenzen
seiner Taten nicht aus. Er dankt nicht ab, geht nicht ins Exil, schluckt
keine Giftpille.
Jesus lässt sich verhaften und verurteilen für das, was er
tut.
Damit entzieht er sich nicht seinen Häschern, aber er entzieht
sich denen, die ihn gerne zum König gemacht hätten.
Er entzieht sich der Gewalt, die man ihm antäte, würde man
ihn zum Volkshelden erheben.
Jesus bewahrt sich in seiner Unverfügbarkeit.
Er setzt ein bis heute dauerndes Zeichen gegen das, was man aus ihm
machen wollte:
- den arischen Helden im Nationalsozialismus,
- den Revoluzzer in den siebziger Jahren
- oder den Vertreter bürgerlicher Werte im Volkskirchentum.
Jesus überlässt sich nicht den Menschen. Er überlässt
sich Gott. Dafür braucht er die Öffentlichkeit. Das ist die
Kraft seines Königtums. Bewusst lässt er die Frage des Pilatus
offen: Bist du der König der Juden?
Sein Königtum trägt keine Insignien menschlicher Macht, weder
herrschender noch subversiver.
Er braucht sein Königtum allein, um auf den hinzuweisen,
- der wahrhaft König war - schon damals bevor Israel nach einem
menschlichen König verlangte,
- der König ist, auch in unserer Welt,
- und der König bleiben wird:
Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erden.
Offenbar wird das an Ostern.
Dann werden alle Zweifel ausgeräumt.
Dann zeigt sich dieser wahre König als Herrscher über Leben
und Tod.
Liebe Gemeinde!
Was bedeutet dieser Weg Jesu für uns und unsere Zeit?
Was bedeutet er für unsere Nachfolge?
Was bedeutet er für unsere enttäuschten Hoffnungen und Erwartungen?
- Die Hoffnung auf mehr Gerechtigkeit
in der Verteilung der Güter?
Die Schere zwischen arm und reich wird größer statt kleiner.
Die Angst wächst, selber vom wirtschaftlichen Abstieg bedroht zu
sein.
- Die Hoffnung auf Frieden?
Ständig wird von neuen kriegerischen Auseinandersetzungen berichtet.
Wie wird China mit den Aufständen im Tibet umgehen.
- Die Hoffnung auf einen ökologischen Umgang mit den natürlichen
Ressourcen.
Noch immer werden Atomkraftwerke gebaut und als saubere Energielieferanten
verkauft.
Was bedeutet dieser Weg Jesu im Blick auf enttäuschte Hoffnungen
in unserem persönlichen Leben?
- auf eine Ehe, die so glücklich und voller Hoffnungen begonnen
hat und nun zerbrochen ist.
- auf selbst verwaltete Projekte, die von einer Gruppe mit viel Elan
und Selbstausbeutung begonnen wurden. Und die nun von heillos Zerstrittenen
zu einem glimpflichen Ende gebracht werden.
- auf eine erhoffte Karrieren, die in der Arbeitslosigkeit endet.
Liebe Gemeinde!
Wenn wir Jesus nachfolgen wollen, dann brauchen wir nicht weg zu schauen.
Jesu Weg ermutigt, geistlose und menschenverachtende Strukturen zu erkennen
und doch nicht an ihnen zu verzweifeln.
Wenn wir Jesus nachfolgen, können wir auch auf unsere eigenen Fehler
sehen. Er ermutigt uns, mit dem eigenen Scheitern zu leben. Auch sein
Weg war nicht gradlinig. IM garten Gethsemane verließ auch ihn
der Mut und die Sicherheit, dass dieser Weg wirklich der richtige ist.
"Lass diesen kelch an mir vorüber gehen".
Mit dem eigenen Scheitern leben - Das ist schwer. Das geht nur, wenn
ich weiß: da ist jemand, der hält trotzdem an mir fest. Dann
kann ich mir eingestehen, dass ich Fehler gemacht habe, als einzelne,
als Gruppe, als Partei, als Bewegung. Die Bibel nennt das Umkehr.
In Psalm 51 heißt es: "Das Opfer, das Gott gefällt,
ist ein zerbrochener Geist und ein zerschlagenes Herz."
Bei Gott zählt das Leben nicht nur in seiner Irrtumsfreiheit, Reinheit
und in seinem Gelingen. Ich brauche mir und dem anderen nicht dauernd
zu beweisen, dass ich recht hatte. Ich brauche nicht auf mir zu bestehen.
Liebe Gemeinde!
Wenn wir dieses Spiel des Rechthabens durchbrechen, dann werden wir
frei für die Zukunft, frei für neues Leben und für neue
Hoffnung.
Der Tübinger Philosoph Ernst Bloch sagt das in seinen Worten:
"Hoffnung muss schlechterdings enttäuschbar sein, weil sie
nach vornhin offen ist, in Künftiges hin, und nicht bereits Vorhandenes
meint."
"Ich lebe, und ihr sollt auch leben." ruft Jesus uns zu
Jesus lebt - trotz seiner Kreuzigung. Das ist die wunderbare Botschaft
von Ostern.
"Und ihr sollt auch leben!" mit all euren enttäuschten
Hoffnungen, mit all euren Fehlern und eurem Versagen. Auch das gehört
zur Osterbotschaft.
"Und ihr sollt auch leben!" - als Salz der Erde, als Licht
der Welt, gerade angesichts geistloser Zustände.
Nicht ein Überleben wird uns hier verheißen,
sondern ein Leben in Fülle,
ein Leben, das nicht ins Gelingen verliebt ist, sondern vom Scheitern
weiß
ein Leben im Licht von Ostern, ein Leben mit Gott. Amen
|