Predigten

 

Predigt am Himmelfahrtstag (1. Mai 2008) zu Eph 1, 20-23 (Beate Schröder)

Himmelfahrt -
ein Grund zur Freude?

Liebe Gemeinde!
Himmelfahrt - was für ein seltsamer Festtag!
Jesus hat seine Jüngerinnen und Jünger endgültig verlassen.
Er hat die Welt verlassen, in der auch wir leben.
Hat er auch uns verlassen?
Im Lukas-Evangelium, das wir eben gehört haben, heißt es: "Und als er von ihnen gegangen war, kehrten die Jünger zurück nach Jerusalem mit großer Freude."
Warum ist die Himmelfahrt Jesu ein Grund zur Freude?
Ich habe das lange nicht verstanden. Worüber freuen sich die Jünger? Jesus lässt sie allein zurück - ein zweites Mal und jetzt endgültig.
Das erste Mal verließ er sie, als er am Kreuz getötet wurde und starb. Todtraurig waren die Freunde und Freundinnen Jesu zurückgeblieben. Dann entdeckten sie das leere Grab. Der Auferstandene begegnete ihnen. Die Freude war groß: Jesus von Nazareth war wieder unter ihnen.
Und jetzt? Jetzt ist er endgültig fort und ist bis heute nicht wieder gekommen. Wieso freuen sich die Jünger?
Wir haben in der Schriftlesung die Schilderung der Himmelfahrt aus dem Lukas-Evangelium gehört. In der Apostelgeschichte wird sie noch einmal erzählt. Diese Erzählung ist mir sehr viel näher. Es wird erzählt, wie die Jünger fassungslos da stehen und gen Himmel starren, dem verschwundenen Jesus hinterher.
Erst zwei Engel in weißen Gewändern können sie aus dieser Erstarrung lösen. Die sagen: "Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und starrt zum Himmel? Dieser Jesus wird wiederkommen wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen."
Es gibt mittelalterliche Buchmalereien, in denen diese Szene dargestellt ist. Man sieht die Gruppe der Jünger da stehen, den Blick nach oben gewandt - erschreckt, verwundert... Und am oberen Bildrand sieht man gerade noch den Saum des Gewandes und die Füße des entschwindenden Jesus.
"Alles hat Gott unter seine Füße getan." So heißt es in einem Hymnus aus dem Epheserbrief. Ein Hymnus, der die Macht Gottes besingt, mit der er Jesus Christus eingesetzt hat zu seiner Rechten im Himmel. Dieser Lobgesang, der uns heute als Predigttext gegeben ist, kann uns vielleicht die Freude der Jüngerinnen und Jünger erklären, von der das Lukas-Evangelium berichtet.

Ich lese aus dem 1. Kapitel des Epheserbriefes:
"Durch die Macht seiner Stärke hat Gott Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel 21 über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. 22 Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, 23 welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt."

Liebe Gemeinde!
Spüren wir etwas von Gottes Macht und Stärke, mit der er Christus in den Himmel zog?
Oder stehen wir noch immer da wie die Jünger in der Apostelgeschichte, starren in den Himmel und können nicht fassen, was da geschehen ist?
Der Hymnus aus dem Epheserbrief zeigt: Es geht bei der Himmelfahrt Christi nicht allein um den Wechsel eines Ortes. Es geht um Raum und Zeit. Und es geht um Macht.
"Durch die Macht seiner Stärke hat Gott Christus eingesetzt über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft..."

Der weltlichen Macht und Herrschaft wird die Macht und Stärke Gottes gegenüber gestellt.
Medien, Zeitungen, Funk und Fernsehen, lenken unsere Aufmerksamkeit tagtäglich auf die Zentren politischer Macht in unserer Welt, auf Berlin, Washington oder Brüssel, und zunehmend auch auf die Zentren wirtschaftlicher Macht, auf die Börsen in Frankfurt, London, New York und Tokio.
Viele Menschen halten den Atem an, wenn Firmen ihren Standort aufgeben und Arbeitslosigkeit droht. Denken wir nur an den Fall von Nokia.
In der Bankenkrise wurde jeden Tag ängstlich auf die neuesten Nachrichten der Börse geschaut. Sie scheint manchmal ein Eigenleben zu haben.
Wir haben allerdings auch die weltlichen Gegenmächte zu diesen Zentren der Macht erlebt, als am 11. September 2001 in New York der Anschlag auf das World Trade Centre verübt wurde. Das war und das ist beängstigend.
Angst bestimmt unsere Welt, nicht nur dort, wo Kriege und Katastrophen das Leben von Menschen bedrohen.
Jesus kennt die Angst der Menschen. Er selber hat die brutale Gewalt, zu der Menschen fähig sind, erlebt. In Todesangst hat er zu seinem Vater im Garten Gethsemane gebetet: "Lass diesen Kelch an mir vorüber gehen".
Neulich sprach ich mit Kindern der Grundschule über die Angst, die Jesus im Garten Gethsemane überfiel. Ich fragte sie, in welchen Situationen sie schon einmal große Angst verspürt haben. Nicht nur eine Schülerin sagte: Sie bekomme Angst, wenn sie einen grausamen Film anschauen würde.

Liebe Gemeinde!
In dieser Welt werden mit der Angst Geschäfte gemacht.
Mit brutalen Filmen, die den besondern Kick haben, wird die Einschaltquote hoch getrieben. Horrorfilme als Mutprobe. Was macht das mit unseren Kindern? Sie ängstigen sich nicht vor realen Gefahren, sondern vor einer virtuellen Welt, die in ihre Seele eindringt.
Die Angst vor Arbeitslosigkeit lässt Arbeitnehmer niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen akzeptieren.
Mit der Angst vor Terroranschlägen werden Gesetze gerechtfertigt, die die Persönlichkeitsrechte einschränken.
"In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden." (Joh 16,33) sagt Jesus in seiner Abschiedsrede zu den Jüngern.
"Ich habe die Welt überwunden..."
Ja, er hat die Welt überwunden, als er eingesetzt wurde zu Gottes Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft
Der Himmel nicht als Raum des unendlichen Alls, den die Astronauten bereisen und in dem weder Gott noch Jesus zu finden sind. Der Himmel vielmehr als Raum und Zeit, die dem Zugriff der Menschen entzogen ist, Raum und Zeit, in der Gott allein herrscht , nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen.
ER sitzt zur Rechten Gottes.
Er ist dem weltlichen Machtspiel enthoben.
Durch seine Auferweckung ist der Tod besiegt.
Durch seine Erhöhung sind alle menschlichen Mächte und Gewalten in Frage gestellt.
Er wirkt dort und hier, dort im Himmel und hier im irdischen Getümmel, über allen Kreaturen und in allen und außer allen Kreaturen.

Liebe Gemeinde!
Die alten Bilder zeigen uns: Durch die Himmelfahrt Jesu rücken Himmel und Erde, der Herrschaftsbereich Gottes und unsere menschliche Welt, ganz eng zusammen.
Jesus Christus wird zum Bindeglied
- zwischen Himmel und Erde,
- zwischen Zeit und Ewigkeit
- zwischen Macht und Ohnmacht.

Ohnmächtig stand er den Mächtigen seiner Zeit gegenüber.
Ohnmächtig starb er als Opfer der Mächtigen.
Gott macht diesen Ohnmächtigen mächtig.
Er macht den scheinbaren Verlierer zum Sieger,
den Armseligen zum Herrscher.
Gott kehrt das Untere nach oben und unterwirft das Oben dem Unten.
ER, Christus, sitzt zur Rechten Gottes, nicht irgendwo im All, sondern dort, wo Gott ihm Raum gegeben hat neben sich.
Dort sitzt er und bittet Gott für seine Freunde und alle Menschen. Wir leben von seiner ewigen Fürbitte. Christen glauben, dass solange er ihr Fürsprecher bleibt, sie noch keine allerletzte Not bedroht.

"Alles hat Gott unter seine Füße getan und hat ihn, Christus, gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles. Sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt."
Durch diese Fürbitte wird Christus zum Haupt der weltweiten Christenheit, der Ekklesia, der Kirche. So bekommt er eine neue Gestalt auf Erden durch uns.
Jeden Sonntag beten wir mit den Worten des apostolischen Glaubensbekenntnisses:
"Aufgefahren in den Himmel;
er sitzt zur Rechten Gottes, des Allmächtigen.
Von dort wird er kommen..."
Von dort wird er kommen... Darauf hoffen wir, auch wenn wir schon jetzt seine Gegenwart spüren.
"Von dort wird er kommen zu richten die Lebenden und die Toten..."
Nicht wie die Welt richtet...
Er wird kommen mit seiner Gerechtigkeit,.
"Er wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen", sagen die Engel zu Jüngern.
Diese Hoffnung hält uns zusammen.
Diese Hoffnung gibt uns den Mut, immer wieder neu anzufangen, wenn wir Mist gebaut haben oder nicht mehr weiter wissen.
Eine Hoffnung, die eine gewisse Unruhe in die Gemeinde bringt, und zugleich eine große Gelassenheit.
Eine Unruhe, weil wir wissen: In dieser Welt ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Wir nehmen sie nicht so hin, wie sie ist. Wir sind nicht bereit, uns mit den gegebenen Zuständen abzufinden, sondern setzen uns ein für eine gerechte Verteilung der Arbeit und für einen Lohn, von dem man leben kann - zusammen mit Arbeitenden und Arbeitslosen, die heute am 1. Mai auf die Straße gehen.
Zugleich schenkt uns diese Hoffnung eine große Gelassenheit. Eine Gelassenheit, die dadurch entsteht, das wir auf den vertrauen, der Himmel und Erde gemacht hat, auf den, der da war und der da ist und der da sein wird. Dieses Vertrauen ist in dem Psalm, den wir vorhin gebetet haben, wunderbar beschrieben:
"Herr, auf dich traue ich.
Lass mich nimmermehr zuschanden werden,
errette mich durch deine Gerechtigkeit.
Du bist mein Fels und meine Burg.
Und um deines Namens willen
Wollest du mich leiten und führen."

Das Vertrauen auf Gott nimmt uns die Angst in dieser Welt. Dieses Vertrauen schenkt uns Geborgenheit und Freude.
Bevor Jesus seine Jünger verließ, hob er die Hände auf und segnete sie.
Und während er sie segnete, verließ er sie. Sie aber kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude."
Liebe Gemeinde!
Ich kann diese Freude jetzt nachvollziehen. Jesus hat die Jünger verlassen, aber er hat sie nicht allein gelassen. Durch seinen Segen ist etwas bei ihnen geblieben. Nicht zuletzt die Hoffnung auf seine Wiederkehr und seine Gerechtigkeit.
So ist er heute auch bei uns, wenn wir um seinen Segen bitten. Himmel und Erde sind sich dann ganz nahe, wie Bruder und Schwester.
Da ist kein Zwischenraum, kein Unterschied, keine Grenze. Wie im Himmel...
So sagt es Hanns-Dieter Hüsch
Mit seinen Worten zu Himmelfahrt möchte ich beten:

"Manchmal atme ich schwer
und stolpere den Weg entlang und befürchte:
Du hast die Erde verlassen.
Doch ich bin töricht,
denn dein ist die Welt,
dein sind Himmel und Erde.
Da ist kein Zwischenraum, kein Unterschied, keine Grenze.
Und wenn wir gehen,
gehen wir zum Himmel.
Und wenn wir kommen,
kommen wir zur Erde.
Und wenn wir auf der Erde straucheln,
hebst du uns auf in den Himmel,
denn Himmel und Erde sind Bruder und Schwester.
Ich bin frohgemut, dass ich in deinem All zu Hause bin.
Dein Haus, deine Welt, Himmel und Erde
Du hältst alle und alles zusammen."
Amen

 

 

 

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