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Predigt
zum Ökumenischen Gottesdienst in der Kirch am Eck / Eberhard (Gen
18, 20-33) 25. / 26.10.2008 (Martin Günter)
"Gott sei Dank gibt
es das nicht, was sich 80% aller Katholiken unter Gott vorstellen!"
Liebe Gemeinde,
ich weiß nicht, wie es Ihnen mit diesem Ausspruch des katholischen
Theologen Karl Rahner geht... Als ich ihn zum ersten Mal gelesen habe,
musste ich zunächst schmunzeln, da mir natürlich sofort einige
mögliche Gottesbilder eingefallen sind, die Karl Rahner da im Blick
gehabt haben könnte: Gott, der Buchhalter, der im goldenen und
im schwarzen Buch seine Listen mit Positivem und Negativem über
jeden Menschen führt; Gott der strenge Richter, der zusammenrechnet
und jedem nach seinem Tun und Lassen vergilt; Gott, der immer alles
sieht und hört - ein Gott, der für moralinsaures Pädagogisieren
missbraucht wurde; Gott, der Wundermann, der - wie ein Automat - unsere
Bitten zu erfüllen hat, wenn wir uns wohlgefällig verhalten
und unsere Wünsche zu ihm bringen... Solche oder ähnliche
Gottesbilder wird Rahner wahrscheinlich im Blick gehabt haben - Gottesbilder,
die sich meiner Vermutung nach nicht wesentlich von denen evangelischer
Christen unterscheiden und sicher in allen Kirchen anzutreffen sind.
Deshalb könnte man dieses Zitat auch etwas umformulieren und erweitern:
"Gott sei Dank gibt es das nicht, was sich viele Christen in unseren
Kirchen unter Gott vorstellen"...
Zugegeben, ein provozierendes
Zitat, das herausfordert und damit zu Stellungnahme und Nachdenken anregt.
Tatsächlich spricht es - jenseits aller Polemik - ein ganz grundlegendes
Problem in unserem Glauben an: Wir alle wissen, dass wir uns eigentlich
überhaupt kein Bild von Gott machen dürfen; wir alle kennen
ja das alttestamentliche Gebot "Du sollst Dir kein Bildnis machen
von Gott"... Andererseits merken wir aber auch, dass wir doch gar
nicht anders können, als in Bildern von Gott zu denken und zu reden,
dass es uns gar nicht anders möglich ist, als uns ihm bildhaft
anzunähern. Oder können Sie sich vorstellen, zu einem abstrakten
Unbekannten zu beten, etwas völlig Unkonkretes zu verehren oder
sich gar ihm anzuvertrauen? Wir müssen uns etwas vorstellen, wenn
wir Beziehung aufnehmen wollen - und das können wir eben nur in
menschlichen Kategorien. Wenn Gott tatsächlich nur der ganz Andere
wäre - welche Verbindung gäbe es dann zwischen ihm und uns,
was hätten wir dann mit ihm zu tun?
Dieses Dilemma zwischen Bilderverbot
und Bildernotwendigkeit haben Glaubende zu allen Zeiten erlebt - und
auch die Bibel ist voll von verschiedenen Gottesbildern, in denen Menschen
ihre Erfahrungen mit Gott ausgedrückt und weitergegeben haben.
In Bildern haben sie zum Ausdruck gebracht, wie sie Gott erlebt haben,
wie er sich ihnen gezeigt hat. Wie sonst hätte sich Gott uns offenbaren
sollen, wenn nicht in menschlichen Kategorien? Vor diesem Hintergrund
ist für uns Christen natürlich seine Menschwerdung in Jesus
Christus eines der zentralsten Ereignisse der Heilsgeschichte. Aber
trotzdem: Die Spannung zwischen unseren Bildern und seinem je größeren
Wesen bleibt...
Auch in der alttestamentlichen
Abrahamsgeschichte begegnen uns ganz verschiedene Gottesbilder: Der
barmherzige und gnädige Gott, der sich aus freien Stücken
Abraham zuwendet und ihm Nachkommen, Land und eine große Zukunft
als Stammvater eines Volkes verheißt - ein Gott, der seinen Bund
mit uns Menschen schließt, der treu zu seinen Verheißungen
steht... Der fordernde Gott, der Abraham zum Aufbruch drängt und
ihn herausruft aus allen bisherigen Sicherheiten - ein Gott, der absolutes
Vertrauen in ihn selbst und in die Wahrheit seiner Zusagen einfordert...
Der gerechte Gott, der die Rechtschaffenen nicht wie die Ruchlosen in
Sodom und Gomorrha gleichermaßen hinwegraffen will - ein menschlicher
Gott, der Argumenten zugänglich ist, der mit sich rechten lässt
und nach unseren Gerechtigkeitsmaßstäben reagiert... Aber
auch der zürnende, unerbittlich strafende Gott, der die beiden
Städte dann am Ende doch vernichtet - ein Richter, der sein Feuerurteil
ohne weitere Gnade vollzieht... Der unbegreifliche, unbekannte Gott,
der in der Gestalt von drei Männern zu Abraham und seiner Frau
Sarah kommt - ein Gott, der sich in seinem Wesen nicht ergründen
lässt... Und schließlich auch der ferne, uns fremde Gott
- ein Gott, der Abrahams Glauben mit der Opferung seines Sohnes Isaak
auf eine unmenschliche, harte Probe stellt...
Eine Fülle von Gottesbildern
allein schon in einem biblischen Erzählstrang; Bilder, die uns
auf eine Gratwanderung zwischen Nähe und Distanz, zwischen Nachvollziehbarkeit
und Unbegreifbarkeit schicken, die uns Gottes Zuwendung in seiner gleichzeitigen
Andersartigkeit vermitteln. Im Grunde können wir keine Aussage
über Gott machen, ohne das jeweils Andere mitzudenken - immer in
dem Bewusstsein, dass Gott größer und umfassender als all
unsere Bilder ist. Deshalb meinte der anfangs zitierte Karl Rahner einmal,
dass ein Satz, der mit "Gott ist..." beginne, im Grunde schon
falsch sein müsse... Auch wenn es im Neuen Testament heißt:
"Gott ist die Liebe" (1 Joh 4,8), und auch wenn wir ihm in
diesem Bild am ehesten nahe kommen - es bleibt auch die unbekannte,
unverfügbare, für uns dunkle Seite Gottes, die uns Ehrfurcht
und Demut abverlangt. Gerade weil er für uns nicht greifbar, nicht
begreifbar ist und all unsere Bilder sprengt, können wir aus eigener
Kraft diese Spannungen gedanklich nicht aufheben, können wir die
Bilder in ihrer Vielfalt nicht synchronisieren.
So sehr die gedankliche Bemühung,
so sehr der Versuch des Erfassens und Verstehens für unseren Glauben
notwendig sind, - unser Glaube ist letztlich keine Frage des Intellekts,
sondern des Vertrauens, der Beziehung. Glauben heißt für
mich: In und aus einer lebendigen Beziehung mit Gott heraus zu leben.
Und wie in jeder lebendigen Beziehung kann ich dabei nicht erwarten,
den Anderen erst voll und ganz zu verstehen, um mich ihm dann anzuvertrauen.
Was wäre das für eine Beziehung, in der einer vom anderen
zu wissen meinte, wer und wie er sei? Was wäre das für eine
Beziehung, in der einer vom anderen dächte, ihn letztlich durchschaut
zu haben? Es wäre das Ende jeder Beziehung.
Beziehung ist und bleibt immer ein Wagnis, so wie unser Glaube auch
immer ein Wagnis ist und bleibt. Wo könnte uns das deutlicher werden
als an der Figur des Abraham, der alle Sicherheiten aufgibt, der Gott
vertraut und auf seinen Ruf hin loszieht in eine ungewisse Zukunft?
Wo könnte uns das Wagnis des Glaubens deutlicher werden als an
Abraham, der die Tragfähigkeit seiner Gottesbeziehung einsetzt,
um mit Gott über die Zukunft von Sodom und Gomorrha zu rechten?
"Ich habe es nun einmal unternommen, mit meinem Herrn zu reden,
obwohl ich Staub und Asche bin" - ich denke, Abraham war sich des
Risikos seines Unterfangens, für Sodom und Gomorrha zu bitten,
sehr bewusst...
Liebe Gemeinde,
wer die Bibel liest, dem tritt eine Fülle verschiedener Gottesbilder
entgegen. Es sind Bilder, in denen Menschen ihre Erfahrungen mit Gott
ausgedrückt haben - Bilder, die auch uns heute einladen wollen,
zu glauben; es sind Bilder, die uns anstiften wollen, in und aus einer
lebendigen Beziehung mit Gott heraus zu leben, d.h. zu loben und danken,
ihn zu bitten - aber auch vor ihm zu klagen, mit ihm zu rechten und
zu ringen...
Welche Bilder können uns helfen, uns ihm anzuvertrauen?
Wo und in welchen Situationen wagen wir es, unsere Gottesbeziehung zu
leben?
Dazu will uns die biblische
Überlieferung immer wieder neu einladen. Gott offenbart sich mitten
im Leben, in menschlichen Erlebnissen und Erfahrungen mit ihm. Gott
sei Dank gibt es diese erfahrenen, durchlebten und manchmal auch durchlittenen
Gottesbilder in unserer Bibel - auch wenn Gott selbst stets größer
ist als sie. Amen.
Fürbitten zum Ökumenischen Gottesdienst am 25. / 26.10.2008
Gott, unser Vater, immer
wieder hast Du Dich uns Menschen zugewandt; nicht wir haben Dich erkannt,
sondern Du hast Dich uns zu erkennen gegeben und Beziehung gestiftet.
Im Vertrauen auf Deine Zugewandtheit bitten wir Dich:
Für alle, die um den
rechten Glauben an Dich ringen: Lass sie in ihrem Leben immer wieder
neu Deine heilschaffende Gegenwart erfahren.
Liedruf
Für alle, denen es schwer
fällt, zu vertrauen: Schenke ihnen die Kraft, Vertrauen zu wagen,
und Beziehungen, die tragfähig sind.
Liedruf
Für alle, die an Leib
oder Seele krank sind: Gib ihnen jeden Tag neu die Kraft, die sie brauchen,
und heile Du, was möglich ist.
Liedruf
Für alle, die ohne Arbeit
sind: Lass sie nicht in Minderwertigkeitsgefühlen versinken und
öffne ihnen neue Lebensmöglichkeiten.
Liedruf
Für alle, die sich für
Gerechtigkeit und Frieden einsetzen: Schenke ihnen Beharrlichkeit trotz
aller Rückschläge und lass ihr Bemühen gelingen.
Liedruf
Für unsere Kirchen:
Bewahre sie vor innerer Erstarrung; lass uns Christen die Wege erkennen,
die zu wahrhaftiger Einheit führen und gib uns den Mut, sie zu
gehen.
Liedruf
Gott, unser Vater, in vielen
Erfahrungen hast Du Dich uns Menschen offenbart; Du zeigst Dich uns
auch heute, mitten im Leben. Dafür danken wir Dir, heute und alle
Tage. Amen.
Gen 18, 20-33:
20 Der Herr sprach: Das
Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, ja, das ist laut geworden,
und ihre Sünde, ja, die ist schwer.
21 Ich will hinabgehen und sehen, ob ihr Tun wirklich dem Klagegeschrei
entspricht, das zu mir gedrungen ist. Ich will es wissen.
22 Die Männer wandten sich von dort ab und gingen auf Sodom zu.
Abraham aber stand noch immer vor dem Herrn.
23 Er trat näher und sagte: Willst du auch den Gerechten mit den
Ruchlosen wegraffen?
24 Vielleicht gibt es fünfzig Gerechte in der Stadt: Willst du
auch sie wegraffen und nicht doch dem Ort vergeben wegen der fünfzig
Gerechten dort?
25 Das kannst du doch nicht tun, die Gerechten zusammen mit den Ruchlosen
umbringen. Dann ginge es ja dem Gerechten genauso wie dem Ruchlosen.
Das kannst du doch nicht tun. Sollte sich der Richter über die
ganze Erde nicht an das Recht halten?
26 Da sprach der Herr: Wenn ich in Sodom, in der Stadt, fünfzig
Gerechte finde, werde ich ihretwegen dem ganzen Ort vergeben.
27 Abraham antwortete und sprach: Ich habe es nun einmal unternommen,
mit meinem Herrn zu reden, obwohl ich Staub und Asche bin.
28 Vielleicht fehlen an den fünfzig Gerechten fünf. Wirst
du wegen der fünf die ganze Stadt vernichten? Nein, sagte er, ich
werde sie nicht vernichten, wenn ich dort fünfundvierzig finde.
29 Er fuhr fort, zu ihm zu reden: Vielleicht finden sich dort nur vierzig.
Da sprach er: Ich werde es der vierzig wegen nicht tun.
30 Und weiter sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich weiterrede.
Vielleicht finden sich dort nur dreißig. Er entgegnete: Ich werde
es nicht tun, wenn ich dort dreißig finde.
31 Darauf sagte er: Ich habe es nun einmal unternommen, mit meinem Herrn
zu reden. Vielleicht finden sich dort nur zwanzig. Er antwortete: Ich
werde sie um der zwanzig willen nicht vernichten.
32 Und nochmals sagte er: Mein Herr zürne nicht, wenn ich nur noch
einmal das Wort ergreife. Vielleicht finden sich dort nur zehn. Und
wiederum sprach er: Ich werde sie um der zehn willen nicht vernichten.
33 Nachdem der Herr das Gespräch mit Abraham beendet hatte, ging
er weg und Abraham kehrte heim.
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