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13.
Sonntag nach Trinitatis, 17.8.08
Predigt:
1. Kor 3, 9-15 (Beate Schröder)
Der Apostel Paulus schreibt
an die christliche Gemeinde in Korinth:
"9 Wir sind Gottes
Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. 10 Ich nach Gottes
Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister;
ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.
11 Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher
ist Jesus Christus. 12 Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber,
Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, 13 so wird das Werk eines jeden offenbar
werden.
14 Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er
Lohn empfangen. 15 Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden
leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer
hindurch. 16 Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist
Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird
Gott verderben, denn der Tempel Gottes ist heilig; der seid ihr."
(1. Kor 3, 9-17)
Liebe Gemeinde!
Wer glaubt am meisten?
Wer weiß es am besten?
Wer ist der Klügste, wer die Wichtigste?
Eitelkeiten, Besserwisserei an allen Ecken und Enden. Streit ist in
der Gemeinde von Korinth.
Die einen folgen dem Apollos, einem charismatischen, rhetorisch begabten
und theologisch gebildeten Mann aus Alexandrien.
Andere folgen dem Apostel Paulus, der die christliche Gemeinde in Korinth
gegründet hat. Fraktionen tun sich auf, Gruppen und ihre Glaubenshäuptlinge
konkurrieren. Das ist die Situation, die Paulus vor Augen hat, als er
seinen Brief an die Korinther schreibt (vgl. die Verse 5-8).
Streit, Konkurrenz, Wichtigtuerei - wir kennen das auch heute - in unseren
Gemeinden und Kirchen.
Da sind welche, die halten sich für frömmer als die anderen,
weil sie den persönlichen Glauben wichtig nehmen.
Andere halten sich für politischer oder fortschrittlicher, weil
sie besonders nach den Nöten der Menschen in der Gesellschaft fragen.
Wieder andere halten das zeitgemäße Singen und Beten für
das Wichtigste.
Und jede Gruppe meint, sie trüge am meisten zum Heil der Kirche
bei.
Paulus holt die Streitenden
von ihren unterschiedlichen Podesten auf den gemeinsamen Boden zurück.
"Wir alle sind Gottes Mitarbeiter", schreibt er an die Gemeinde
in Korinth.
Die einen pflanzen, die anderen gießen - beides ist wichtig: der
persönliche Glaube und das Engagement für Andere. Das Gedeihen
aber gibt Gott. Wir sind seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit
unterschiedlichen Gaben und unterschiedlichen Aufgaben.
Das sieht man ja auch bei
uns in der Eberhardsgemeinde: Die einen sitzen an der Orgel, wie Herr
Widmann heute, die anderen stehen auf der Kanzel, und wieder andere
machen Mesnerdienst oder besuchen Gemeindeglieder.
Gott hat das Fundament, den Grund gelegt, auf dem wir pflanzen und bauen.
Jeder und jede an ihrem Ort, innerhalb der Gemeinde und auch im sonstigen
Alltag.
"Einen andern Grund
kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus."
Das ist der entscheidende Satz in diesem Abschnitt des Paulus-Briefes.
Das Fundament ist wichtig für den Erfolg eines Bauwerkes. Wenn
das Fundament ins Rutschen kommt, dann wankt das ganze Haus, egal ob
es aus Gold, Holz oder Stroh gebaut ist.
Und das gilt auch im übertragenen
Sinn, in dem Paulus es verwendet: Mir ist der Boden unter den Füßen
weggerutscht, sagt jemand, dem etwas Schreckliches widerfahren ist.
Er findet keinen Halt mehr.
Das, was ihm bisher selbstverständlich war, gerät ins Wanken.
Es hält nicht mehr.
Vielen Menschen in Südossetien und Georgien wird es jetzt so gehen.
Ohne große Vorwarnungen sind sie verwickelt in einen Krieg. Häuser
sind zerstört, Verwandte oder Freunde getötet. So vieles ist
nicht mehr so wie es vorher war. Und niemand weiß, wie es weitergehen
soll. Das Fundament, auf dem sie bisher standen, scheint zerstört.
"Einen andern Grund
kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus."
Liebe Gemeinde!
Was bedeutet dieser Satz in unserer heutigen Welt?
Wir sehen auf das Unglück, das die Menschen im Kaukasus durch den
Krieg der letzten Tage erlebt haben - doch die Welt hält nicht
den Atem an. Der Boden gerät nicht ins Wanken.
Die Nachrichten aus dem Kaukasus erscheinen in unseren Medien neben
Berichten von den Olympischen Spielen und den neuesten Last - Minute-
Angeboten für die Ferien. "Krieg und Spiele" titelte
die Berliner Tageszeitung letzte Woche.
Das Unglück einzelner, ja ganzer Völker scheint diese Welt
nicht zu erschüttern. Im Gegenteil. Auf der Grundlage des Krieges
blühen die Geschäfte der Waffenindustrie und die Verhandlungen
um Öl- und Erdgaspreise werden unter neuen Vorraussetzungen weiter
geführt.
"Einen andern Grund
kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus."
Was bedeutet dieser Satz in meiner persönlichen Lebensgeschichte?
Was davon ist auf Fels, was auf Sand gebaut? Welche Grundmauer hat Bestand,
welche ist vom Einsturz bedroht?
Ist es das regelmäßige Einkommen, das mir Sicherheit und
Selbstbewusstsein verschafft?
Ist es die Familie, die mir Geborgenheit gibt?
Oder ruht mein Leben auf dem Freundeskreis, in dem ich Anerkennung und
Beachtung finde?
Was ist, wenn davon etwas weg bricht, ein Baustein oder mehrere? Bricht
dann meine ganze Lebenswelt zusammen?
Wird mir dann der Boden unter den Füßen weggezogen? Oder
bleibt ein Fundament stehen, auf dem ich neu aufbauen kann?
Ich erinnere mich: Als mein
Vater starb - ich war gerade 17 Jahre alt - war für mich nichts
mehr so wie vorher. Ich dachte, die Welt müsste doch einen Moment
still stehen und mit mir trauern. Stattdessen ging das Leben um mich
herum einfach weiter, als sei nichts geschehen. Ich fühlte mich
damals sehr fremd in dieser Welt.
Liebe Gemeinde!
Ob - im Bild gesprochen - die Bauwerke unseres Lebens bleiben oder einstürzen
werden, egal ob sie aus Gold, Holz oder Stroh gebaut sind, wird sich
wahrscheinlich erst später zeigen.
Aber eins weiß Paulus schon jetzt:
Auch wenn Lebenswerke einstürzen,
sei es durch gesellschaftliche oder durch persönliche Erschütterungen
- wenn der Freundeskreis sich auflöst,
Krankheiten unser Leben bestimmen,
die Familie keine Geborgenheit mehr gibt,
oder ein lieber Mensch uns verlässt -
Pause im Sprechen!
Gott bleibt uns treu.
Er will unser Retter sein.
Denn nicht das, was Menschen bauen, seien es teure Paläste oder
einfache Strohhütten, ist Gott wichtig. Die Menschen selber sind
ihm wichtig. Sie sind seine Geschöpfe:
"Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden;
er selbst aber wird gerettet werden." (V. 15), schreibt Paulus.
Wir sind von Gott erwählt durch Jesus Christus.
Das ist das Fundament, auf dem wir bauen können. Und dieses Fundament
trägt.
Wo Christus der Grund unseres Lebens ist, da sind wir nicht abhängig
von der Achtung und Wertschätzung durch andere.
Wo Christus der Grund ist, da behält auch ein verletztes und umgeknicktes
Leben seine Würde.
Der barmherzige Samariter sieht in dem Verletzten dort am Wegesrand
diese Würde. Deswegen ist es ihm nicht wichtig, welche Volkszugehörigkeit
oder welchen Glauben er hat.
Er sieht nur den Menschen, der Hilfe braucht.
Das befreit ihn von der Angst, selber unter die Räuber zu fallen.
Eine Angst, die ja nur zu verständlich ist. Sie hat vielleicht
die anderen beiden, die vorüber gingen, davon abgehalten, dem Verletzten
zu helfen.
"In der Welt habt ihr Angst", sagt Jesus, "aber
seid getrost, ich habe die Welt überwunden." (Joh 16,33)
Ja, es gibt allen Grund, in dieser Welt Angst zu haben.
Doch wo Christus der Grund ist, können wir unsere Angst überwinden.
Wo Christus der Grund ist, können wir frei auf andere Menschen
zugehen, wie der barmherzige Samariter es getan hat.
Nun gibt es aber Menschen
auch unter uns Christen, liebe Gemeinde, die meinen, ihr Fundament vor
anderen Menschen verteidigen zu müssen. Sie fürchten, dass
jede fremde Religion und Weltanschauung, jede andere Weise zu leben,
ihr Fundament ins Wanken bringen könnten
Eine solche Angst um das eigene Fundament führt leicht zum Fundamentalismus.
Leider gibt es ihn inzwischen in fast allen Religionen.
Da der Fundamentalismus auf dem Fundament der Angst gebaut ist, kann
er niemals zum Frieden unter den Menschen und Völkern beitragen.
Liebe Gemeinde!
Wo Christus der Grund ist, kann ich meine Angst überwinden.
Ich muss das, was ich als wahr erkannt habe, nicht krampfhaft gegen
andere verteidigen, womöglich sogar mit Waffengewalt. Ich habe
die Wahrheit nicht gepachtet, und auch nicht den Grund, auf dem ich
stehe. Gott ist für alle Menschen da: Welcher Religion oder politischen
Partei sie auch angehören mögen: für Fromme, für
Politische und für Liberale.
Wenn ich das weiß, kann ich mit Freude um die Wahrheit streiten
- und dabei sogar vielleicht noch etwas vom anderen lernen.
Bei der Olympiade in Peking
haben mich zwei Frauen beeindruckt, von denen die Zeitung am Montag
berichtet: eine Russin und eine Georgierin. Sie traten gegeneinander
an. Die Russin gewann Silber, die Georgierin Bronze. Nach der Medaillenverleihung
setzten sie ein Zeichen. Sie umarmten sich und winkten in die Kameras.
Die Russin sagte: "Wir lassen uns durch politische Dinge nicht
auseinander bringen." Und die Georgierin fügte hinzu: "Wir
sollten uns niemals dazu herablassen, Kriege gegeneinander zu führen.
Die Politiker sollen die Lage schnellstmöglich wieder in Ordnung
bringen. Wenn sie das nicht tun, müssen wir uns einmischen."
Es ist mutig, in einer Kriegssituation öffentlich so etwas zu sagen.
Die Sportlerinnen haben sich gegen die Politik ihrer Regierungen gestellt.
Regierungen, die zumindest zur Zeit mehr auf Gewalt setzen als auf Verhandlungen.
Das Schicksal der Menschen, die unter dem Krieg leiden, scheint ihnen
zweitrangig zu sein.
Liebe Gemeinde!
- Wenn wir zu Christus gehören
- bauen wir auf ein anderes Fundament als diese Welt.
- Wenn wir auf Christus bauen, werden andere Früchte erkennbar und
andere Werke. Nicht rollende Panzer, sondern ein sanftmütiges, friedfertiges
Miteinander.
- Da zählen nicht Werke, seien sie aus Gold, Silber, Holz oder Stroh
gebaut. Da zählen Menschen, Gottes Geschöpfe.
- Da können wir die Angst überwinden, die Mächte und Gewalten
dieser Welt uns einflößen wollen.
Auf diesem Fundament können
wir neu aufbauen, wenn der Boden unter unseren Füßen zu wanken
scheint.
Und so werden wir zu Zeugen eines Lebens, wie es Jesus von Nazareth
vorgelebt hat.
Wir werden selber zum Tempel Gottes und können andere als Tempel
Gottes erkennen und schätzen.
Denn so heißt es am Ende unseres Evangeliums: "Wisst ihr
nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?
... Und der Tempel Gottes ist heilig - und der seid ihr." Amen
Beate Schröder
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