Predigten

   
 

Die dunklen Seiten Gottes? - Fastenpredigten in St. Michael 2010

Sonntag, 21. Februar, 19 Uhr: „Da sprach der Herr zum Satan: Gut, er ist in deiner Hand“ – Das Buch Hiob. (Beate und Jörg Beyer)

So etwas wie eine Lesung aus dem Buch Hiob. Oder vielleicht auch nicht.
Da sitzen zwei zusammen. Sie kennen sich. Schon so lange. Fast von Anfang an. Seit Urzeiten. Wie in einem Drama. Herrschend. Der eine ist weit gereist. Er kennt die Schwächen der Menschen. Er kann Salz streuen in die Wunde des Schöpfers, der sie in ihrer Freiheit geschaffen hat. Doch der kennt einen. Einen Vorzeigemenschen. - Fromm - ehrlich - gottesfürchtig - verantwortungsbewusst - auf der Seite des Guten. So einer, auf den ein Schöpfer stolz sein kann. Und der Ankläger, der alles nach unten zieht? Er streut auch hier wieder sein Salz in die Wunde: "Wenn es einer so gut hat, klar, dass der brav ist. Aber was meinst Du: Der Glaube an Dich ist doch nichts wert, wenn es einem schlecht geht, wenn es etwas kostet." Und es wird gezockt, gespielt, koste es andere, was es wolle. "Probier's doch aus", meint der Schöpfer. "Du wirst sehen, ich habe recht." "Er wird dir den Rücken zudrehen, wenn es ihm schlechtgeht." "Versuche es, aber schone seinen Leib und sein Leben."

Und so bricht an einem Tag das Unheil über Hiob herein, weil zwei Mächtige ihre Spielchen treiben. Sehr ernste Spielchen. Auf Kosten von anderen. Alles verloren. Alle tot, die ihm lieb und teuer waren. Und doch: "Der Herr hat's gegeben. Der Herr genommen. Der Name des Herrn sei gelobt."

Und der eine, er hat gewonnen. Und er gibt zu: "Du hast mich dazu gebracht, dieses Spiel zu spielen, obwohl es dazu keinen Grund gab." Und der Zocker, der seine Wette verloren hat, sattelt noch eins drauf: "Der hat alles verloren, doch er ist noch gesund. Wenn sein Körper bedroht ist, dann wirst Du es sehen: Sein Glaube ist nichts wert." Und wieder macht der andere mit. Warum? Wozu? Hat er das nötig, wo er sich doch so sicher ist?

Und das Elend von Hiob wird unvorstellbar. Alles verloren, der Köper geschunden, Absturz in die tiefste Depression. Selbst die eigene Frau fordert ihn auf, Gott zu verlassen. Und das alles, weil zwei darum streiten, wer recht hat. Doch der mit den Hörnern und dem Pferdefuß irrt. Der liebe, nette ältere Herr mit dem langen weißen Bart behält recht. Und alles wird wieder gut. Happy End? Aber was für ein Preis. Und was ist das für ein Gott, der solche Spielchen mitmacht?

Herr, großer Gott. Segne unser Verstehen und unser Nicht-Verstehen. Sei mit uns unterwegs. Und lass uns Dein Wort entdecken.
AMEN

***

"Gott ist doch einfach assi, wenn er einen Unschuldigen leiden lässt, nur damit er recht hat" So die spontane Reaktion eines Jugendlichen auf Hiob.

Liebe Gemeinde, was für einen Gott zeigt uns die Bibel im Buch Hiob? Ist Gott asozial? Lebt er auf Kosten von Hiob, nur um recht zu bekommen? Hat Gott es nötig, sich so seine Selbstbestätigung zu verschaffen? Zeigt sich hier ein Zerrbild von Gott oder eine Seite Gottes die wir nicht so gerne anschauen?

Ich möchte versuchen, mit ihnen den Weg zu gehen, den auch Hiob mit seinem Gott geht. Sein Bild von Gott wandelt sich - vielleicht auch unseres?
Im Alten Testament findet man öfter die Vorstellung von einem himmlischen Hofstaat Gottes. Dazu gehört auch Satan. Das hebräische Wort Satan bedeutet Ankläger im Rechtsstreit. Satan tritt hier als eine Art Staatsanwalt auf. Doch Gott ist von Hiob überzeugt. Er vertraut ihm und schätzt sein Vertrauen in ihn. Satan hat aber eine Anklage zu erheben. Er wirf Hiob vor, dass er nur deshalb fromm ist, weil es ihm gut geht. Doch fromm sein fällt leicht, wenn es einem gut geht. Dann kann man leicht Gott loben.

Kommt uns der Gedanke bekannt vor? Urteilen auch wir so: "Der hat gut reden, dem geht es gut." "Kein Wunder, dass der Gott loben kann, aber was soll ich sagen bei meinen Schmerzen." Eigentlich sehr menschlich, was Satan dem Hiob unterstellt. Doch Gott vertraut Hiob und lässt sich auf die Wette ein. Er lässt dem Ankläger großen Freiraum. Er darf alles machen - nur sein Leben muss er schonen. Gott lässt es zu. Warum? Hat dies Gott nötig? Braucht er doch einen Beweis von Hiob? Kennt er nicht sein Herz?

Von all dem, was sich da über seinem Kopf zusammenbraut, weiß Hiob nichts. Aber er bekommt die Auswirkungen zu spüren. Bis weit jenseits dessen, was ein Mensch eigentlich ertragen kann. Er verliert all sein Hab und Gut. Seine Kinder sterben, aber er verliert nicht seinen Glauben. Doch er ist zutiefst getroffen. Er schneidet sich die Haare ab und zerreißt seine Kleider. Er zeigt so die Zeichen der Trauer - so wie wir heute schwarze Kleidung tragen. Doch Hiobs Glaube an Gott bleibt tief und fest. Er ist davon überzeugt, dass das Gute und das Schmerzhafte von Gott kommt. Er nimmt das Gute dankbar an und dankt Gott. Das Schmerzhafte nimmt er auch an und klagt Gott nicht an. "Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen.". Welch tiefer Glaube spricht aus diesem Satz. Aber nur der Leidende selbst kann so einen Satz sagen. Wir können diesen Satz anderen nicht zusprechen, um für uns selbst etwas erträglich zu machen. Wenn wir so Trost spenden wollen, dann ist dies herzlos und ein billiges Trostpflaster. Es macht oft die Verletzung noch tiefer.
Die Geschichte könnte doch jetzt aufhören. Gott hat die Wette gewonnen und Satan hat sich geirrt.

Aber der Ankläger ist noch nicht zufrieden. Er verklagt Hiob erneut. Und was macht Gott? Er lobt Hiob, dass er immer noch an Gott festhält, obwohl er soviel erleiden muss. Nun spitzt sich die Lage zu. Und Gott lässt zu, dass Satan Hiobs Gesundheit angreift. Hat Gott das nötig?

Und Hiob? Seine Frau gibt ihm den Rat endlich, von diesem Gott zu lassen. Den kann es doch nicht geben, wenn ein Unschuldiger so leidet. Aber Hiob lässt von diesem Gott nicht ab. Er nimmt diese Schicksal an, obwohl nicht mal seine Frau zu ihm hält. Die Glaubenstreue von Hiob erscheint übermenschlich, fast absurd.

Auch an dieser Stelle ist es wichtig, dass wir die Haltung von Hiob nicht verallgemeinern. Gut gemeinte Ratschläge helfen den meisten Menschen nicht. Ratschläge können auch Schläge sein. Gut gemeint ist dann oft das Gegenteil von gut gemacht. Wichtig ist eine Begleitung, gerade dann, wenn wir denken, Gott hat sich von uns abgewendet. Die Freunde Hiobs schweigen 7 Tage und 7 Nächte mit ihm, bis er sein Schweigen brechen kann.

Wieder scheitert Satan mit seiner Anklage. Aber es bleibt die Frage, warum dieser Streit auf dem Rücken von Hiob ausgetragen wird. Die Last wird für Hiob immer schwerer, seine Leiden immer schlimmer. Er will nicht mehr leben und wünschte sich am besten gar nicht geboren zu sein.

Seine Freunde können damit gar nichts anfangen. Sie suchen eine Antwort auf das Leid von Hiob. Dabei gehen sie von einem Gottesbild aus, das damals Zeit tief verwurzelt war. Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Handeln des Menschen und dem Handeln Gottes. Hält sich ein Mensch an die Ordnungen Gottes, dann wird ihm auch von Gott Gutes widerfahren. Hält er sich nicht daran, widerfährt ihm Schlechtes. Gott belohnt und straft. Deshalb sind die Freunde überzeugt, dass Hiob sich gegen die Ordnung Gottes gestellt hat und deswegen so leiden muss. Der Gedanke, dass Krankheit Strafe Gottes ist, findet sich auch bei den Menschen im Neuen Testament. Jesus zeigt aber auch, wie fragwürdig diese Annahme ist. Im Lukasevangelium sagt er zu seinen Jüngern: "Glaubt Ihr, dass nur die 18 Menschen die beim Einsturz des Turmes Schiloach erschlagen wurden, schuldig waren?"
Aber auch in unserer Zeit wird schnell ähnlich geurteilt: Wie viele fragen sich: "Warum straft mich Gott?" Wie viele versuchen das Leid anderer so zu erklären? Manchmal scheint der Gedanke sogar gut, wo es einer angeblich verdient hat. Aber dieses Schwarz-weiß-Denken wird Gott nicht gerecht.

Auch Hiob hat dieses Gottesbild im Kopf und fordert von Gott Gerechtigkeit. Er hat ein frommes Leben geführt und klagt so bei Gott nun sein Recht ein. Er lehnt sich gegen Gott auf, er klagt Gott an. Er schreit nach Gottes Antwort. Er will endlich eine Antwort auf seine Fragen. Er will, dass Gott aus dem Verborgenen heraustritt. Aber Gott schweigt.

Auch in seinem Klagen hält er an Gott fest. Er leugnet Gott nicht - so wie es seine Frau vorgeschlagen hat. Denn er ist sicher: es gibt Gott. Aber dieser Gott schweigt. Doch Hiob hält den schweigenden Gott aus.

Wie geht es uns, wenn wir Gott nicht mehr hören? Wie verändert sich dann unsere Beziehung zu diesem Gott? Kann man nicht verstehen, dass Menschen den Glauben verlieren, weil er schweigt?

Hiob erduldete zuerst sein Leid, dann rechtfertigte er sich vor seinen Freunden und klagte Gott an und fordert Gerechtigkeit. - Und Gott?
Gott bricht sein Schweigen. Aber die Antwort, die Hiob bekommt, ist nicht die Antwort, die er erwartet oder sich wünscht. Gott fordert jetzt Hiob heraus.
Er gibt ihm keine Antwort auf seine Fragen. Aber er zeigt ihm, dass Gott einfach nicht fassbar ist durch unser Denken und Verstehen. Hiob erkennt so allmählich, dass er ein festes Gottesbild von Gott hat. Er wollte Gott zu einer Gerechtigkeit zwingen, die menschliche Vorstellungen von Gerechtigkeit entsprach. Bin ich brav, werde ich belohnt. Bin ich böse, werde ich bestraft. Hiob erkennt: Gott lässt sich nicht in ein Bild pressen - sonst wäre es nicht Gott. Wir sollen uns kein Bildnis machen steht im 1. Gebot. Und doch: Natürlich haben wir Vorstellungen und Bilder von Gott im Kopf: Der Strafende, der Liebende, der Allmächtige, ...

Aber unsere ganze Vorstellungen bleiben Stückwerk. Uns geht es wie dem Fisch in der Geschichte "Fisch ist Fisch" von Leo Lionni. Es lebten einmal eine Kaulquappe und ein Fisch in einem Teich. Sie waren ganz enge Freunde. Eines Tages wurde aus der Kaulquappe ein Frosch. Der Frosch sprang an das Land und schaute sich die Erde an. Als er zurück kam, hatte er viel seinem Freund Fisch zu erzählen. Er hat Vögel gesehen. Die hatten Flügel und flogen in den Himmel. Und der Fisch stellte sich diese Vögel vor, so gut er es konnte. Sie sahen aus wie Fische mit Flügeln. Der Frosch erzählte, dass er Kühe gesehen hätte. Die haben 4 Beine und einen Euter. Und der Fisch stellte sich Kühe vor so gut er es konnte. Sie sahen wie Fische auf 4 Beinen mit Euter aus. Der Frosch hatte auch Menschen gesehen. Sie liefen auf 2 Beinen. Und der Frosch stellte sich die Menschen vor, so gut er es konnte. Sie sahen wie Fische auf 2 Beinen aus. Eines Tages hielt er es nicht mehr aus und wollte alles mit eigenen Augen sehen. Mit aller Kraft sprang er aus dem See. Und wäre sein Freund nicht gekommen, wäre er gestorben weil er auf Land nicht leben kann. Und so schwimmt der Fisch im Wasser und stellt sich alles so gut vor wie er es konnte.
Hiob erkennt: Es wäre anmaßend, wenn der Mensch Gott verstehen wollte. Es wäre anmaßend, ihn zur Rechenschaft zu zwingen. Hiob wollte vor Gott recht haben mit seiner Unschuld und seiner Frömmigkeit. Eigentlich ist das zutiefst menschlich. Wenn wir anderen etwas Gutes tun, erwarten wir doch oft, dass der andere auch für uns etwas tut. Gehen wir nicht auch manchmal mit diesem Denken in unsere Gottebeziehung? Doch Gottes Liebe können wir uns nicht verdienen, denn sie ist Geschenk. Manchen fällt es schwer Geschenke anzunehmen. Diese Erkenntnis ermöglicht Hiob eine ganz andere Erfahrung mit dem lebendigen Gott. Er bekommt keine Antwort auf seine Fragen, aber seine Beziehung zu diesem lebendigen Gott hat sich gewandelt.

Hiob bekommt nicht die Antwort, die er erwartet hat. Geht es uns nicht mit manchen Fragen genauso? Was passiert in Haiti? Warum hat eine junge Mutter mit kleinen Kindern plötzlich Krebs? Warum ist sogar mein eigenes Leben vielleicht plötzlich bedroht? Angesichts des Leides bei uns und bei anderen. Aber die Geschichte von Hiob zeigt uns einen Gott, der sich nicht in unsere Vorstellungen hineinpressen lässt und doch uns Menschen ernst nimmt. Er nimmt uns nicht nur ernst, sondern er geht mit uns in unser Leben. Auch wenn wir einen schweigenden abgewandten Gott spüren. er ist da und will uns begleiten. Der heruntergekommene Gott, den wir gerade an Weihnachten gefeiert haben, der geht mit und für uns bis ans Kreuz. Die Fastenzeit kann uns helfen wieder auf diesen unbeschreiblichen und unbegreiflichen Gott zuzugehen. Und anders als zur Zeit von Hiob, dürfen wir auf die Hoffnung der Auferstehung vertrauen, zu der uns der heruntergekommene Gott einlädt.
Dietrich Bonhoeffer, der auch durch die Dunkelheit, durch den Zweifel gegangen ist und doch nicht von diesem Gott lassen konnte drückt es in einem Gebet so aus:

Gott zu dir rufe ich:
hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;
Ich kann es nicht allein.
In mir ist finster,
aber bei dir ist Licht
ich bin einsam,
aber du verlässt mich nicht
ich bin kleinmütig,
aber bei dir ist die Hilfe
ich bin unruhig,
aber bei dir ist Frieden
in mir ist Bitterkeit,
aber bei dir ist Geduld
ich verstehe deine Wege nicht,
aber du weißt den rechten Weg für mich.
Amen

Fürbittgebet:

Christus, du bist unser Herr und Bruder.
Du bist uns nahe,
du kennst unsere Verzweiflung,
du fühlst unseren Schmerz,
du spürst unsere Tränen,
bleib an unserer Seite,
überlass deine Welt nicht ihrem Elend.
Wir rufen zu Dir: Kyrie eleison.

Christus, du bist unser Herr und Bruder.
bleib an der Seite der Armen,
die auf den neuen Monat hoffen;
an der Seite der Obdachlosen,
die auf den Frühling hoffen;
an der Seite der Arbeitslosen,
die auf Anerkennung hoffen;
an der Seite der Missbrauchten,
die auf Heilung ihrer Wunden hoffen;
an der Seite der Verschleppten und Gefolterten,
die auf ihre Befreiung hoffen.
Wir rufen zu Dir: Kyrie eleison.

Christus, du bist unser Herr und Bruder.
überlass diese Welt nicht dem Rat der Gottlosen,
sei mit deinem Geist gegenwärtig,
wenn die Mächtigen über die Machtlosen reden,
wenn Politiker auf dem Rücken der Bedürftigen ihr Profil suchen,
wenn die Reichen über die Armen herrschen,
wenn die Klugen über die Einfältigen verfügen,
wenn die Starken über die Schwachen bestimmen.
Wir rufen zu Dir: Kyrie eleison.

Christus, du bist unser Herr und Bruder.
begeistere deine Kirche,
mach sie mutig,
mach sie glaubwürdig,
eine sie.
Wisch die Tränen der Verfolgten ab.
Wir rufen zu Dir: Kyrie eleison.

Christus, du bist unser Herr und Bruder.
du spürst den Schmerz der Kranken,
der Sterbenden, der Verzweifelten,
der Trauernden.
Weiche nicht von ihrer Seite.
Befreie unsere Verstorbenen aus der Dunkelheit des Todes.
Du kennst für sie alle den Weg zum Himmel.
Wir rufen zu Dir: Kyrie eleison.

Auf dich vertrauen wir heute und alle Tage unseres Lebens.
Dich rufen wir an, wenn wir gemeinsam beten:
VATER UNSER

Text der Schriftlesung: Jörg Beyer
Text der Predigt: Beate Beyer
Fürbittgebet auf der Basis einer Vorlage der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD)

 

 

 

 

 

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