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Predigt in St. Michael am Sonntag, den 14. März 2010

Predigt zum Gleichnis vom vergessenen Bruder (Andreas Greis)

Begrüßung

Liebe Gemeinde,
das heutige Evangelium handelt vom Gleichnis vom vergessenen Bruder. Wie das kennen Sie nicht? Es ist besser bekannt unter dem Namen Gleichnis vom verlorenen Sohn. Wir vom Familienkreis 6 ha-ben uns in der Vorbereitung aber eben nicht mit dem verlorenen Sohn beschäftigt, sondern mit dem Bruder, der zu Hause bleibt und sich so verhält, wie man sich das als Eltern so vorstellt. In unserer Alltagserfahrung in unseren Familien erleben wir es aber oft so, dass Kinder beleidigt sind oder mau-len, wenn sie sich ungerecht behandelt fühlen, auch wenn es gar nicht darum geht, dass sie zu wenig bekommen haben. Deshalb lautet unser Thema: genug ist nicht genug.

Predigt

Liebe Gemeinde,
die Kinder aus den Anspielen haben in den Situationen alles was sie brauchen und sind dennoch unzufrieden. Auch dem Bruder des verlorenen Sohnes geht es ähnlich. Auch ihm mangelt es an nichts, dennoch ist er unzufrieden. Er fühlt sich zurückgesetzt ange-sichts der Behandlung, die sein Bruder erfährt. Und sind wir ehrlich: Ungerecht emp-finden wir das schon auch und wir können den Bruder verstehen. Der, der sich daneben benimmt bekommt alle Aufmerksamkeit. Und das positive Verhalten des anderen wird bestenfalls zur Kenntnis genommen, wenn überhaupt.

Das ist irritierend und das kann Jesus doch nicht so gemeint haben. Der innere Sinn des Gleichnisses muss woanders liegen. Wie in allen Gleichnissen Jesu soll das Reich Got-tes verdeutlicht werden. Es geht nicht um Gerechtigkeit, sondern um Barmherzigkeit angesichts von Umkehr und Nachfolge. Der eine Bruder hat sich von Gott abgewandt und ist zurückgekehrt, während der andere immer bei Gott war und blieb. Der, der bei Gott bleibt, hat also schon das Reich Gottes in seiner Fülle und mehr als das geht ein-fach nicht. Wir Christen haben das Reich Gottes zugesagt bekommen und können in dieser Zusage unser Leben in der Nachfolge gestalten. Genug kann also nur genug sein. Und in dieser Perspektive ist es auch richtig, dass das Gleichnis mehr und mehr als das Gleichnis vom barmherzigen Vater bezeichnet wird. Das Gleichnis sagt etwas über Gott und seine Barmherzigkeit aus und nicht über den Menschen.

Wenn ich hier in meinen Ausführungen stehen bliebe, hätte ich das Gefühl, dem Gleichnis nicht gerecht zu werden. Das Gleichnis leistet noch mehr als das Reich Gottes zu beschreiben. Es gibt auch Hinweise, wie denn ein Leben in der Nachfolge aussehen könnte. Denn es öffnet die Augen dafür, dass wir oft das Alltägliche, das, was wie er-wartet läuft, nicht wirklich wertschätzen. Auch wenn dem Bruder nicht wirklich Un-recht geschieht, so weist die allzu menschliche Reaktion des Bruders doch darauf hin, dass es gut tut, wenn nicht nur getadelt wird, sondern auch gelobt. Gerade in meinem Beruf als Lehrer unterhalten wir uns oft über die Schüler, die sich daneben benehmen, anstatt über die, die sich erwartungsgemäß verhalten, über die, die schlechte Noten schreiben, anstatt auch über die, die gute Noten schreiben. Deshalb nehme ich aus dem Gleichnis mit, dass es gilt, die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung zu schärfen und auch das Alltägliche in seiner Wertigkeit zu würdigen.
Ein zweiter Gedanke noch: Genug ist nicht genug, dieses Gefühl entsteht ja immer nur dann, wenn wir uns mit anderen vergleichen, so wie die Kinder im Anspiel, oder der Bruder im Gleichnis. Jesus macht darauf aufmerksam, dass die Frage nicht lauten darf: Was hat der andere, was ich nicht hab?, sondern: Habe ich genug für meine Bedürfnis-lage? Das heißt nicht, dass ich mich in einem egoistischen Sinn zum einzigen Maßstab mache. Aber wenn ich auf das schaue, was ich brauche und nicht auf das, was der ande-re hat, dann bin ich in der Bewertung meiner Bedürftigkeit nicht abhängig von anderen, sondern mache mich frei davon. Dann bin ich satt und kann mein halbes Croissant egal an wen weitergeben, dann habe ich genug Milch und brauche nicht noch mehr, nur weil ein anderer mehr bekommt und ich bin zufrieden, weil ich meinen Weg gegangen bin und kann mich freuen, dass mein Bruder zurück ist.

 

 

 

 

 

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