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Der Kampf
im eigenen Innern
Predigt
über Eph 6,10-17 im Ökumenischen Gottesdienst am 21. Sonntag
nach Trinitatis 24.10.2010 - 10.00 Uhr Evangelische Eberhardskirche
(Thomas Steiger)
Zuletzt:
Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an
die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die
listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch
und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen,
nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen,
mit den bösen Geistern unter dem Himmel.
Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen
Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten
könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit
und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und an den Beinen gestiefelt,
bereit einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen
aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt
alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und
das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.
Eph 6,10-17
(1)
Wenn man die großen Töne des Epheserbriefschlusses liest
oder hört, könnte man sich leicht an ein kirchliches Missionsdokument
früherer Jahrzehnte erinnert fühlen. Mit ähnlich emotionaler
Eindringlichkeit und starken Bildern wurde einem da eingebleut, am Glauben
festzuhalten und sich gegen die schädlichen Einflüsse von
außen zu wappnen. Hier die gute Welt der Christenheit, katholischerseits
gerne mit der Kirche identifiziert - dort der böse Feind, der nur
das eine im Sinn hat: mich zur Sünde zu verführen, meine guten
Anlagen zu pervertieren. Spätestens seit den Über-griffen
auf Kinder in kirchlichen Einrichtungen läßt sich ein derart
simples Schwarzweißbild nicht mehr aufrecht erhalten. Was da unter
dem Deckmantel der Wahrheit und des Glaubens geschah, legt es nahe,
das glatte Gegenteil zu vermuten: Der Teufel mit seinen Mächten
und Gewalten hat geradewegs sich im Raum der Kirche niedergelassen.
Gequälte Kinder, verwundete Seelen, unreife Sexualität, körperliche
Gewalt, Psychoterror, sadistische Machtspiele - das macht uns zurecht
wütend, bringt unser Bild von der Kirche, zu der wir gern gehören
wollen, gehörig durcheinander.
Wir haben mit den bösen
Geistern unterm Himmel zu kämpfen ... Mit solchen Tönen
und Bildern tun wir uns schwer. Da scheint es für mich keinen Zweifel
zu geben. Sobald sich etwas an den Sprachgebrauch des Krieges und die
damit verbundenen militärischen Gerätschaften anlehnt, stellen
sich uns die Nackenhaare auf. Erst recht als Christen geht es uns so,
gab es doch etliche unheilige Verquickungen von religiösem Eifer
und brachialer Gewalt in der Geschichte, die uns immer wieder wie Stereotype
vorgehalten werden: die Kreuzzüge, die Segnung von Waffen durch
bischöfliche Hände noch im Zweiten Weltkrieg. Auf alle Fälle
tun wir gut daran, auf diesem Terrain Vorsicht walten zu lassen, um
gar nicht erst eine Angriffsfläche zu bieten. Man wird ja so leicht
mißverstanden.
Vielleicht ist das ja auch der Grund, daß dieser Bibeltext in
der liturgischen Leseordnung meiner Konfession gar nicht erst vorkommt.
Selbst wer jeden Sonntag die Hl. Messe besucht, bekäme darüber
nie eine Predigt zu hören. Was bedeutet, daß sich auch für
mich damit eine neue Welt erschließt, in die ich nun vorsichtig
mit Ihnen zusammen einen Fuß setzen möchte. Schließlich
will Gott ja sein Wort durch diesen Text an uns richten, und wir sollten
versuchen, dem etwas abzugewinnen.
(2)
Der Schlußteil des Eph lebt ja weitgehend von einer Gegenüberstellung:
Die kleine Kirchen-Gemeinde soll sich wappnen für die Auseinandersetzung
mit allem, was dem neuen Leben in Jesus Christus feind ist. Bei der
Aufzählung des letzteren wird im Grunde nichts ausgelassen. Der
Verfasser nennt den Teufel, die Herren der Welt und die bösen
Geister unter dem Himmel - und damit die Kräfte, welche uns
von der Ordnung Gottes und seinem Willen entfernen wollen. Zumindest
aus zwei Richtungen kommt demnach die beschriebene Gefahr: von einer
gegen Gott stehenden Größe und Macht, die eigene Existenz
beansprucht, und aus der Menschheit selbst, die ihre Freiheit verrät.
Ich beginne mit dem Teufel und den bösen Geistern. Die Rede darüber
haben wir nicht ohne Grund verlernt. Unser Blick auf das Universum hat
an Komplexität zugenommen und die Vorstellung von Gott wurde so
umfassend, daß uns das Bild von einem Widersacher, der gegen ihn
kämpft, zu menschlich und banal erschien. Gott sollte als Gott
alles in allem sein. Andererseits erscheint Gott manchmal eigenartig
machtlos gegenüber den Angriffen auf seine Schöpfung, so ohnmächtig,
daß wir uns zu Recht fragen, ob da nicht anderes im Spiel ist
- oder ob er am Ende überhaupt ist: große Katastrophen (wie
die Flut in Pakistan), auch die massenhafte Vernichtung, die die Menschheit
sich selbst zufügt (in Bürgerkriegen und Genoziden), lassen
zumindest eine Ahnung zu von einer realen Instanz, die uns den neuen
Menschen der Gnade streitig machen will. Gottverlassenheit und Gegenwart
des Teufels scheinen dann ein und dieselbe Sache zu sein.
Mit den Herren der Welt tun wir uns leichter. Sie regieren überall
dort, wo der Respekt vor dem Geschaffenen mit Füßen getreten,
ja, wo die Schöpfung überhaupt verneint wird. Sie schaffen
sich ihre Welt selbst. Sie leugnen, daß Gott hier etwas zu sagen
habe. Aber Achtung: Die Grenze zwischen innen und außen ist haar-scharf.
Gerade dort, wo Religion draufsteht, haben es solche Herren manchmal
ganz leicht. Denken Sie an den Wahnsinn vom 11.9.2001- ein Massaker,
für das Motive des Willens Gottes beansprucht werden. Und ich führe
mit Bedacht auch die hartnäckigen Widerstände gegen Fortschritte
in der Ökumene an. Jenseits aller Theologie und Wahrheitssuche
gibt es da sehr weltliche Interessen und Herrschaftsansprüche.
Ich unterstelle, daß der Eph dieses Phänomen bereits kannte,
daß er wußte: Es lauert uns Gefahr aus den eigenen Reihen,
weil das Böse, die gegen Gott gerichtete Freiheit sich besonders
raffiniert dort niederlassen kann.
Es lohnt sich bestimmt, daß wir uns darauf einmal überprüfen,
mit sympathischer Skepsis: Was ist wirklich mein Antrieb als Christ?
Ob doch Machtfragen hineinspielen? Wie lauter sind meine Motive? Ziehe
ich überhaupt in Betracht, daß Gott anderes will, als ich
für wahr halte?
(3)
Der Eph legt eindringlich nahe, für die Klärung dieser Fragen
und die Befestigung der eigenen Position auf die Ausrüstung zurück
zu greifen, die sich von Christus her nahe legt. Er nennt sie folgendermaßen
beim Namen: Wahrheit, Gerechtigkeit, Friede, Glauben, Heil, Gottes Geist.
Das sei die Waffenrüstung Gottes für diesen Kampf.
Wenn ich an eigene innere Auseinandersetzungen denke, die ich manches
Mal halbherzig führe, weil ich mich treiben lasse oder angetrieben
werde von Egoismus und Eitelkeit und Bequemlichkeit, dann ist das Wort
Kampf gar nicht falsch. Auch wenn ich gar nichts tue, sondern die Hände
in den Schoß lege, kann dies auf einen Kampf hindeuten - einen
verlorenen nämlich. Vom Mühen um Wahrheit und Gerechtigkeit,
gar Frieden, keine Spur. Es siegt die Langeweile, der Sanktnimmerleinstag.
Wenn ich beobachte - und als Mitarbeiter gewinnt man im Laufe der Jahre
tiefe Einblicke - wie viel sich die Kirche um sich selbst dreht, geradeso
wie alle großen Institutionen, dann erschrecke ich. Und wenn ich
nicht mehr erschrecke ist es nur noch schlimmer, weil ich dann selbst
bereits Teil dieses Systems geworden bin. Und dann befällt mich
die üble Ahnung, daß gerade das von Jesus nicht gewollt war,
daß er dem etwas entgegen halten wollte mit seinen Vorbehalten
gegen äußere Gesetze, mit seinen Provokationen gegen die
bestehende Menschenordnung, die immer wieder durchbricht. Das Arsenal
Christi, mit dem wir uns nach Eph ausrüsten sollen, dient also
subversiven Interessen, ist überhaupt nicht staatstragend und nicht
zur Legitimation kirchlicher Machtinteressen. Es ist ganz und gar nicht
militärisch im üblichen Sinne. Es richtet sich zuerst gegen
den Feind im eigenen Innern!
"Hände weg davon!", wird jetzt der eine oder andere denken.
Das wäre aber die falsche Konsequenz. Der Eph will uns Mut machen,
den Kampf aufzunehmen, weil andernfalls die falsche Seite gewinnen wird,
weil sonst das Evangelium keine Chance hat.
Sind wir uns unserer Ausrüstung
sicher? Wahrheit, Glauben usw. sind große und allgemeine Begriffe.
Sie zeigen das ferne Ziel, aber geraten so leicht aus unserem Blick,
weil wir mit dem Klein-klein des Täglichen befaßt sind. Und
genau dort bräuchten wir sie. Ich erlaube mir zwei Beispiele, die
mit uns heute zu tun haben.
(a) Wir feiern nachher in
diesem Gottesdienst das Hl. Abendmahl Jesu. Wir feiern es in der evangelischen
Kirche und nach deren Ordnung. Wir wissen, daß unsere Kirchen
keine Abendmahlsgemeinschaft haben. Den Kampf darum verfolgen wir, solange
wir uns erinnern, und es kämpft dazu auch in uns. Wir wollen es
recht machen, suchen die Wahrheit. Aber haben wir dabei ausreichend
im Visier, daß es um etwas geht, das größer ist als
alle Konfession und geschichtliche Differenz? Ich wünsche mir für
heute, daß Gottes Geist uns stärke, ausrüste, den ihm
entsprechenden Weg zu finden.
(b) Nachher gehen wir miteinander
zu unserem ökumenischen Kirchle, am Eck. Nach langem Warten haben
wir jetzt eine Glocke dort draußen, die zum Gottesdienst ruft
und zum Gebet einlädt. Bereits im Vorfeld ist ein kleiner Kampf
entbrannt um Lautstärke und Religionsfreiheit, um Toleranz und
Bekenntnis. Fürs erste haben wir Recht bekommen, weil die Gesetzeslage
uns dabei entgegen kommt. Ein Sieg? Ich wünsche mir, daß
wir sensibel mit unseren äußeren Waffen umgehen, statt dessen
uns im inneren Kampf profilieren, wenn die Prinzipien des Evangeliums
mit Füßen getreten werden. Und dazu gäbe es wohl hin
und wieder Grund zu Emotionalität und Eifer, wie ihn der Eph nahe
legt. Und mit einem kleinen Plädoyer dafür schließe
ich.
(4)
In den entscheidenden Fragen des christlichen Bekenntnisses, ist unser
Einsatz zu harmlos, zu leise. Gerechtigkeit und Friede sind schon die
entscheidenden Stichworte. Gott legt uns nahe, daß wir uns dafür
einsetzen, für deren Verwirklichung kämpfen. Das beginnt mit
lauten Fragen an der rechten Stelle, die auf uns und die Richtschnur
des Evangeliums aufmerksam machen und endet womöglich mit konkretem
Widerstand.
In Tübingen wohnen Menschen unter erbärmlichen Bedingungen
in Aufnahmebarracken in Weilheim. Sie kommen aus anderen Ländern
und suchen bei uns die Lebensqualität, die wir für uns beanspruchen,
für selbstverständlich nehmen. In vielen kleinen Problemen
spitzt sich das zu: die Fahrkarte im Stadtverkehr, das Essen für
die nachgekommene Familie, die Freiheit Tübingen zu verlassen.
Das Asylzentrum in der Neckarhalde bemüht sich um mehr soziale
Gerechtigkeit, und wir sollten es dabei unterstützen. Das Heil
ist für jeden einzelnen Menschen bestimmt. Das muß unsere
erste Handlungsmaxime sein. Und dafür sollten wir den Mund aufmachen.
Und auch für unsere Lebensart in Deutschland, also das große
gesellschaftliche Klima, tragen wir mit Verantwortung. Die Entwicklung
der letzten 25-30 Jahre hat dahin geführt, daß sich schleichend
Prinzipien durchgesetzt haben, die dem Menschenbild der Bibel widersprechen:
Schnelligkeit, Erfolg durch Leistung, das Recht des Stärkeren.
Ich bemerke das bei mir selbst, spüre das unverhohlen auch in unseren
Gemeinden. Wir haben blinde Flecken; dort verbergen sich in der Regel
die Schwachen, die Kleinen. Die Kirche ist also Teil dieser Veränderung.
Was passieren wird, wenn wir dem nichts entgegen zu setzen haben, kann
ich mir ausmalen. Wir werden als Christen untergehen im Strom der vermeintlichen
gesellschaftlichen Normalität. Wenn wir das nicht wollen, werden
wir mehr als bisher eintreten müssen für das Andere, das das
Evangelium uns ans Herz legt. Und etwas mehr Leidenschaft im Geist des
Eph kann uns dabei nicht schaden Oder?
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