Predigten
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Predigt in St. Michael am 12.Dezember 2010Predigt zum 3. Adventssonntag (Marlies Mittler-Holzem)Unser Glaube hält einige Zumutungen für uns bereit, egal ob wir mit dem Verstand oder mit unserer Lebenserfahrung drangehen:
Erfahrungen und Gedankengebäude, die wir als widersprüchlich beurteilen, nennen wir paradox und wir haben das Bedürfnis, ein solches Paradox aufzulösen in eine beruhigende Eindeutigkeit hinein. Eine solche Eindeutigkeit hatte offenbar die Gemeinde hergestellt, aus der wir in der zweiten Lesung gehört haben: Direkt nach Jesu Tod und der Auferstehungserfahrung der Jüngerinnen und Jünger war Begeisterung und Ausnahmezustand: "Der auferstandene Christus wird bald zurückkehren und damit das Ende dieser Welt einläuten und den Beginn der Gottesherrschaft". Dann aber verstrich die Zeit, keine Ankunft des Herrn, und damit wurden aus dem Ausnahmezustand Alltag, aus der Hoffnung Resignation, aus dem Warten Langeweile und aus der Unterschiedlichkeit Konflikte. In der paradoxen Spannung zwischen
Ausrichten auf das Gottesreich und Einrichten im Alltag hatten sie sich
- so kann man zwischen den Zeilen lesen - für das Naheliegende, das
Greifbare entschieden: "Da ändert sich sowieso nichts."
"Was können wir schon tun." "Die anderen sind Schuld."
Und sogar die Aufforderung des Briefschreibers an die Gemeinde, geduldig
auszuharren, klingt für mich eher resigniert routiniert als begeisternd. Und Jesus? Warum sagt er nicht einfach "Ja, ich bin es"? Warum so umständlich: "Geht und berichtet Johannes, was ihr hört und seht: Blinde sehen wieder, und Lahme gehen; Aussätzige werden rein und Taube hören; Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet." Jesus benennt Ungewöhnliches, Überraschendes, Wunder-bares - für die Zeitgenossen Jesu Codewörter für die Ankunft des Messias und das Anbrechen des Gottesreiches. Ob Johannes diesen außergewöhnlichen Zeichen bei gleichzeitigem Ausharren im Gefängnis trauen will, muss er selbst entscheiden. Das - sagt Jesus mit seiner Antwort - kann nur er selbst entscheiden. Und wir? Wenn wir ja Wunder
sähen! Lektion 2: "Dann werden die Augen des Blinden geöffnet, auch die Ohren der Tauben usw." Manchmal geschehen Dinge, die sich unserer Erklärung widersetzen: Ich war in diesem Sommer in Dresden und habe die wiederaufgebaute Frauenkirche besucht. Dass das passieren konnte: Mauerfall, friedlich, das Zusammenwachsen dieser beiden deutschen Staaten, die Gestaltung von Landschaften und Städten, das Aufbauen von Kirchen - das lässt sich durch das akribische Zusammentragen von logisch aufeinanderfolgenden Tatsachen für mich nicht hinreichend erklären. Das war ein Wunder, eines von vielen als Beispiel. Zum Gottesdienst am Mittag war die Frauenkirche übervoll mit Menschen, die gemeinsam für den Frieden in der Welt gebetet haben, obwohl dieser Frieden nicht in Sicht ist. Jesaja-Sehschule Lektion 3: Vor meinem inneren Auge brauche ich Bilder, die die Realität übersteigen, die einen Idealzustand beschreiben. Wenn das Wort von den Visionen nicht so abgenutzt wäre, dann wäre es genau das: Es wird keinen Löwen dort geben, kein Raubtier betritt diesen Weg, keines von ihnen ist hier zu finden Die vom Herrn Befreiten kehren zurück und kommen voll Jubel nach Zion. Ewige Freude ruht auf ihren Häuptern, Wonne und Freude stellen sich ein, Kummer und Seufzen entfliehen." Ein Bild von einer besseren Welt. Die Texte dieses 3. Advent laden uns ein, neben unserem hochentwickelten Blick für das Schlechte und Schwierige unseren Blick für Überraschendes, Wunderbares, Außergewöhnliche zu schärfen. Sie möchten, dass wir die Spannung, das Paradox aushalten zwischen den Erfahrungen unseres häufig banalen Alltags und unserem Idealbild einer besseren Welt, die wir ohne Gottes Hilfe offenbar nicht herbeiführen können - wir versuchen es ja schon eine Weile mit mehr und weniger Erfolg. Wenn wir die Spannung aushalten können, wenn wir das Paradoxe gleichzeitig denken, dann kann in uns eine doppelte Kraft entstehen: Zum einen die Kraft, Gott immer
wieder neu um sein Reich zu bitten: "dein Reich komme" endlich,
bitte, Gott, wie lange noch
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