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Das Kreuz
der Einheit
Ansprache
über Jes 8,23b-9,3 und 1 Kor 1,3-17 3. Sonntag im Jahreskreis A
- 22./23.1.2011 in Tübingen und Bühl (Thomas
Steiger)
Zwei Bilder meine ich, Schwestern
und Brüder, bleiben aus den Texten dieses Sonntags besonders in
Erinnerung: das vom Licht in der Finsternis (das wir aus der Heiligen
Nacht an Weihnachten kennen) und die Warnung vor Spaltung im Paulusbrief
an die Korinther. Wenn es dabei einen inneren Zusammenhang gibt, an
den die Konstrukteure der Leseordnung gedacht haben könnten, dann
folgenden: Dort, wo das eine Licht (Gottes) leuchtet, kann es keine
Spaltung geben. Das heißt, daß sich unsere Bemühungen
zu leuchten, dem unterordnen müssen. Denn wo immer viele Lichter
sein wollen, und eines heller als das andere, Lichter, die sich nicht
auf das eine zurückführen lassen wollen, die vielmehr in Konkurrenz
zueinander stehen, dort gibt es Streit und Krieg.
Und gerade das hatte Paulus in Korinth eben erfahren, weshalb er seinen
ersten Brief dorthin schreibt. Sofort und gleich zu Beginn greift er
das Problem auf. Und er sagt im Grunde: Viele Köche verderben den
Brei. Ich meine, es hilft, wenn wir uns die Gegenfrage stellen: Weshalb
ist es denn so wichtig, dasselbe zu denken? Woher dieses starke Bedürfnis
nach Einheit? Sind wir also nicht frei? Darf nicht jeder denken und
glauben, was er will? Viele stellen sich emanzipiertes Christentum so
vor. Meine Schüler sagen das ganz oft, wenn ich von ihnen eine
Meinung erfrage, die sich auf ihren Glauben gründet. Und wenn einer
sich mit der kirchlichen Linie oder einem Prinzip des Christlichen schwer
tut, dann kommt ganz schnell dieses Argument. Für Paulus bedeutet
wahrhaft emanzipiert genau das Gegenteil. In der Spaltung und im Uneins-Sein
stecken für ihn das Böse, die überwundene alte Schöpfung.
Die Konsequenz aus dem Glauben an den EINEN Gott ist für ihn so
gravierend, daß sie Einheit und Frieden zur Folge haben muß
- und zwar bedingungslos. Das heißt für Paulus: Theologie
des Kreuzes. Und nur von daher läßt sich sein letztes Wort
im Abschnitt des Briefes heute verstehen: Christus hat mich nicht gesandt
zu taufen, sondern das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit
gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine
Kraft gebracht wird. Diesen Zusammenhang von Kreuz und Einheit muß
ich Ihnen nun zu verstehen helfen.
Wieder und wieder wird in
unserer pluralen Welt, die vielfältig ist an religiösen Bekenntnissen,
diskutiert, ob nicht der Glaube an einen einzigen Gott notwendig zu
Intoleranz und Gewalt führe. Auf dem Hintergrund der Anschläge
in Ägypten gegen die koptischen Christen bekommt diese Frage eine
erschreckende Dringlichkeit, wenn die Anhänger des Monotheismus
sich untereinander ums Leben bringen. Denn zuerst und eigentlich bedeutet
ja der Ein-Gott-Glaube, daß es sich mit diesem und seiner einen
Moral besser leben läßt, als wenn man immer tausend andere
Mächte mitbedienen muß. Der EINE hat das Monopol der Gewalt,
er bestimmt. Er ist der Herr, alle anderen Sklaven; er ist der Vater,
die anderen Geschwister. Alle, die ihm anhängen, sind gleich. Das
ist die Gelegenheit zum Frieden! Denn, wo er der Herr ist, kann sich
keiner über den anderen erheben.
Für Paulus nun ist der
Glaube an Jesus eine radikale Verschärfung des Glaubens an einen
Gott. Und eben das kommt im Wort vom Kreuz für ihn zum Ausdruck.
Denn das Kreuz setzt einen krassen Unterschied zwischen Gott und Welt.
Dann gibt es nämlich keine Ausflucht mehr in den Götzendienst.
Der Gott, der Jesus ans Kreuz führt, ist kein Götze unter
anderen, wie Menschen ihn sich ausdenken könnten, weil das Kreuz
und die damit verbundene Logik allem, was in unserer Welt gilt, total
entgegen gesetzt ist. Dem entsprechend ist der Widerstand gegen das
Kreuz kaum groß genug zu denken. Alles, wo wir uns selber rühmen,
alles, womit wir Gott seinen Anspruch streitig machen, steht in Opposition
zum Kreuz Jesu Christi und führt automatisch zu Streit und Unfrieden
unter uns. Wenn wir das weiterdenken, hin auf die Werte unserer Gesellschaft,
auf unsere Prinzipien, nach denen wir unser Leben organisiert haben,
dann fällt die Bewertung erschreckend aus. Sie sind alle nichts
wert, weil sie im letzten nur Instrumente im Krieg aller gegen alle
sind: die Leistung, die Schönheit, der Besitz, das Vergleichen.
Paulus will, daß seine Christengemeinde in Korinth auf diese Scheinwerte
systematisch zu verzichten lernt, weil ihre Funktion nur darin besteht,
im Krieg des Neides verheizt zu werden, wo jeder gegen jeden steht.
Diese systemkritische Funktion
des Kreuzes, die gegen alle Gesetze steht, die dem Leben feind sind,
gilt es in unseren Gemeinden zu kultivieren. Wir reden viel vom Kreuz
in den Gebeten der Liturgie, sein Zeichen kommt allenthalben vor. Aber
seine innere Kraft hat das Kreuz weitgehend eingebüßt; das
muß ich nüchtern festhalten. Und trotzdem ist es doch das
Kreuz, das unserem Glauben sein eigentliches Profil gibt, das es zu
schärfen gilt in einer Umgebung, wo alles gleich gültig sein
will.
Das Kreuz ist subversiv. D.h. es unterwartet die Machtstrukturen, mit
der wir Menschen einander beherrschen und bewerten. Hier hat unsere
christliche Botschaft wesentliches zu sagen und beizutragen zu einer
Kultur der Gleichheit aller Menschen. Das soll in unserer Gemeinde erfahrbar
werden - für Arme, für Hilfesuchende, für Außenseiter.
Das Kreuz ist kritisch. D.h. an ihm scheiden sich die Geister. Wir dürfen
seine dahin gehende Kraft nicht reduzieren oder gar ausmerzen. Ob einer
Christ ist, wird sich dort ablesen lassen, nicht auf seinem Taufschein,
nicht an seinem Kirchgang, nicht am Eintrag in seiner Lohnsteuerkarte
- sondern ob er der Kraft Gottes mehr vertraut als jeder Menschenfähigkeit.
Das Kreuz ist anders. D.h. es steckt in ihm ein Prinzip, daß sich
mit unseren Möglichkeiten nicht wird ganz verstehen und ausloten
lassen. Im Blick auf das Kreuz kommt Gott unmittelbar ins Spiel. Und
wir gehen nicht in uns selber auf. Wir ahnen, daß wir uns selbst
nicht genug sind, daß es nicht genügt, bloß menschlich
zu sein, daß wir vielmehr Gottes bedürfen, um heil zu werden.
Erst wenn wir das Kreuz beherzigen, wird jenes Licht aufstrahlen, daß
die Finsternis hell machen kann. Aber genau das wollen wir doch.
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