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Predigt
am zweiten Fastensonntag
in St. Michael
Wir haben uns mit Beginn
der Vorbereitungszeit auf Ostern sicher alle einiges vorgenommen:
Verzicht auf materielle Dinge
Auf lieb gewordene Gewohnheiten
Altes ausputzen, alte Häute ablegen
Eingemottetes ausräumen, aufbrechen
Sich be-Sinnen, neu orientieren
Auf welchem Weg lägen
nicht auch Durststrecken, Einbrüche
Der heutige Sonntag stellt
uns mit seinen Bibeltexten Leuchtpunkte, Ermutigungs- und Orientierungszeichen
auf
Predigt zu Mt 17, 1-9
"So laßt uns denn
drei Hütten bauen."
Ich denke, daß die meisten von Ihnen schon ähnliche Wünsche,
Gedanken gehegt haben, wenn eine Situation gut tut, etwas gelingt, man
sich wohl fühlt, wenn wir etwas schönes genießen, ein
gutes Gespräch, ein schönes Bild, ansprechende Musik, einem
gute Gedanken kommen, sich Perspektiven auftun, kurz wenn wir zu-Frieden,
wenn wir glücklich sind...
Wir wollen den Augenblick, den ach so flüchtigen, festhalten, wir
spüren, daß wir den unerbittlichen Fluß der Zeit einhalten
wollen, wenn wir die tieferen Dimensionen der Wirklichkeit aufblitzen
sehen, erahnen können...
Auf diesem Hintergrund der
eigenen Erfahrungen können wir den Wunsch des Petrus verstehen,
der in der Mitte des heutigen Evangeliumsabschnittes steht
Die Situation des Berges: die Lehre (Mose, Seligpreisungen), die Versuchungsszene
- und jetzt die Verklärung: das Leuchten von innen, das Strahlen
des Gesichtes, die umfassende Bestätigung und Bekräftigung
durch Gott, der Ausblick auf die Vollendung
Wer kann es uns verübeln, daß wir das festhalten wollen,
daß wir uns hier heimisch machen wollen
Und genau dazu setzt die
erste Lesung des heutigen zweiten Fastensonntages den Kontrapunkt:
Wenn Gott Abram beruft, dann verlangt er von ihm Grundsätzliches:
das, was er lieb gewonnen hat, das, was er kennt, seine Gewohnheiten,
die ihm Sicherheit geben, was ihm geläufig ist, Menschen, die er
lieb gewonnen hat, mit denen er aufgewachsen ist, die ihn getragen und
geprägt haben, die ihm Wärme, vielleicht auch manchmal Einengung
gegeben haben - kurz all das, was Heimat, Sippe, Familie heißt,
soll er aufgeben, soll er zurücklassen, sich aufmachen in eine
ungewisse Zukunft, nämlich in ein Land, das der Herr ihm erst noch
zeigen wird - die Zukunft ist offen.
Aufgeben, auf den Weg machen heißt die Devise
Allein mit der Verheißung des Segens, des Beistandes und Mitgehens
Gottes
Segen nicht nur für den einzelnen, sondern für alle, die ihm
wohlgesonnen sind.
Jetzt wäre es interessant
zu erfahren, wie Abraham den verborgenen Gott, der aus der Wolke ruft,
gehört hat. Wie erkannte er die Stimme Gottes in seinem Gewissen?
Diese inhaltsschwere und konsequenzenreiche Stimme, der Ruf, aus der
alten, ererbten Religion seines Vaterhauses auszuziehen. Hat der Sohn
die Schwächen, die Verkrustungen der hergebrachten Religion seines
Vaters durchschaut? Hat er mit seinem Vater gestritten und sich deswegen
getrennt?
Der Text sagt uns dazu nichts. Aber so viel können wir annehmen,
daß Abraham die Welt und die religiöse Praxis in ihr, die
Frömmigkeit, in der er aufgewachsen ist, kritisch betrachtet hat,
daß er seine eigene Verantwortung entdeckt und diese nicht bequem
beiseite geschoben, sondern ernst genommen hat, daß er auf die
Suche gegangen ist, auf ein langwieriges Suchen sich eingelassen hat,
bis er gefunden hat, wohin der wahre Gott ihn führen will.
Es ist also die Leidenschaft nach der Stimmigkeit, nach der Wahrheit,
die ihn antreibt - und die ihn zum Stammvater der Glaubenden werden
läßt, wie wir das - manchmal fast ein wenig klischeehaft
- formulieren, zum Stammvater, zur gemeinsamen Basis dreier großer
Religionsgemeinschaften: der Juden, der Christen und der Muslime.
Im Fundament dieser Religionen
steckt also eine Urdynamik: Man muß es doch als Wunder bezeichnen,
wenn ein Mensch so seine Gewohnheit, seine gewohnte Umgebung, die Heimat,
die Sicherheit der Tradition, die Strukturen verläßt, wenn
ein Mensch sich so selbst übersteigt - das ist eine Transzendenzerfahrung.
Ausgezogen sind viele Menschen
- aus beruflichen Gründen, weil sie Fernweh hatten, aus Abenteuerlust,
weil sie daheim bedrängt oder verfolgt wurden. Wir müssen
heute aus vielen Gründen mobil sein - und äußerlich
sind wir es in der Regel auch.
Aber in dem Sinn, wie es uns die Lesung von Abraham beispielhaft vorstellt?
Da waren auch immer wieder Menschen mobil: die Propheten bei den Juden,
Jesus mit seiner Botschaft, ein Franziskus und viele andere Beispiele
mehr kommen uns da in den Sinn. Und welches Schicksal hatten sie? Mißtrauisch
beäugt, verdächtigt der Ruhestörung, mit Vorwürfen
konfrontiert, sie seien nicht religiös, an den Rand gedrängt,
verfolgt, verketzert usw. Wir dürfen das nicht übersehen,
diese Spannungen gehören zum Bild dieser Heiligen, dieser Außergewöhnlichen,
die uns immer wieder als Vorbild hingestellt werden
Sie haben hingehört, sie haben gerungen um die Stimmigkeit in der
Schöpfung, in den Menschen, der Menschen untereinander und mit
Gott, sie haben die Not der Welt gesehen und darin den Anruf Gottes
gehört.
Sie spürten, daß sie neue Wege gehen mußten, wenn sie
den Menschen gerecht werden wollten. Sie bahnen neue Wege - unter großen
Schwierigkeiten und Opfern. Immer wieder sind in der Gemeinschaft der
Glaubenden solche Gestalten notwendig, solche Bahnbrecher, die neue,
unerhörte Durchbrüche bringen, neue Dimensionen eröffnen.
Menschen, die die schützenden, behaglichen Hütten aufgeben,
in die Fremde, in ein neues Land gehen und dort das Gottesvolk sammeln,
damit es zum Segen werde.
Nur durch den Auszug kommt es zur konkreten, individuellen Erfahrung
von Berufung und Glauben. Der Auszug verwandelt uns zu Sehenden. Wir
müssen die Mauern überspringen, die sich uns unwillkürlich
immer wieder aufbauen durch selbstverständlich gewordene Sehgewohnheiten,
eingeschliffenes Handeln und die Routine des Alltags. Lassen wir uns
herausfordern von denen, die jenseits der Mauern uns mit Ungewohntem
und damit oft auch Unbequemem, Unbehaglichem konfrontieren. Wagen wir
den Schritt ins Offene, dann werden wir verwandelt, denn dann trägt
die Zusage Gottes: Die ihn lieben sind wie der Aufgang der Sonne in
ihrer Macht (Ri 5, 31)
Sie leuchten, sie strahlen, sie weisen uns hin auf eine Vollkommenheit,
auf ein Glück, auf eine Klarheit, auf einen Frieden, nach dem wir
uns letztlich alle sehnen.
In einer ganz besonders intensiven Weise leuchtet uns diese Zielgestalt
in Jesus in der Taborszene des heutigen Evangeliums auf: Christus scheint
als der Vollendete auf und als jener, der zur Vollendung führt.
Er wird kurz vor dem Karfreitag, kurz vor dem scheinbaren Scheitern
deutlich bestätigt. Wir werden ermutigt, auf ihn zu hören,
weil in ihm Gottes verklärende Kraft aufleuchtet.
Die Kraft eines Gottes, der
immer neu herausruft (ekklesia), der das Licht, das Feuer in uns entfachen
will. Ersticken wir es nicht, damit wir nicht graue, fahle Asche auf
den Berg tragen und das Feuer in die Täler werfen müssen,
damit es dort brenne - wie Nietzsche in seinem Zarathustra die Taborszene
umkehrt und uns Christen kritisiert.
Haben wir den Mut, auf den Berg zu steigen, uns dort Klarheit zu verschaffen,
schenken zu lassen über Leben und Sterben, das Feuer in uns entfachen
zu lassen und es hineinzutragen in diese Welt, für die wir ein
Segen sein sollen.
Amen
Fürbitten
Unser Gott, wir stehen vor
Dir. Unsere Sehnsüchte und Wünsche und unsere Schwächen,
Bequemlichkeiten und Enttäuschungen bringen wir in unseren Gebeten
zu Dir:
- Zeige uns den Weg - stets
aufs neue und trotz aller Schwierigkeiten - zu einem Leben, in dem
jede und jeder von uns mit den Talenten, die du uns gegeben hast,
wahre Freude und Erfüllung findet.
- Hilf allen Menschen,
daß sie nicht müde werden, nach neuen Wegen zu suchen,
auch wenn es schwer fällt, die alten zu verlassen
- Laß dort Dein Licht
aufscheinen, sei dort mit Deiner Kraft, wo Menschen kapitulieren wollen
vor den Anforderungen, die das Leben immer wieder neu an sie stellt.
- Gib all jenen Deine Kraft,
die voll Idealismus nach einer neuen und besseren Welt verlangen,
allen, die unzufrieden sind mit den Verhältnissen der Gegenwart,
damit sie sich einsetzen für befreiende, aufbrechende Lösungen
- Gib mit dem Licht Deiner
Verheißung jenen Kraft und Geborgenheit, die der Tod auf den
Weg ruft
Gott, unser Vater, in Jesus
Christus ist am deutlichsten geworden, was Gott mit uns Menschen vorhat:
der Tod soll überwunden, unvergängliches Leben uns geschenkt
werden. Für diese Verheißung danken wir Dir. Amen
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