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Palmarum
/ Palmsonntag (24.3.2002)
Gemeinsame
Palmprozession und gemeinsamer Gottesdienst
der evang. Eberhardsgemeinde und der kath. St. Michaelsgemeinde
Predigt
"Die Gnade unseres Herrn
Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen
Geistes sei mit uns allen! Amen
Liebe Schwestern und Brüder!
Hätte Jesus Köng sein können? Wir haben es eben gehört.
Die Leute jubelten ihm zu. Sie legten ihre Kleider auf die Strasse und
hieben Palmenzweige ab und streuten sie auf den Weg. Zeichen der Anerkennung
und Ehrerbietung. Die Menschen in Jerusalem erkennen ihn, erkennen ihn
an als ihren Propheten, als ihren König.
Sicher, kein König, der protzt mit Prunk und Waffen. Kein König,
der die Achse des Bösen klar zu benennen weiß, gegen die
gekämpft werden muß. Kein König auf einem geschmückten
Hengst, mit einer berittenen Kohorte im Gefolge. Nein, so ein König
konnte und wollte Jesus von Nazareth nicht sein. Bewußt ließ
er sich von seinen Jüngern eine Eselin und ein Eselsfohlen holen,
um zu erinnern an die Worte des Propheten Sacharja:
"Dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm
und sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen,
dem Jungen eines Lasttieres." (Sach 9,9)
Hätte Jesus König sein können?
Liebe Schwestern und Brüder!
Jedes Jahr wieder feiern wir den Einzug Jesu in Jerusalem, ohne Pauken,
aber mit Trompeten, mit bunten Palmgestecken und frohen Psalmliedern.
Wie eine kleine Vorwegnahme des Osterfestes kommt mir unsere Feier auf
dem Sternplatz vor. Und zugleich wissen wir: Jesus wurde nicht König,
jedenfalls nicht in der Weise, wies es die Menge in Jerusalem, wie es
selbst seine Jünger und Jüngerinnen an dem Tag des Einzugs
vielleicht erhofften. Wir wissen von der Woche, die vor uns liegt, die
Karwoche, in der wir Schritt für Schritt dem Leidensweg Jesu folgen
bis zu seiner Hinrichtung am Kreuz.
Nach einem Palmsonntags-Gottesdienst sagte einmal eine Frau zu mir:
"Jetzt hat das alles so festlich und fröhlich auf dem Sternplatz
angefangen mit Musik und den Palmenwedeln und der schönen Sonne,
und hier in der Kirche wurde es dann so traurig, war soviel von Leid
und Tod die Rede. Plötzlich war alle Freude über den Frühling
und die Sonne dahin.... Muß das denn so sein?"
Ja, ich fürchte, dieser Zwiespalt begleitet den Palmsonntag: die
Freude über den Einzug Jesu in Jerusalem, über den ansteckenden
Jubel des Volkes und zugleich das Erschauern über das, was Jesus
in den nächsten Tagen geschehen ist. Auch der Abschnitt aus dem
Hebräerbrief, der uns heute als Predigttext gegeben ist, ist durchzogen
von dieser Spannung zwischen Freude und Angst, zwischen Verzagtheit
und Glaubenszuversicht:
Hebr. 12, 1-3 (Einheitsübersetzung)
"Denkt an den, der von
den Sündern solchen Widerstand gegen sich erduldet hat; dann werdet
ihr nicht ermatten und den Mut verlieren."
Liebe Schwestern und Brüder!
Die Christen in der Gemeinde der Hebräer, an die dieser Brief gerichtet
ist, hatten Angst. Sie waren müde. Die Geschichte mit Jesus war
schon ziemlich lange her. Keiner hatte Jesus und die Apostel mehr mit
eigenen Augen gesehen. Und dennoch drohte ihnen jetzt selber Schande,
Schmähungen und Verfolgungen als Christen. Die Gemeinde war verzagt.
So hatten sie sich ein Leben mit Christus nicht vorgestellt. Lohnte
sich die Anstrengung? War es nicht viel leichter und bequemer sich anzupassen
an die Verhältnisse und den Jesus einen guten Mann sein zu lassen?
Wozu das alles?
An diese Müden und Verzagten schreibt der Autor des Hebräerbriefes:
"Denkt an den, der Urheber und Vollender unseres Glaubens ist,
Anfang und Ziel. Ihm ging es doch nicht anders als euch!"
Auch er war verzagt und müde, als er im Garten Gethsemane betete:
"Vater, lass diesen Kelch an mir vorüber gehen..."
Auch er war enttäuscht von seine engsten Freunden, die einschliefen,
als er ihren Beistand am dringendsten brauchte.
Jesus hatte Angst vor Verfolgung, vor Folter und Tod! Wie ihr!
Jesus von Nazareth hat gewußt, daß er sterben muß.
Hätte er keine Angst gehabt, wäre er dann wirklich Mensch
gewesen?
Er kannte Versuchungen und Anfechtungen.
Jesus von Nazareth entschied sich gegen Ruhm und Ehre und wurde so zum
Urheber und Vollender des Glaubens für die Völker - umgeben
von der Wolke der Zeugen, die dem Gott Israels vertrauten in der Zuversicht
des Glaubens.
Die Wolke der Zeugen - im vorausgehenden 11. Kapitel des Hebräerbriefes
werden sie vorgestellt.
Männer und Frauen, für die der Glaube eine feste Zuversicht
ist, auf das, was man hofft. So heißt es zu Beginn des 11, Kapitels.
Männer und Frauen, von denen in der Bibel Geschichten erzählt
werden, und zwar durchaus nicht nur Heldengeschichten:
Da sind z.B. Abraham und Sara. Sie verließen auf Gottes Geheiß
ihre Heimat, nicht wissend, wo sie hinkommen würden. Als Fremdlinge
wohnten sie im verheißenen Land, in Zelten, angekommen und doch
noch gar nicht ganz da.
Auch sie waren manchmal ängstlich und verzagt auf ihrem Weg ins
Ungewisse. Aus Angst hätte Abraham unterwegs fast seine Frau verkauft.
Und Sara kicherte ungläubig, als die Boten Gottes ihr einen Sohn
verhießen.
Da ist Mose, der sein Volk
aus der Knechtschaft führte und dabei den Zorn des Pharaoh auf
sich nahm, der das Volk durch alle Anfechtungen in der Wüste führte,
über 40 Jahre bis ins gelobte Land. Auch er kannte Anfechtungen
des Glaubens. Er konnte seine Wut nicht beherrschen und erschlug einen
ägyptischen Aufseher, der einen Hebräer quälte und mußte
deshalb zunächst fliehen.
Nein, aus Helden besteht die Wolke der Zeugen wahrhaftig nicht. Doch
bei allen menschlichen Schwächen - eins ist ihnen gemein: Sie alle
haben Gott vertraut und sind dadurch in Widerspruch geraten zu dem,
was Menschen von ihnen erwartet haben. Sie alle sind gegen den Strom
geschwommen.
Mose hätte am Hof des Pharaoh ein reicher und einflußreicher
Mann werden können. Abrham und Sara hätten in Haran als wohlhabende
und angesehene Leute in Ruhe ihren Lebensabend verbringen können.
Warum taten sie es nicht. Warum begaben sie sich in soviel Widerspruch
und Widerstand? Was trieb sie?
"Angesichts der vor ihm liegenden Freude hat Jesus das Kreuz auf
sich genommen, ohne auf die Schande zu achten."
Liebe Schwestern und Brüder!
Was ist das für eine Zuversicht, was für eine Freude, die
diesen Zeugen des Evangeliums Kraft gab, auf Gott zu hören und
ihm zu vertrauen?
Weiter vorne im 4. kapitel kündigt der Hebräerbrief eine sabbathlichen
Ruhe an, eine Ruhe, in der alles Hasten ud Rennen ein Ende findet.
"Denn wer zu Gottes Ruhe gekommen ist, der ruht auch von seinen
Werken so wie Gott von den seinen." (4,10) So heißt es im
4. Kapitel des Hebräerbriefes. So wie Gott am 7. Tag ruhte, nach
dem er alles geschaffen hatte, Pflanzen, Tiere, Menschen und sah, daß
alles sehr gut war, so dürfen auch wir ruhen an seiner Seite, wenn
alles gut ist, für Menschen, Tiere und Pflanzen.
"Es ist noch eine Sabbathruhe vorhanden für das Volk Gottes",
schreibt der Hebräerbrief. Es gibt noch diesen Schalom, diesen
Frieden, ohne Krieg, ohne Hass, ohne Verfolgung, in dem Menschen die
Schöpfung Gottes achten.
Diese Sabbthruhe bei Gott ist das Ziel des Glaubens, das die Wolke der
Zeugen in Bewegung gehalten hat und nach wie vor in Bewegung hält.
Diese versprochene Sabbathruhe löst die Freude aus, die die Mühen
des Alltags erträglich macht. Sie steht uns als Ziel vor Augen
genauso wie der Gemeinde der Hebräer vor 2000 Jahren.
Diese Ruhe ist Ziel des Welttkampfes, in dem wir mit Ausdauer laufen
sollen.
Für einen Wettlauf legt man jedoch allen unnötigen ballast
ab. Lasten, die uns behindern, die wir nicht brauchen, weil wir getragen
sind von der Wolke der Zeugen und Zeuginnen.
"Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle
Last und die Fesseln der Sünde abwerfen."
Christen sind nicht von vornherein frei von Last und Sünde. Im
Gegenteil: Wie die Gemeinde der Hebräer sind auch wir oft müde
und verzagt, auch wenn wir nicht verfolgt und geschmäht werden.
Wir sehen, was nicht gut ist, doch wir fühlen uns oft zu müde,
etwas dagegen tun?
Wir hören nur zu gern auf die Stimmen der Trägheit und der
Besänftigung: "Wer bin ich denn, daß ich den Lauf der
Dinge beeinflussen könnte. Es ist doch alles so komplex, und allein
kannst du eh nichts machen. Die Menschen sind nun mal schlecht.Und die
Bibel liefert auch keine Rezepte für unsere Zeit. Warum denn gerade
ich, die ich so eingspannt bin. es gibt doch auch andere, die mehr zeit
haben als ich..."
In diese Fesseln der Trägheit, sind wir, denke ich, alle mehr oder
weniger verstrickt. Fesseln der Sünde, die oft verquickt sind mit
Lasten von Sorgen, Verletzungen, Traurigkeiten....
Verletzt werden und verletzen, traurig sein und jemand anderes traurig
machen, verzagt sein und sich in seiner Verzagtheit einrichten... Wer
schon einmal geliebt hat, weiß, wie eng beides zusammegehört.
Ja, in der Tat, das sind Fesseln, Verstrickungen, aus den man allein
nur ganz schwer herausfindet.
"Da uns eine solche Wolke von Zeugen umgibt, wollen auch wir alle
Last und die Fesseln der Sünde abwerfen. Befreit von dieser Last
laßt uns mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen, der uns aufgetragen
ist"
Angespornt durch den, "der solchenWiderstand gegen sich erduldet
hat", der das Kreuz auf sich genommen hat, ohne auf die Schande
zu achten."
Das zeigt der weitere Weg jesu von Nazareth, das zeigt die Wolke der
Zeugen: Wer sich einläßt auf den Weg des Glaubens, auf den
Weg des Evangeliums, muß mit Widerstand rechnen. Das war damals
so, das ist heute so:
Heute vor 22 jahren, am 24. März 1980 wurde Bischof Oscar Romero
in El Salvador ermordet, in der Kirche, genau in dem Moment, als er
am Altar Brot und Wein austeilte. Einen Monat zuvor hatte er anläßlich
der Verleihung seiner Ehrendoktorwürde in Löwen gesagt: "Der
Glaube an den Gott des Lebens ist Ausdruck der Tiefe des christlichen
Geheimnises. Um den Armen Leben geben zu können, muß man
vom eigenen Leben abgeben und manchmal auch das eigene Leben hingeben.
Das beste Zeugnis vom Glauben an den Gott des Lebens gibt der, der bereit
ist, sein Leben zu opfern. "Niemand hat größere Liebe
als die, daß er sein Leben läßt für seine Freunde."
(Joh 15,13) Das sehen wir täglich in unserem Land."
Oscar Romero gehört zu jenen Zeugen des Glaubens, aus deren Lebenshingabe
wir für den eigenen Lebensweg Kraft schöpfen.
"Lasst uns mit Geduld, mit Ausdauer in dem Wettkampf laufen..."
Die Geduld des Glaubens darf nicht mit Unterwürfigkeit verwechselt
werden.
Geduld und Ausdauer misstraut den raschen Erfolgen und den kaltherzigen
Siegen, die für die Opfer am Rand blind sind.
Sie trotzt dem Diktat der Tatsachen, die angeblich jede Hoffnung widerlegen
wollen.
Ihr Herz sehnt sich über die Schranke des Todes hinaus.
Sie ahnt, dass es lohnt, den längeren Atem zu bewahren, wenn Versöhnung
über allen aufleuchten soll.
Die Geduld hat einen Vertrag mit der Hoffnung auf den Sieg der Liebe.
"Es ist noch eine Ruhe vohanden für das Volk Gottes."
Auf diese Sabbathruhe, auf diesen Schalom hoffen wir. Einen Vorgeschmack
dieses Schalom, dieser Ruhe können wir jede Woche an dem Tag in
der Woche haben, an dem die Arbeit ruht und an dem auch wir ruhen sollen.
Es liegt an uns, ob wir diesen Tag nutzen. Aber ich denke, es steckt
eine tiefe Einsicht in der talmudischen Weisheit, die sagt: Wenn alle
Juden und Jüdinnen einmal einen Sabbath halten würden, dann
ware das Reich Gottes, dann wäre die ewige Sabbathruhe, der Schalom
da. Wie viel mehr wenn Juden und Christen ihren Feiertag halten würden...
Einen Vorgschmack auf diese Sabbathruhe ist auch das gemeiname Mahl.
In Erinnerung an das letzte Abendmahl, da Jesus mit seinen Jüngern
zu Tische saß und sprach: "Ich sage euch: Ich werde von nun
an nicht mehr trinken vom Gewächs des Weinstocks bis an den Tag,
an dem ich von neuem davon trinke werde mit euch in meines Vaters Reich."
Amen
Fürbitten
Gott, du Quelle des Lebens,
wir danken dir für dein Wort.
Hilf uns, Täterinnen und Täter dieses Wortes zu werden.
Laß uns aufmerksam werden für die Ruhe des Sonntags,
daß wir sie verstehen lernen als Vorgeschmack auf die Ruhe bei
Dir.
Wir rufen zu Dir: Kyrie
Durch die Wolke der Zeugen
und durch deinen Sohn Jesus Christus gibtst du uns Mut, daß wir
nicht müde werden auf dem Weg zu Deiner Ruhe, zu deinem Schalom.
Herr, dafür danken wir dir.
Sei bei allen Müden und Verzweifelten, die das Ziel des Weges aus
den Augen verlieren und nicht mehr wissen, warum sie überhaupt
da sind.
Wir rufen zu Dir: Kyrie
Sei bei allen Gefangenen
und Verfolgten.
Gib ihnen Mut und Geduld auszuharren.
Stell ihnen Menschen zu Seite, die ihnen helfen und sie begleiten.
Wir rufen zu Dir: Kyrie
Sei bei uns, den Christen
deiner Kirchen,
die wir den Weg zu einander und zu dir immer neu suchen.
Öffne uns den Blick für dein Wort.
Begleite uns mit deiner Weisheit, deiner Güte und Barmherzigkeit.
Amen
Geleitwort
Wir setzen unseren Gottesdienst jetzt fort mit der Eucharistiefeier
in St. Michael. Wer schlecht zu Fuß ist oder nicht teilnehmen
möchte, kann gerne hier im Gemeindehaus auf uns warten, um gemeinsam
Mittag zu essen.
Wir gehen jetzt in Stille hinüber in die St. Michaels-Kirche.
St. Michael
Lied zum Einzug GL 815, 1-5
Eucharistie
Lied: GL 178, 1-4
Abkündigungen/Vermeldungen
Segen
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