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Passionsandacht
der Frauenkirche 2002
Flötenvorspiel
Begrüßung (Beate)
Wir feiern diese Andacht
im Namen Gottes,
Quelle unseres Lebens -
im Namen Jesu Christi,
Grund unserer Hoffnung -
im Namen des Heiligen Geistes,
Kraft, die uns belebt.
Amen
Lied: 473, 1-3 "Mein schönste Zier..."
Psalm 42 (Almut)
Gebet (Angela)
Lied: 381, 1-4 "Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?"
Lesung (Doris): Mk 14, 1-9
Musik
(Währendessen Duftlämpchen anzünden)
Verkündigung
Sprecherin I (Jesus): Andrea
Nur noch zwei Tage bis zum Pessachfest. Menschen aus ganz Israel sind
nach Jerusalem gepilgert, um am Pessachfest im Tempel zu opfern. Sie
opfern in Erinnerung an das Lamm, das die Israeliten aßen bevor
sie aufbrachen aus Ägypten, aus der Knechtschaft.
Nur noch zwei Tage bis zum Pessachfest. Zwei Tage, in denen so viel
passiert. Jesus weiß, daß die Hohenpriester und Schriftgelehrten
nach ihm suchen und ihn töten wollen. Er weiß, daß
auch die römische Besatzungsmacht nur zu froh ist, wenn sie einem
solchen Unruhestifter wie ihn los ist.
Jesus ist auf der Hut. Nicht in Jerusalem nächtigt er. In Bethanien,
einem kleinen Dorf außerhalb der Haupstadt. Bei Freunden ist er
untergekommen. Bei Simon, der aussätzig war, sitzt er mit Freunden
zusammen und ißt.
Sprecherin II (Prophetin):
Karo
Da kommt eine Frau herein.
Niemand scheint sie zu kennen.
Niemand weiß ihren Namen.
Sie sagt kein Wort.
Sie geht auf Jesus zu. Ein Gefäß aus teurem Alabaster hat
sie bei sich.
Sie zerbricht die Alabasterflasche und gießt gut riechendes Öl
über Jesu Haupt. Der Duft von teurem Nardenöl breitet sich
im Raum aus.
Keiner sagt etwas, auch Jesus nicht. Alle schauen gebannt zu.
Wer ist diese Frau? Was will sie?
Warum sagt Jesus nichts?
Sprecherin III (Tischgenossen):
Renate
Schließlich können einige nicht mehr an sich halten. Es bricht
aus ihnen heraus: "Was soll die Verschwendung? Man hätte doch
das Öl verkaufen und das Geld den Armen geben können!"
Sie haben ja selber nicht viel. Und hat Jesus nicht erst vor kurzem
zu dem reichen Jüngling gesagt: "Geh hin, verkaufe alles,
was du hast, und gib´s den Armen, so wirst du einen Schatz im
Himmel haben, und komm und folge mir nach!" (Mk 10,21)?
Sie haben von ihrem Meister Jesus gelernt, die da am Tisch sitzen. Sie
wissen, worauf es ankommt....
Und dann kommt da diese Frau, zerbricht ein Alabaster Gefäß
und überschüttet Jesus mit teuerstem Öl. Was soll die
Verschwendung?
Zugleich spüren sie: Was hier geschieht, ist nicht einfach eine
Geste, mit der eine gefühlvolle Frau ihre Zuneigung zu Jesus ausdrücken
will. Nein, hier geschieht etwas, das Bedeutung hat in der Geschichte
des Volkes Israel. Ihre Handlung weckt Erinnerungen:
Hat nicht auf diese Weise der Prophet Samuel den ersten König gesalbt
- Saul, der seine Eselinnen suchte, und auch den großen König
David, der einmal ein kleiner Hirtenjunge war ?
War Jesus nicht gerade erst begrüßt worden in Erinnerung
an diesen König, als er in Jerusalem einritt auf einem Esel: "Hosianna
dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!"?
Sprecherin I: Andrea
Und Jesus? Warum sagt er nichts? Warum läßt er sie gewähren?
Nicht die Frau weist er zurecht, sondern seine Tischgenossen: "Laßt
sie in Frieden. Was betrübt ihr sie?"
Mit Öl wurden nicht nur Könige gesalbt, Nardenöl wird
auch zur Salbung der Toten verwandt.
Jesus weiß, daß er sterben muß. In verschiedenen Äußerungen
hat er versucht, seine Jünger darauf vorzubereiten. Sie haben es
nie ganz ernst genommen, nie wirklich geglaubt. Mal haben sie angefangen
zu streiten, mal sind sie eingschlafen, mal weggelaufen Bis zum Schluß
können sie es nicht fassen, daß ihr Lehrer und Meister wirklich
stirbt. Noch auf dem Weg hinauf nach Jerusalem "entsetzten sich,
die ihm nachfolgten, und fürchteten sich." (Mk. 10,32)
Sprecherin II: Karo
Die Frau in Bethanien hat keine Angst. Sie sieht der Wahrheit ins Auge.
Sie sieht voraus, was mit Jesus geschehen wird. Sie erkennt: Jesu Weg
führt in den gewaltsamen Tod. Sein Königtum kostet ihm das
Leben. "Sie hat im voraus meinen Leib für das Begräbnis
gesalbt ."
Sie nimmt die Totensalbung vorweg, denn sie weiß: Nach der Hinrichtung
wird es keine Gelegenheit mehr dazu geben.
Sie setzt ein Zeichen. Und dies ist ein Zeichen der tiefen Solidarität
mit Jesus und seinem Weg. Dafür ist ihr nichts zu teuer. Was ist
schon dieses Öl gegen das, was er tut: Jesus, der Messias, der
Gesalbte, gibt sein Leben hin für viele.
Sprecherin I: Andrea
Jesus versteht die tiefe Bedeutung dessen, was die unbekannte Frau an
ihm tut. Und er bringt es zum Ausdruck: "Amen, ich sage euch: Überall
auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an
sie erinnern und erzählen, was sie getan hat."
Sprecherin IV: Beate
In aller Welt, überall wo das Evangelium verkündigt wird?
Dann müßten ja auch wir sie kennen, diese Frau und ihre Geschichte?
Wir kennen Petrus, der Jesus verleugnete, und Judas, der Jesus verriet
- und wir kennen Johannes, der Jesus taufte. ... Aber diese Frau, die
Jesus für sein Begräbnis im vorraus salbte? Wir kennen nicht
einmal ihren Namen.
Und ihre Tat wurde im Laufe der Zeit mehr und mehr verharmlost:
Die Geschichtsschreiber waren über sie vielleicht ähnlich
irritiert, wie die Menschen, die mit Jesus zu Tische saßen. Eine
Frau, die Jesus als Prophetin gegenübertritt? Die sich über
ihn beugt und ihn salbt? Schon der Evangelist Lukas hält es nicht
für möglich von einer solchen Frau zu berichten. Er hat die
Erzählung über sie aus der Passionsgeschichte Jesu herausgenommen.
Die unbekannte Frau ist bei ihm eine stadtbekannte Sünderin, die
sich weinend zu Jesu Füßen hockt, sie mit ihren Tränen
netzt, mit ihren Haaren trocknet und mit kostbarer Salbe salbt. Jesus
sieht zu ihr herab. Auch die anderen Männer, die an ihr Anstoß
nehmen, sehen auf sie herunter. Ihr Gesicht sehen sie nicht. Es ist
eingehüllt in den Haaren.
Das prophetische Zeichen der unbekannten Frau wird zu einem Liebesdienst,
das der Diener dem Hausherren oder der Hausherr seinem Gast erweist.
Auch das Johannesevangelium berichtet von einer Fußsalbung. Hier
wird die Frau mit Maria identifiziert, der Schwester von Martha und
Lazarus, die in Bethanien lebten. Maria sitzt zu Jesu Füßen,
um ihm zu lauschen, während Martha sich um die Geschäfte des
Haushalts kümmert. Da nimmt Maria das Salböl, salbt Jesus
die Füße und trocknet sie mit ihren Haaren.
Viele Kunstwerke stellen die Fußsalbung dar. Von der prophetischen
Salbung des Hauptes findet sich kaum eines. Die zu Jesu Füßen
kniende Sünderin paßt besser in unser Bild als die über
ihm stehende Unbekannte, die eine prophetische Handlung vollzieht.
So rückt die Frau, die Jesus zu seinem Begräbnis salbte, mehr
und mehr in den Hintergrund. Gegen Jesu Prophezeiung: "Überall
auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird, wird man sich an
sie erinnern und erzählen, was sie getan hat."
Die Frau im Markusevangelium
ist eine Prophetin. Sie setzt ein Zeichen, ein Zeichen tiefer Solidarität
mit dem, der auf dem Weg zum Sterben ist. Sie gibt, ohne empfangen zu
wollen.
Sie sieht: es gibt keinen anderen Weg. Sie steht ihm bei, sie bleibt
bei ihm. Sie steht für die vielen anderen Frauen, "die ihm
nachgefolgt waren, als er in Galiläa war, und ihm gedient hatten,
und mit ihm hinauf nach Jerusalem gegangen waren." (Mk 15,40-41),
für die Frauen, die unter dem Kreuz standen, als Jesus starb und
die die ersten Zeuginnen der Auferstehung wurden, als sie seinen Leichnam
salben wollten.
Nehmen wir uns ein Beispiel an der unbekannten Frau. Halten wir das
Leid Jesu aus und versuchen es nicht durch den zu schnellen Blick auf
Ostern zu überdecken.
Halten wir das Leid unserer Mitmenschen aus, hier in unserem Land, und
in all denen Ländern, in denen Krieg und Gewalt herrschen. Schauen
wir nicht fort. Nur dann können wir es ändern.
Nehmen wir die Worte Jesu ernst und erinnern uns an die namenlose Prophetin,
die zum Mahl kam bei Simon: "Sie hat im voraus meinen Leib für
das Begräbnis gesalbt." Denn als die Frauen kamen, nach dem
Fest, um den Leichnam zu salben, ist der Stein weggerollt. Das Grab
ist leer.
"Gehet hin und sagt es seinen Jüngern......"
"Überall auf der Welt, wo das Evangelium verkündet wird,
wird man sich an sie erinnern und erzählen, was sie getan hat."
Amen.
Musik
Fürbitten (Almut)
Lied: 629, 1-3 "Fürchte dich nicht"
Abkündigungen
Segen (EG S. 1147)
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