Predigten

 

... auferweckt zu einem Leben gegen den Tod
Ostergedanken über das Wort AUFERWECKUNG
31.3.2002 in St. Michael und St. Pankratius Tübingen

Da Sie heute Morgen - in (aller) Frühe - den Weg hierher gefunden haben, ste-hen Sie kaum im Verdacht zu den verschlafenen Zeitgenossen zu gehören. Die liegen nämlich derzeit noch im Bett, reiben sich schlaftrunken die Augen und versuchen dem Sonntag, dem Osterfest das abzuringen, wonach ihnen der Sinn steht: länger auszuschlafen als am Arbeitstag, einen Ausflug ins Grüne, ein gemütliches Frühstück im Kreise der Familie.

Allerdings, damit wir uns nicht mißverstehen, möchte ich nicht behaupten, es läge an unserem Kirchgang allein; als ob es lediglich darauf ankäme, an Ostern den Gottesdienst zu besuchen - als sei dies eine Garantie dafür, ein wacher Zeitgenosse zu sein. Garantie ist das keine. Aber es ist zumindest ein Hinweis darauf, daß Sie Ihre Prioritäten anders setzen als andere. Und wenn wir den jüngsten Umfragen der Presse und des Fernsehens vor Ostern Glauben schenken dürfen, dann gehören wir mit unseren Wichtigkeiten bald zu einer Minderheit in unserem Land. Weil viele, und immer mehr offenbar, gar nicht mehr wissen, was Ostern bedeutet, warum es dieses Fest gibt. Und damit - achten Sie auf die Konsequenzen, die ich anzudeuten versuche - und damit auch nicht mehr verstehen, was alles mit dem zu tun hat, was wir jedes Jahr einmal, am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, heute wieder, feiern:
- warum unser Staat diesen Tag und dem morgigen und den Karfreitag zum Feiertag mit Arbeitsruhe erklärt hat
- weshalb wir am Sonntag das ganze Jahr über die Arbeit niederlegen, diesen Tag für Feste und Geiern nutzen, und mit ihm als erstem Tag eine neue Woche beginnen
- daß die Taufe an Ostern ihren Ausgangspunkt nimmt
- wie wir unsere Begräbnisse vollziehen, nämlich mit Blick auf das ewige Leben
- inwiefern es - und dies ist nun die grundlegendste und weitreichendste Folge - wegen Ostern einen Grund gibt, sein Leben anders zu leben: als Arzt, als Lehrer, als Rentnerin, als Mutter, als Schüler.

Die Auferweckung - so sagt Paulus im Grunde stets, wenn wer vom neuen Leben Jesu spricht - ist eine Aktivität Gottes, ein machtvolles Handeln, keine harmlose Erscheinung. Die Evangelisten beschreiben diese Aktivität als Erdbeben, als Engelserscheinung, als weggewälzten Stein, als zu Boden fallende Wächter. Keiner, der tatsächlich beteiligt ist, bleibt wie er zuvor war.

Wir feiern, daß sich an Ostern das Aussehen und der Inhalt unserer Welt verändert hat, weil Gott seinen Sohn Jesus von den Toten auferweckt hat und damit der einen Tatsache den Garaus machte, die unser Dasein bestimmt wie keine zweite - unser Dasein als Schülerin, als Vater, als Pensionär, als Professorin, als Arzt: daß wir sterben müssen, und daß der Tod uns begegnet, als unser Feind, auf Schritt und Tritt, unser ganzes Leben lang.

Wenn ein junger Mensch nicht so lieben darf, wie er es ehrlich/natürlich empfindet, nicht den Menschen, mit dem er eben dieses wunderbarste Gefühl teilt, das wir Liebe nennen, unabhängig von Geschlecht, von Herkunft, und auch unabhängig von den Vorstellungen seiner Eltern ... - Tod.

Ein Rentner, der einmal seiner Arbeit entledigt, nicht mit sich anzufangen weiß, statt dessen verbittert, und keinen Sinn mehr für sich sieht ... - Tod.

Verzweifelt ein Lehrer an seinen Schülern, weil sie immer nochmals anders sind, als er es sich ausmalt; hört er gar auf, sich für sie zu interessieren, als der Liebe bedürftige Wesen, jedes einzelne ... - Tod.

Oder wenn ein Jugendlicher keinen Blick entwickeln kann für die Schönheiten des Lebens, seiner Umwelt, die es trotz allem Widrigen, überall gibt, wenn er/sie nicht lernt sich gegen feindliche Einflüsse zu schützen ... - Tod.

Es gäbe so viele Möglichkeiten, meine Beobachtungen fortzusetzen; und Sie, liebe Schwestern, liebe Brüder, können mühelos Ihre Erfahrungen einreihen. Der Tod ist allgegenwärtig. Aber: Wir sind nicht machtlos gegen ihn! Das wissen wir geradeso. Und die Tatsache, daß wir ihn wahrnehmen, seine Logik er-kennen, daß wir über ihn sprechen, ist bereits der erste wichtige Schritt im Kampf gegen ihn. Dazu bedarf es der Wachheit, die ich für eine, wenn nicht die österliche Tugend überhaupt halte. Ostern will uns dazu bewegen aufzuwachen. Wenn Gott seinen Sohn auferweckt hat, und dieser Vorgang in meinem, in unse-rem Leben eine Bedeutung hat, dann hat er auch uns auferweckt, hat uns wach gemacht. Unsere Lebenskraft muß dagegen ankämpfen vor uns hinzudösen, Langweiler zu sein und Schlafmützen. Die Auferweckung Jesu ist Antrieb, als wacher, aufmerksamer Zeitgenosse durchs Leben zu gehen.

Die dazu gehörenden Konsequenzen sind schnell benannt, aber sie erfordern schon unsere Konzentration ganz. Was muß einer tun, der österlich wach durchs Leben geht?

1. Wissen, was in unserer Welt vor sich geht

- Beschleunigung
- Sinnfeindlichkeit
- Ignoranz der Wahrheitsfrage

2. nicht in den Tag hinein leben; aufmerksam sein - für gutes Neues, für schädliche Veränderungen

3. sich unterscheidbar machen; als Christ nicht alles mitmachen

4. Hand anlegen, wo es darauf ankommt, aus dem Augenblick heraus

5. persönliches Profil zeigen; wissen, was ich will; eindeutige Prioritäten setzen

Liebe Brüder und Schwestern, daß wir miteinander Ostern feiern, mag eine Frage der Gewohnheit sein. Diese ist dann begründet und gut, wenn die Wachheit, die diesem Fest zugrunde liegt, sich überträgt auf unsere gesamte Einstellung dem Leben gegenüber.
Amen.


 

 

Kirch am Eck
Predigten
Religiöse Fragen
Texte
Aktuelle Infos
Menschen in Not
Kirchenasyl
Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung
Für Sie gelesen
Humor
Französisches Viertel
Flohmarkt am Eck 
ohne Geld
Die Seite für Ausländer
Links
Chat
 Wir über uns

 

Webmaster