Predigten

 

Weihnachtspredigt in der Kirch am Eck
am 24. 12. 2002 (22 Uhr)

Die Frauen, die Jesus ins Stammbuch geschrieben wurden
Predigt zu Mt 1, 1- 25

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Christnachtgemeinde!

Befremdlich karg ist die Weihnachtsgeschichte, die wir gerade gehört haben.
Keine Volkszählung, keine Herbergssuche. Nicht einmal ein Stall: keine
Hirten, keine Schafe, keine Krippe, kein Kind auf Stroh gebettet, nichts von
Ochs und Esel.
Unromatisch kommt diese Weihnachtsgeschichte daher.

Das Bild von der heiligen Familie will nicht so recht vor unserem Auge
entstehen. Im Gegenteil: Die Geschichte hat etwas Anrüchiges. Josef, der
fromm ist, will Maria, seine Verlobte verlassen, denn sie ist ohne sein
Dazutun schwanger geworden.

Heimlich will er sich absetzen, kein Aufsehen machen. Er ist gerecht. Aber
seinen Ruf gefährden mit so einer Frau - davor hat er Angst.

Da greift der Engel Gottes ein. "Joseph, du Sohn Davids, fürchte dich nicht!"
Joseph hört auf die Stimme des Engels.

Er nimmt die Vaterschaft an. Und so kann das Neue Testament beginnen mit dem
Satz:
"Dies ist das Buch von der Geschichte Jesu Christi, des Sohnes Davids, des
Sohnes Abrahams."

Das heißt die Jesus-Geschichte hat eine Vorgeschichte in der Geschichte
derer, die sich, wie Abraham von Gott rufen ließen - und die sich im Namen
Abrahams und Saras segnen und grüßen.

Und dann folgt ein Stammbaum, der mit Abraham beginnt und mit der Geburt Jesu
endet.
"Abraham zeugte Isaak,
Isaak zeugte Jakob,
Jakob zeugte Juda...."

Und so geht es weiter und weiter... In einer nicht endenwollenden Kette reiht
sich Name an Name, Generation an Generation... Nicht Jahreszahlen von
Schlachten und großen Kriegen, nicht Taten großer Männer macht hier
Geschichte aus, sondern die Abfolge von Generationen, von Geburten. Ich will
jetzt nicht die 42 Namen vorlesen, die hier am Anfang von Matthäus stehen.
Doch seien wir uns bewußt: auch sie gehören zu unserem Weihnachtsevangelium.
Diese Namen zeigen: Jesus ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Mensch
geworden. Er ist Sohn des Joseph und der Maria. Auch er trägt sein Päckle mit
sich, das einer jeden von uns durch unsere Vorvorderen mitgegeben wird -
durch Geburt, durch Erziehung, durch Familiengeschichte. Auch sein Leben hat
einen Anfang mit all den Hoffnungen, die sich mit einer Geburt verbinden, und
endet mit Ängsten vor dem Tod.
42 Namen, 42 Männernamen. - Eine nicht enden wollende Reihe von Vätern und
Söhnen. An vier Stellen wird diese Kette jedoch sehr auffällig durchbrochen.
Da tauchen vier Frauen auf. Nicht die Stammmütter Israels, Sara, Rebekka, Lea
und Rahel, wie man vermuten könnte, sondern vier windige, zwielichtige
Gestalten.
Schillernde Geschichten ranken sich um ihr Leben.
Wer waren sie? Warum werden sie genannt? Ich möchte sie kurz vorstellen.

1. Die erste ist Tamar.
Tamar verkleidet sich als Hure, um ihren Schwiegervater Juda zu zwingen,
ihr den Platz in seiner Familie zu geben, der ihr von Rechts wegen zusteht.
Und Juda erkennt am Ende der Geschichte: "Sie ist gerechter als ich." (Gen
38, 26)

2. Die zweite Frau ist Rahab, eine Kanaaniterin. Auch sie eine Hure. Sie
gewährt den Kundschaftern des Josua Schutz und ermöglicht ihnen die Flucht
aus der Stadt Jericho. In der jüdischen Tradition wird sie verehrt als eine
Gerechte aus den Völkern.

3. Da ist Rut, die Moabiterin. Nach ihr ist ein ganzes Büchlein der Bibel
benannt. Mit ihrer israelitischen Schwiegermutter Noomi bleibt sie allein
und kinderlos zurück. Die beiden Frauen halten zusammen und erreichen so,
dass Rut Boas, einem reichen Verwandten der Noomi, heiratet. Sie bekommt ein
Kind und Noomi, die alte Frau, deren Hände leer waren, wird reich beschenkt:
ein Kind sitzt auf ihrem Schoß - und es gibt Brot in Fülle.

4. Und zum Schluss Bathseba, die Frau des Uria, des Hethiters.
Sie badet sich vor den Augen des König Davids. David holt sie zu sich und
sie wird schwanger. Um sie ganz bei sich haben zu können, schickt König
David ihren Ehemann an die Front, dass er stirbt. Das Kind, das sie bekommt,
heißt Salomo. Das heißt Frieden. Verschlungen sind die Wege es Herrn

Vier Frauen - vier Geschichten - das sind die Mütter, die Jesus ins Stammbuch geschrieben werden. Frauen mit merkwürdigen Geschichten.
Auffällig ist, dass alle vier Ausländerinnen gewesen sind.
Sie repräsentieren die Völkerwelt, die Israel umgeben hat.

In diesen undurchsichtigen und fragwürdigen Frauen ist die Welt anwesend. In
ihnen wird Israel zum Licht der Völker. In ihnen wenden sich die Völker
Israel zu. Und so spannt sich der Bogen des Matthäus-Evangeliums vom ersten
bis zum letzten Vers, in dem der auferstandene Christus zu seinen Jüngern
sagt: "Gehet hin und macht zu Jüngern alle Völker...." (Mt 28, 19-20)

Auffällig an diesen Frauen ist, dass die Geburten ihrer Kinder nie
selbstverständlich, ja eigentlich unmöglich waren. Immer gibt es eine
Vorgeschichte, die von Not, Elend oder auch Schuld erzählt. Und dennoch gibt
es Zukunft. Und dennoch wird ein Kind geboren.

Wir sehen: das Volk Gottes ist keine auserwählte fromme Schar, sondern eine
Ansammlung von schwachen und sündigen Menschen. Politisch Mächtige und
Korrupte wie König David oder Juda und politisch ohnmächtige und kluge wie
Rut und Noomi gehören dazu.

Das besondere an diesen Geburtsgeschichten ist:
Die Sünder erkennen ihre Sünde: Sowohl Juda, als auch später David gestehen:
"Ich habe gesündigt gegen den Herrn."
Und die Frauen erkennen ihre unmöglichen Geburten als Hinweis Gottes: Er will
Leben, Leben in Frieden.
Davon können Tamar, Rahab, Rut und Bathseba ein Lied singen.
Ein Lied, das Maria in den Ohren geklungen hat, als sie erfuhr, dass sie
schwanger ist.

Und so ist die fünfte und letzte Frau, die Jesus ins Stammbuch geschrieben
wird, seine Mutter Maria:
"Jakob zeugte Josef, den Mann der Maria, von der geboren ist Jesus, der da
heißt Christus."
Auch seine Geburt eigentlich eine unmögliche Geburt, die Zukunft eröffnet für
alle Welt.

"Dem sollst du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren
Sünden."
Der Name ist Programm. Durch den Bericht von der Geburt Jesu lädt das
Matthäus-Evangelium alle ein, zum Volk Gottes, zur christlichen Gemeinde
dazuzukommen.

"Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei gekommen!"
So wird der neugeborene Christus drei Jahrzehnte später seine Predigt
beginnen. Und er wird essen mit Sündern und Zöllnern. Er wird Kranke heilen
und Traurige trösten. Und dann wird er das letzte Pessach-Mahl mit seinen
Jüngern feiern und sagen: "Das ist mein Leib... Das ist mein Blut, das Blut
des Bundes, das für viele vergossen wird."

"Und sie werden ihm den Namen Immanuel geben, das heißt Gott mit uns."
In Jesus Christus ist Gott mit uns. In dem wir miteinander essen vom Brot des
Lebens und trinken vom Kelch des Heils ist er mitten uns. Er lädt uns ein an
seinen Tisch, wo immer wir herkommen.

Er tröstet Einsame, und richtet auf Verzweifelte.
Er stärkt die, die Angst haben in der Welt,
Angst vor einem neuen Krieg,
Angst vor Armut,
Angst vor Sinnlosigkeit.
So wie es Maria, seine Mutter verheißen hat:
"Er stößt die Gewaltigen vom Thron
und erhebt die Niedrigen.
Die Hungrigen füllt er mit Gütern
und lässt die Reichen leer ausgehen.
Denn seine Barmherzigkeit währt
von Geschlecht zu Geschlecht
bei denen, die ihn fürchten."
Amen

 

 

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