Predigten

 

Oster-Zweifel

"Ich glaube nur, was ich sehe" - so redet der moderne Skeptiker, der sich nichts vormachen will. Er hat einen Bundesgenossen im Neuen Testament, im Johannesevangelium. Thomas, einer der Zwölf, verlangt noch mehr: "Wenn ich nicht an seinen Händen das Mal der Nägel sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben!" Die Zumutung ist unerhört. Doch Jesus verweigert sich nicht. Er zeigt sich seinem verzweifelten Jünger: "Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!" Freilich sagt er auch: "Weil du mich gesehen hast, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!" Damit ist der Standpunkt der Nachgeborenen beschriebenen, die keinen unmittelbaren Eindruck von Jesus haben. Aber die nicht sehen können und doch glauben sollen, sind deshalb nicht ohne jeden Anhaltspunkt. Es gibt die Aussagen derer, die gesehen haben, niedergelegt in dem "Buch", das von Jesu sichtbaren Zeichen handelt, "damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen." (Johannes 20,24-31).

Es ist das Ostergeschehen selbst, durch das mitten im Neuen Testament die Frage nach der Möglichkeit und Unmöglichkeit des Glaubens aufbricht, nach der Glaubwürdigkeit der Augenzeugen und nach der Sichtbarkeit des Heilsgeschehens. Die Zweifel am Osterglauben sind so alt wie der Glaube selbst. In der Aufklärung spitzen sie sich kirchen-kritisch zu: Haben sich die Jünger die Ostergeschichten nicht nur ausgedacht, um am Ende doch als Sieger dazustehen?
Die moderne Psychologie gibt solchen Verdächtigungen neue Nahrung: Wollten die Jünger am Ende nur ihre enttäuschten Hoffnungen aufarbeiten, ihre Schuldgefühle bewältigen, vielleicht auch ihre Abneigungen freien Lauf lassen? Dieser Verdacht scheint vielen
einzuleuchten: Was darf man von den Auferstehungsgeschichten wirklich glauben? Wer weiß schon genau, was passiert ist? Wer hat überhaupt etwas gesehen? So zu fragen, ist normal. Der Glaube an die Auferstehung Jesu ist alles andere als selbstverständlich.
Er ist überaus fragwürdig. Dass ein Toter wieder lebendig wird, ist unglaublich. Dass ein
Sterblicher zur Rechten Gottes erhöht wird, leuchtet der Vernunft nicht ein. Dass ein Gekreuzigter, Gescheiterter der Sohn Gottes sein soll, ist widersinnig.

Es sind gerade die natürlichen Zweifel, die den Glauben von falschen Selbstverständ-lichkeiten befreien. Und ein Glaube, der von Zweifeln geplagt wird, ist ein zutiefst menschlicher Glaube. Aber von Zweifeln kann man nicht leben. Im Ungewissen kann man nicht bleiben, nicht, wenn es um Leben und Tod geht. Die Wahrheitsfrage ist gestellt. Sie richtet sich auf die Glaubwürdigkeit der Zeugen und auf die Wirklichkeit des Ostergeschehens. Und diese Wirklichkeit ist ein Geheimnis. Geheimnisse kann man aber nicht lösen und lüften wie ein Rätsel. Geheimnisse werden offenbart, nicht dem Verstand, sondern dem Herzen. Wer aber meint, nur das glauben zu können, was er sieht, der bleibt an der Oberfläche der Wirklichkeit, der sieht nur immer bis zur Grenze, bis zum Tod. Die Wirklichkeit aber hat eine Tiefe. Und in diese Tiefe sieht nur das erleuchtete Herz. Um solch ein sehendes Herz können wir nur bitten.

Aber es ist gut, von Thomas, dem Zweifler zu wissen. Denn diese Geschichte zeigt:
Auch der Zweifel kann der Weg zur Wahrheit sein.

Es grüßt Sie herzlich!  Ihr  Pfr.  H. Braunschweiger.

 

 

Kirch am Eck
Predigten
Religiöse Fragen
Texte
Aktuelle Infos
Menschen in Not
Kirchenasyl
Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung
Für Sie gelesen
Humor
Französisches Viertel
Flohmarkt am Eck 
ohne Geld
Die Seite für Ausländer
Links
Chat
 Wir über uns

 

Webmaster