Predigt
zum Erntedankfest
in der Eberhardsgemeinde am 6.10.2002
Liebe Gemeinde!
Die neuen Paramente für
den Kinderkirch-Altar war ein Grund, warum wir uns in der Kinderkirche
mit dem Altar beschäftigt haben. Ein anderer Anstoß kam von
einer biblischen Geschichte, die wir vor zwei Wochen in der Kinderkirche
gehört haben: die Geschichte von Zacharias im Tempel: Während
er dort seinen Priesterdienst versieht und das Räucheropfer darbringt,
erscheint ihm ein Engel und verheißt ihm ein Kind, auf das er
und seine Frau Elisabeth schon so lange gewartet hatten, denn sie waren
im fortgeschrittenen Alter. Und sie nennen ihn Johannes.
Wir haben uns überlegt,
was so ein Räucheropfer wohl war und wie der Altar damals aussah
und wie er sich unterschied von unserem Altar.
Die Kinder haben dann ganz unterschiedliche Altäre gemalt, einige
haben den Altar in der Kinderkirche gemalt, einige diesen hier in der
großen Kirche, eine den Altar in der Kirch am Eck und einer hat
einen richtigen Opferaltar mit Feuer auf einem Berg gemalt. Beim Betrachten
von Simons Bild kann man sich richtig vorstellen, wie jemand auf dem
Feuer ein Tier oder Räucherwerk darbringt und wie gute Geruch Gott
in die Nase steigt.
Eine Gemeinsamkeit aller
Altäre haben wir herausgefunden: Ein Altar ist ein Ort, an dem
Menschen sich Gott besonders nahe fühlen.
Zacharias bringt Gott ein Räucheropfer dar. Und gerade in diesem
Moment spricht Gott zu ihm durch einen Engel.
Den Opferaltar gibt es nicht mehr. Seit der Tempel in Jerusalem 70 nach
unserer Zeitrechnung von den Römern zerstört wurde, gibt es
keinen Ort zur Darbringung von Opfern mehr.
Die Synagoge ist ein Versammlungsort oder ein Bethaus, ohne einen Opferaltar.
Und auch in den evangelischen Kirchen gibt es keinen Opferaltar, denn
durch Jesus Christus sind wir Gott nahe auch ohne materielle Opfer.
Unser Evangelium für
diesen Erntedankgottesdienst steht in einem Brief, der kurze Zeit nach
der Zerstörung des Jerusalemer Tempels geschrieben wurde. Dieser
Brief spricht von anderen Opfern, die uns Gott nahe bringen.. Ich lese
aus dem Brief an die Hebräer:
Hebr. 13, 15 -16
Durch ihn, d.h. durch Jesus laßt uns Gott allezeit Lobopfer darbringen.
Das Lobopfer ist "die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen."
(13,15) sagt unser Evangelium. Das heißt: Lobopfer bringen wir
dar, wenn wir uns öffentlich im Gottesdienst zu Jesus Christus
bekennen. In unseren Liedern, im Glaubensbekenntnis, in unseren Gebeten.
Dieses Lob hat, so unser Evangelium, die gleiche zentrale Bedeutung
wir früher die Darbringung der Räucher- und Brandopfer .
Das sollte uns zu denken
geben. Ich glaube nämlich wir evangelische Christen nehmen die
Herkunft des deutschen Wortes Gebet manchmal etwas zu ernst. Beten kommt
von bitten. "Bitte laß das nicht zu. Bitte, mach, daß
wir dies und jenes tun..... Bitte, nimm unsere Angst, unseren Schmerz..."
Das Loben und Danken kommt in unseren Gottesdiensten manchmal zu kurz.
Das jüdische Gebet hat
viel größere Anteile an Lob und Dank. Das sehen wir an den
Psalmen.
Auch in der Zeit des Tempels, als es noch den Opferkult auf dem Altar
gab, hatte das Dankopfer einen herausragenden Platz. Mancher Dankpsalm
knüpft an seine Darbringung an.
Doch wenn wir zum Lobe Gottes die Augen gen Himmel richten, sollten
wir zugleich die Erde im Blick haben, mahnt uns unser heutiges Evangelium:
"Laßt uns Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist
die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen.
Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergeßt nicht; denn solche
Opfer gefallen Gott."
Lobopfer verkommen zu Lippenbekenntnissen,
wenn sie nicht durch Taten begleitet werden.
"Beten und Tun des Gerechten" (Bonhoeffer) - in dieser doppelten
Weise soll die Gemeinde ihre christliche Existenz ausrichten.
Wort und Tat gehören
zusammen. Gute Worte ohne Taten sind leeres Geschwätz. Wir kennen
dieses Geschwätz zu genüge. Der Wahlkampf liegt gerade erst
hinter uns. Von vielen Dingen wird in dieser Zeit gesprochen, die nach
der Wahl plötzlich nicht mehr gelten.
Wie oft hat die Kirche solche Lippenbekenntnisse von sich gegeben: Denken
wir nur an die Nazizeit und das Schweigen der Kirche gegenüber
der Verfolgung der Juden. "Nur wer für die Juden schreit,
darf gregoriansch singen." hatte Bonhoeffer in dieser Zeit gesagt.
Deutlicher konnte man nicht ausdrücken, wie beides zusammengehört:
Beten und Tun des Gerechten.
Aber auch heute fragen wir
uns zum Beispiel im Arbeitskreis Ökumenisches Kirchenasyl: Warum
ist eine evangelische Synode nicht in der Lage, sich eindeutig gegen
die restriktive Auslegung des Ausländerrechtes hier in Baden-Württemberg
zu stellen?
Lob Gottes und Teilen in
der Gemeinschaft - ganz eng schmiedet unser Evangelium beides zusammen:
Die zwei Verse unseres Predigttextes bilden den Abschluß eines
ganzes Kataloges von Ermahnungen zu geschisterlicher Liebe untereinander:
- Seid gastfrei, denn einige haben schon ohne ihr Wissen Engel beherbergt,
- denkt an die Gefangenen und Mißhandelten,
- haltet eure Ehe in Ehren,
- seid nicht geldgierig,
- gedenkt an eure Lehrer und Vorsteher....
Liebe Schwestern und Brüder!
Heute ist Erntedank. Die Kinder haben die Erntefrüchte auf den
Altar gelegt. Wie verhalten sie sich zum Lobopfer und zur Gemeinschaft
der Teilenden?
Als Corinna vorhin die Früchte auf den Altar legte, hat sie gesagt:
"Als Dank für Gott, weil er alle Pflanzen und Früchte
wachsen läßt."
Und zu den Blumen sagte sie: "Blumen, damit es Gott gefällt."
Ich habe mich letzten Sonntag in die Kinderkirche riesig gefreut, was
die Kinder für tolle Erklärungen abgegeben haben.
Heute frage ich mich:
Steckt hinter unseren Erntegaben vielleicht doch noch unbewußt
die Vorstellung von einem materiellen Opfer?
"Wir machen es nicht wie die in XY. Dort haben sie den Herrn Jesus
vom Altar runter genommen, damit der größte Kürbis Platz
hat." So hat einmal ein alter Pfarrersfreund in seiner Gemeinde
im Hohenlohischen ausgerufen.
Hatten die in XY jesus für die Erntegaben geopfert?
Drohten die Früchte des Feldes Jesus Christus, der alle Opfer überflüssig
macht, zu ersetzen?
Die Früchte als Opfergaben?
Erntefrucht statt Lippenfrucht?
Ernteopfer statt Lobopfer?
Morgen werden die Erntegaben
aller Tübinger Kirchen abgeholt und der Tübinger Tafel zur
Verfügung gestellt. Die Tübinger Tafel hat einen Laden, in
dem nur Sozialhilfeempfänger zu sehr niedrigen Preisen einkaufen
dürfen.
"Gutes tun und mit anderen teilen - solche Opfer gefallen Gott."
So heißt es in unserem Evangelium.
Aber warum teilen wir mit
den Bedürftigen nicht auf direktem Weg, wie wir es das übrige
Jahr ja auch tun.? Warum nehmen die Gaben heute den Umweg über
die Altäre der Kirchen? Warum heute die Unterbrechung des normalen
Kreislaufes von Produktion und Distribution? Warum heute Schaubrote
statt Essbrote?
Liebe Gemeinde!
In der Kinderkirche hatten wir herausgefunden: Ein Altar ist ein Ort,
an dem sich Menschen Gott besonders nahe fühlen.
Als Zeichen unserer Nähe zu Gott haben wir auf dem Altar die Bibel
liegen, das Buch mit den Geschichten, die uns von Gott und von Menschen
erzählen.
Vorhin sprachen wir von Lippenbekenntnissen - leere Worte, denen keine
Taten folgen. Das Wort braucht die Tat, aber die Tat braucht auch das
Wort. Zur guten Tat gehört für Christen das Wort Gottes in
zweifacher Weise:
Als Weisung sagt es uns, was zu tun ist (Gäste beherbergen, Gefangene
und Mißhandelte nicht vergessen etc.).
Als Lobgesang schützt es vor Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit.
Heute liegen neben der Bibel
die Früchte auf dem Altar. Sie bilden heute sozusagen das Bindeglied
zwischen Wort und Tat - und sprechen dabei sozusagen ihre eigene Sprache.
Sie laden ein,
- einmal im Jahr, den Kreislauf von Produzierens und Konsumieren zu
durchbrechen, einmal innezuhalten, ihre Schönheit und ihren Geruch
auf uns wirken lassen, gerade angesichts von Pestiziden und Herbiziden
und Genmanipulationen
- innezuhalten und sich zu besinnen: Ihre Produktion läßt
sich nicht industrialisieren. Die Menschen haben nicht alles im Griff.
Was nützt Agrartechnologie angesichts von Flutkatastrophen, die
die Felder unter Wasser setzen?
- sich an den Schöpfungsauftrag zu erinnern, die Erde zu bebauen
und zu bewahren in einer Weise, dass alle Menschen satt werden können,
heute und auch in den nachfolgenden Generationen
- Sie laden uns ein, Gott zu loben und zu danken für die reichen
Gaben seiner Schöpfung.
Wo das zusammenkommt:
das Lob, das den Namen des Schöpfers bekennt, der hervorgehen läßt
die Gewächse der Erde,
und die Gemeinschaft der Teilenden,
Lippenfrucht und Erntefrucht,
da ist Erntedank!
"So laßt uns nun
durch ihn Gott allezeit das Lobopfer dabringen, das ist die Frucht der
Lippen, die seinen Namen bekennen.
Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergeßt nicht; denn solche
Opfer gefallen Gott."
Amen
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