Predigten
|
Gottes Haus
Annäherungen an Weihnachten
mit Hilfe von 2 Sam 7 Acht Personen sitzen um einen Tisch. Kein Eß- oder Wohnzimmertisch. Nein, es ist in niemandes Wohnung, wo sich diese Episode ereignet hat. Ein Bespre-chungstisch also am ehesten. Unter den Anwesenden gibt es eine Außenseiterin; sie gehört nicht dazu. Obwohl andererseits ist sie gerade die Hauptperson; um sie geht es. Nur wegen ihr sitzen alle um diesen Tisch im fremden Haus, das für die einen Arbeitsplatz, für die anderen Treffpunkt ist. Nur für die scheinbar Unbeteiligte, für die junge Frau, das Mädchen, 15 Jahre alt, ist das Haus derzeit der Ort, wo sie zum Schlafen aus und ein geht, wo sie ißt und sich wäscht, wo sie telefoniert und Ansprechpartner finden kann. Heimat auch, und Ruhe? Gera-de das wäre es, was Funda, so ihr Name, derzeit am meisten bräuchte: das Ge-fühl von Angenommensein und Geborgenheit; ein Haus, das sie mit Fug und Recht ihr Haus nennen könnte. Als erster Ersatz ist sie in einem Heim für Kin-der und Jugendliche untergekommen, vorübergehend, damit sie von der Straße weg ist, und ihre Eltern und all die Probleme, die sich um ihre Familie ranken, sie nicht verschlingen. Die Sozialarbeiter und Erzieher bemühen sich sehr um sie und die anderen Mädchen. Das habe ich bei meinen drei Tagen dort im Heim in Karlsruhe, knapp vierzehn Tage ist das jetzt her, selbst erlebt. Aber können sie ihnen auch Heimat sein, helfen zumindest, eine Perspektive für ein neues Zuhause zu finden? Das Gespräch um den großen Tisch mußte bei Funda einen anderen Eindruck hinterlassen: daß sie erneut, auch hier, nicht bleiben kann, daß die Odyssee weitergeht, daß im Gewirr von Vorschriften und Gesetzen, von Verfahrensabläufen und ungeklärten Zuständigkeiten, von Finanzproblemen und überfüllten Heimen für sie keine Heimat in Aussicht ist - zumal so kurz vor Weihnachten, wo alles sich drängt, wo alle ihren Schreibtisch aufräumen und keine neue Baustelle anfangen wollen. Kein Platz also in der Herberge? Liebe Schwestern und Brüder, die Situation ist uns wohl vertraut, weil sie uns an Weihnachten jedes Jahr vor Augen geführt wird, wo der König des Himmels und der Erde schließlich zwischen Vieh und Unrat in der Futterkrippe des Och-sen landet. Daß es allerdings solch erschütternde Parallelen gibt ! Bei jenem Gespräch im Heim, das keinesfalls erfunden ist, habe ich irgendwann vor Wut die Hände geballt in meinen Hosentaschen und konnte beinahe nicht mehr sitzen bleiben auf meinem Stuhl. Bemerkt denn niemand von den psychologisch ge-schulten und im Sozialbereich ausgebildeten Damen und Herren, daß sie eben jenes Problem noch verstärken, dessentwegen das Mädchen bei ihnen ist? Unbehaustheit, kein Dach
über dem Kopf zu haben, zumindest keinen Ort, an den man freiwillig
und gerne zurück gehen würde
Ich will mir das gar nicht
recht vorstellen, weiß natürlich andererseits, daß
nicht wenige Menschen, jünge-re zumal in unseren großen Städten
das Schicksal von Funda teilen. Ich weiß auch, daß das Thema
"mein Haus" für viele Aussiedler ein existentielles Thema
ist, und hier wieder besonders für junge Frauen und Männer,
die womöglich nur ihren Eltern zuliebe oder aus Gründen der
Existenzsicherung ihre Heimat in Rußland oder Rumänien verlassen
haben, und hier im fremden Land ihr Haus nicht leicht finden, manche
gar nie. Weiß unser Glaube hier Rat? Gibt die Bibel Hinweise, wie in solchen Fällen zu verfahren sei? Zweifellos bietet die christliche Ethik eine Plattform an, um Men-schen wieder in die Gemeinschaft zu integrieren: Obdachlose beherbergen, Trauernde trösten - dies alles gehört zum Schatz der Barmherzigkeit. Aber über Methoden läßt sich auch trefflich streiten. Ihre Wirksamkeit ist in der Realität wesentlich abhängig von individuellen Vorlieben, von Eigeninteressen und oft auch von Sympathien. Wäre dem nicht so, hätte unsere christentümliche Gesell-schaft zumindest die Möglichkeit, mit den vielen Formen von Unbehaustheit offener umzugehen und Abhilfe zu schaffen. Als Christen sind wir offenbar meistens, wie alle anderen auch, zu sehr an unseren menschlich begrenzten Ho-rizont gebunden. Wir meinen auf technische Weise, durch ein geschicktes Ver-fahren, Abhilfe zu schaffen. Damit ist oft - und ich will das keinesfalls schlecht reden - Hilfe geleistet, die erste Not beseitigt. Und: Wir haben das Problem vom Tisch. Aber ist es tatsächlich gelöst? Oder ist es wie bei der Kopfschmerztablet-te, die nur das Gefühl verdrängt, nicht jedoch die Ursache in Angriff nimmt? Liebe Schwestern, liebe Brüder, Wie aber müssen wir
uns ein solches Haus nun vorstellen? Wie sieht das Haus aus, daß
Gott David bauen will? Mit den eigenen vier Wänden ist die Frage
nach Heimat noch längst nicht beantwortet. Gefragt ist vielmehr
nach der grundsätzli-chen Annahme, die einer in seinem Leben erfahren
muß, weil er sie braucht. Ge-fragt ist nach der Behausung, die
sich nicht in Nahrung, Kleidung und Wetter-schutz erschöpft, sondern
die den Menschen als ganzen in Betracht zieht. Dort ist Heimat, wo ich
uneingeschränkt der sein darf, der ich bin. Liebe Brüder und Schwestern,
nun stelle ich mir, ganz zum Schluß, noch vor, daß dieser
religiöse Satz der einsamen Funda, dem Mädchen aus Karlsruhe,
we-der unmittelbar eingeleuchtet, noch daß er ihr geholfen hätte.
Wenn aber die Menschen, denen sie begegnet, ihr diese Sicherheit vermitteln
würden, daß ge-rade auch für sie, ganz ausdrücklich,
ein Platz vorgesehen ist, daß es über das Handfeste hinaus
für jeden Menschen ein Zuhause gibt. Wenn wir gar selber in dieser
Gewißheit lebten
Solche Freiheit könnte niemand verborgen
bleiben. Und dann wäre Weihnachten. |