Predigten

 

Predigt am 16. Februar 2003 in der Michaelskirche:
Die Heilung eines Aussätzigen (Evang.-kath. Kanzeltausch)


EVANGELIUM Mk 1,40-45

Der Aussatz verschwand und der Mann war rein.

Aus dem heiligen Evangelium nach Markus.
In jener Zeit
kam ein Aussätziger zu Jesus
und bat ihn um Hilfe; er fiel vor ihm auf die Knie und sagte:
Wenn du willst,
kannst du machen, daß ich rein werde.

Jesus hatte Mitleid mit ihm; er streckte die Hand aus, berührte ihn
und sagte:
Ich will es - werde rein.
Im gleichen Augenblick verschwand der Aussatz, und der Mann war rein.

Jesus schickte ihn weg und schärfte ihm ein:
Nimm dich in acht!
Erzähl niemand etwas davon,
sondern geh, zeig dich dem Priester
und bring das Reinigungsopfer dar, das Mose angeordnet hat.
Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein.
Der Mann aber ging weg
und erzählte bei jeder Gelegenheit, was geschehen war; er verbreitete die ganze Geschichte,
so daß sich Jesus in keiner Stadt mehr zeigen konnte; er hielt sich nur noch außerhalb der Städte
an einsamen Orten auf.
Dennoch kamen die Leute von überallher zu ihm.


I. Gesundheit ist nicht alles !

Liebe Gemeinde,

Erst hat Jesus die Mutter des Petrus vom Fieber befreit,
dann alle Kranken und von bösen Geistern Besessenen geheilt.
Wie ein Lauffeuer ist das durch das Städtchen Kapernmaum gegangen: sie kriechen und humpeln, kommen aus den Gassen und Ecken hervor - und wollen heil werden...

Die Kranken und Elenden - sie sind hinter Jesus her. (Mk 1,21-39)
Und Jesus?:
Er lässt die Kranken hinter sich,
bricht das Heilen in Kapernaum ab.
Warum?

Warum bleibt er nicht dabei - und heilt weiter und weiter,
bis es nur noch gesunde Menschen in Kapernaum gibt ?
Jesus ist doch die Auferstehung und das Leben...
Er hat für Kranke wirklich mehr als nur gute Worte,
nämlich Rettung für Leib und Seele, wirkliches Heil...

Warum aber - warum um alles in der Welt - bleibt er nicht dabei?
Gesundheit ist doch die Hauptsache im Leben...!
Jesus als Wunderdoktor,
das Christentum als Gesundmacherreligion,
ein konkurrenzloses Angebot. Da strömen die Menschen nur so.
Doch Jesus weicht den Wünschen und der Begeisterung aus:
"Lasst uns fortgehen, anderswohin und predigen:"
und er fügt hinzu: "Denn dazu bin ich gekommen." (Mk 1,38)

Unbegreiflich.
Wieso sieht Jesus für sich eine andere Aufgabe als das Heilen ?
Was will er eigentlich mehr ?

Liebe Schwestern, liebe Brüder,
Jesus will , dass sich Menschen öffnen für die kommende Welt Gottes,
für einen Neuanfang in ihrem Leben - für Buße und Umkehr zu Gott,
für ein neues Leben, wie es Gott gefällt...

Dafür bringt der Heiland Jesus nicht nur die richtigen Medikamente - die Pflaster und das Verbandsmaterial, zur Medizin und zum Heilen gehört: die Krankheitsgeschichte verstehen und die Überwindung ihrer Ursachen. Und darum heißt es bei jesus unterschwellig: Gesundheit ist nicht alles.
Das können alle gut verstehen, die das zumindest ein Stück weit miterlebt hahen. Ich denke an Situationen, wo uns der Satz "Gesundheit ist doch das Allerwichtigste...!" im Hals stecken bleibt: bei Schwerkranken und Sterbenskranken z.B..

Dann spüren wir schlagartig: Es gibt eine andere Dimension im Leben, umgreifender, heller, weiter als "Gesundheit". Wir sagen dazu manchmal "Ewiges Leben", Leben, das vor Gott blühen kann.
Jesus hat von dieser anderen Rangfolge oft gesprochen,
so auch bei seiner großen Rede vom Berg.
"Schaut zuerst nach dem Reich Gottes und seiner Gerchtigkeit...,
dann wird sich alles andere einstellen..."
"Kuckt, dass euer Leben mit Gott verbunden ist
und mit dem, was Gott mit dieser Welt und mit eurem Leben im Sinn hat.
Dann l e b t ihr, dann kann euch nichts trennen von der Liebe Gottes,
auch dann nicht, wenn ihr krank oder sterbenskrank seid."

II. Erzähl niemanden etwas davon...

Jesus will gar nicht den Ruf eines Wunderheilers aufkommen lassen.
Das wird bei der Begegnung mit dem von Lepra Befreiten deutlich: Jesus entzieht sich regelrecht dem Ansturm der Kranken.

Mehr noch:
Statt den geheilten Aussätzigen als Auftakt eines erfolgreicehn Werbefeldzuges zu machen - ihn zum Label seiner "Sendung" zu nehmen "Ich bin es. - Ich bin der Christus. Jetzt werden die Aussätzigen rein. Schaut nur, hier habt ihr einen zum Beweis " - stattdessen schickt Jesus den geheilten Aussätzigen raus und verbietet ihm sogar, davon zu sprechen... "Erzähl niemanden etwas davon..."
Er preist sich nicht nur nicht an, er zieht sich zurück, er verlangt Schweigen.
Diese Pointe der Geschichte ist nichts für emsige Medienberater,
die so gerne das Image der ach so altmodischen Kirche aufpolieren möchten, die meinen, mit der richtigen Imagekampagne könne man die Einschaltquote bei Kirchens steigern...

"Jesus war draußen an einsamen Orten;..."
Ist Jesus deeswegen der bewußte Quotenkiller? Hat er deswegen keine Resonanz? Keineswegs.
Es heißt im Evangelium: "sie kommen ihm nach - von überallher".
So rum kann es gehen, liebe Gemeinde.
Wenn es sich rumspricht, wenn geschieht, was er verspricht,
wenn Menschen verwandelt werden im Christus...
dann hilft nicht einmal Jesu Rückzug...

Ist das eine Erfahrung, die wir auch heute machen können ?
Allerdings.
Ich denke an den Papst und sein Friedensengagement. Er muß sein inständiges Gebet um den Frieden nicht inszenieren, wie andere ihre Politik anpreisen und aufpolieren. Man nimmt dem alten Mann in Rom ab, dass er es Ernst meint mit dem "Dona nobis pacem!" - HERR gib uns Frieden! - dass er mit seinem Leben, mit seiner Existenz, mit den Kräften, die er hat, dafür einsteht

Ich denke ganz in usnerer an das Carlo-Steeb-Kinder-Haus - jeden Morgen, wenn ich meine Tochter ein stück weit zur Schule begleite.
Es braucht keine bunten Prospekte oder neonreklame. Es muss sich nicht anpreisen - es ist evident, was da gutes für die Kinder passiert -
"Und sie kommen von überall her..."

III.
Warum aber verbietet Jesus dem Geheilten von seiner Heilung zu sprechen?:
Jesus will nicht den alles Neumacher - den Umstürzler raushängen - deshalb auch die Bitte an den Geheilten:
"Geh hin und zeige dich dem Priester
und opfere für deine Reinigung, was Mose geboten hat,
Das soll für sie ein Beweis meiner Gesetzestreue sein."
Jesus geht nicht mit seiner Autorität hausieren
Er will nicht den Eindruck erwecken: mit mir fängt alles neu an:
Er will im Rahmen der gelebten Religion feiern, befreien...

IV.
Zum Schluß zurück zum Anfang unseres Evangeliums:...
Wie setzt der Aussätzige die Geschichte in Bewegung ?
Er kniet nieder.
Er spricht Jesus an.
Er traut es ihm zu:
"Du kannst es... Du bist es.
Du schaffst es, wenn Du willst."
Was für ein Vertrauen, was für ein Glaube...? Der Kranke glaubt so sehr an Jesus, dass es fast schon wie ein Bedrängen wirkt, eine echte Zumutung.
Und Jesus?
Er ist offen für alle, die an ihn glauben
Er durchbbricht seinen eben erst gefaßten Vorsatz (Mk 1,38) - er lässt sich umstimmen, von seinem fixen Plan abbringen, weil er Gefühle für den Kranken hat, weil er mitfühlen, sich erbarmen kann.

Man stelle sich vor andere Große in der Welt hätten diese Größe:
George W. Bush hätte auf den Bericht des UNO-Waffenbinspektors Hans Blix (14.2.03) vor der Welt erklärt:
"Ich sehe unsere Drohungen haben Sinn und Erfolg.
Wir verlängern die Arbeit der Inspektoren, lassen unsere Soldaten weiter in der Region - bis die Entwaffnung des Irak abgeschlossen ist."
Er wäre als Friedensbringer unserer Zeit aufgefallen.
Freilich nicht auszudenken, wenn der skurile und wahnhafte Machthaber in Bagdad solche Regungen zeigen würde.

Liebe Gemeinde,
es ist offenbar entscheidend, lebensentscheidend, für den Einzelnen und eine ganze Kultur, wer da in der Mitte der Religion angerufen wird. Ein kraftprotz, ein Immer-Alles-besser Gott, einer der seine Getreuen in die siegreiche Schlacht führt - oder aber ein beramherziger Vater im Himmel, ein Sohn voller Liebe, eine Mutter mit Kind.

Wie gut, dass wir zu dem Gott rufen können, der hört und sich erbarmt.
wie gut, dass da sein Sohn ist, der sogar seine Pläne verändert, wenn es um die Liebe zu uns geht...
Ein Kranker kniet nieder und traut Gott alles zu - und der Sohn Gottes enttäuscht ihn nicht: "Ich will es, - werde rein!"

Gelobt sei Gott, der unser Gebet nicht verwift,
noch seine Güte von uns wendet.! (Ps 66,20).
Halleluja und Amen.

 


 

 

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