Predigten
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Familiengottesdienst
am 16.03.2003
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Passivseite:
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Ich bin streng, urteile, verurteile, beschuldige. | Ich werde verurteilt, ich erleide |
Mein Handeln ist von Vorurteilen geprägt. Bemühe ich mich, mir dieser Grenzen bewusst zu werden? Bin ich bereit, mein Urteil zu revidieren? |
Werde ich von anderen verurteilt, ohne dass sie meine Lage wirklich kennen? |
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Sind wir als Kirche frei von Vorurteilen und Beschuldigungen? Grenzen wir als Kirche Menschen aus? | Kirche wird gesellschaftlich immer mehr an den Rand gedrängt. Wie gehen wir damit um? |
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Teile ich die Welt
in gut und böse ein? Schreibe ich den Ländern
der dritten Welt die Schuld für ihre sozialen, wirtschaftlichen
und gesundheitlichen Probleme selber zu? |
Leide ich
unter meiner Ohnmacht gegenüber den Ungerechtigkeiten in der
Welt? |
Predigt
(Monika Maier):
Wer schon einmal bei schönem
Herbstwetter eine Bergwanderung gemacht hat, kennt wahrscheinlich das
Gefühl das mich ergreift, wenn ich endlich auf dem Gipfel eines
hohen Berges angekommen bin. Der Aufstieg war mühsam, aber nun
liegt das Tal, aus dem ich aufgebrochen bin, mir zu Füßen.
Die Aussicht ist klar, und der Blick kann unendlich weit schweifen.
Die Sonnen scheint hier heller, und ich spüre, wie ihr Licht in
mein Innerstes eindringt. Ich fühle mich, im wahrsten Sinn des
Wortes, dem Himmel näher. Ich koste den Augenblick aus, möchte
ihn festhalten. An diesem Platz, fern von den Mühen und Anforderungen
des Lebens, möchte ich bleiben und eine Hütte bauen, wie es
sich Petrus auf dem Berg Tabor wünschte.
Dass Petrus, Jakobus und
Johannes gern auf dem Berg geblieben wären, auf dem sie die Stimme
aus der Wolke vernommen haben, ist verständlich. Der Ort, an dem
Jesus nicht nur auf gleiche Augenhöhe zu den wichtigsten Lehrern
des Judentums, Moses und Elias, erhoben wird, sondern wo sich Gott zu
ihm als seinem Sohn bekennt, ist ein heiliger Ort, ein angemessener
Ort für den Messias, fern von den Niederungen des Lebens. Doch
Jesus, führt sie wieder vom Berg hinunter zu den Menschen. Dort
ist sein Platz. Nicht weit weg und unerreichbar. Der Menschensohn will
als Mensch unter und mit den Menschen leben, leiden und sterben. Sein
Weg ist Gottes Botschaft an die Menschen und fordert deshalb unsere
Nachfolge.
In den katholischen Gotteshäusern finden wir vor allem Symbole des Leidensweges. Hier in St. Michael ist es das große Kreuz über dem Altar und die schlichten Kreuze auf den Steinplatten an den Wänden als Symbole für die Kreuzwegstationen, heute ergänzt durch die Kreuzwegbilder von Max G. Bailly.
In der Vorbereitung zu diesem
Gottesdienst haben wir uns mit den Menschen, denen Jesus nach der Überlieferung
begegnete, an den Rand des Kreuzweges gestellt. Wir haben versucht,
die Botschaft des Weges zu verstehen, für unser eigenes Leben zu
übersetzen und zu prüfen, was das für unser Handeln in
unserer Welt bedeutet.
Ich möchte Sie einladen, sich neben mich zu stellen, und mit mir den Blick auf den Kreuzweg zu richten.
Ich stehe in der Menge der
Zuschauern und schaue auf Jesus, den Verurteilten. Warum dieses harte
Urteil? Ist es nicht die Vorverurteilung durch die Menge, die den Richtern
das Urteil erst ermöglicht und Jesus den Kreuzweg aufzwingt?
Was ist, wenn ich aus der
Menge ausschere, wenn mein Blick auf andere Menschen nicht sofort bewertet,
beurteilt und verurteilt?
Was ist, wenn ich nicht in
den Chor mit einstimme, wenn ein vermeindlich Schuldiger, ein Sündenbock
gefunden ist?
Was ist, wenn ich versuche, dem anderen Menschen gerecht zu werden?
Ich stehe zwischen den Soldaten.
Dem Verurteilten werden die Kleider vom Leib gerissen. Um seine Würde
kümmert sich niemand, und seine armselige Nacktheit rührt
keinen an. Sie haben schon eine ganze Weile begehrlich die verschiedenen
Kleidungsstücke taxiert. Das Spiel wird entscheiden, wer am Ende
das beste Stück bekommt. Es ist üblich, dass die Soldaten
die Kleider der Todgeweihten unter sich aufteilen. Das Unrecht, das
hier geschieht, verschwindet hinter der Gewohnheit.
Was ist, wenn ich einfach
nicht mehr mitspiele in dem Spiel, "Schnäppchenjagd",
bei dem das Los über die Lebenssituation vieler Familien in den
Erzeugerländern geworfen wird.?
Was ist, wenn ich beim Einkaufen
meiner Kleidung und Schuhe nicht mehr nur an meinen eigenen Vorteil
denke.
Was ist, wenn ich bei meinem
Tun und Lassen die Situation und die Würde des Schwachen, der sich
nicht wehren kann, ebenfalls vor Augen habe?
Was ist, wenn ich versuche, auf so entstandenes Unrecht aufmerksam zu machen?
Oft stehe ich auch als hilfloser Zuschauer am Rand des Kreuzweges. Das Mitleid drückt mich nieder, macht mich hilflos und handlungsunfähig. Ich kann am Urteil und seinen Folgen nichts ändern. Aber was ist, wenn ich es schaffe, mich in das Leiden und die Bedürftigkeit des Verurteilten einzufühlen, Anteil zu nehmen. Was ist, wenn sich mir dadurch die Möglichkeit eröffnet zu handeln und damit das Leiden zu beeinflussen. Was ist, wenn ich mich ihm tröstend zuwende, ihn auf seinem schweren Weg begleite, seine Last mittrage. Dann ist mein Platz an der Seite Marias, Veronikas, der weinenden Frauen und des Simon von Cyrene. Und plötzlich bin ich beteiligt am Geschehen. Ich breche die Isolation des Verurteilten auf, gebe ihm seine Würde zurück. Ich richte ihn auf und helfe ihm, den unausweichlichen Weg zu gehen und zu bewältigen.
Was ist, wenn ich mit Jesus auf dem Weg in die Katastrophe auf die Wende hoffe. Diese Hoffnung macht es ihm möglich, den Blick von seinem eigenen Leiden weg nach außen zu wenden, die Menschen, denen er begegnet, wahrzunehmen, zu ihnen in Beziehung zu treten. So tröstet er die weinenden Frauen, bittet um Verzeihung für die Soldaten, denen die Pflichterfüllung den kritischen Blick verstellt, erweckt im reuigen Schächer die Hoffnung auf ein neues Leben. Er ist nicht mehr nur der, der den Kreuzweg erleidet, sondern er gestaltet ihn.
Es ist ein schwerer Aufstieg auf den Berg Golgotha, den Jesus für uns vorangeht. Alles, was sein bisheriges Leben ausgemacht hat, muss er hinter sich lassen: sein Ansehen, seine Anhänger und Freunde. Und am Ende muss er das letzte, was er besitzt, auch noch loslassen: sein Leben. Der Gipfel des Berges ist erreicht, er ist an seinem Ziel, am Wendepunkt: Auf die Katastrophe seines Kreuzestod, folgt das Licht des Osterereignisses, sein letzter und endgültiger Neubeginn mit unendlich weiter Aussicht und Klarheit.
Fürbitten (Rainer Bendel)
Gott, unsere Mutter, unser
Vater,
wir Menschen schaffen Gesetze
und setzen Grenzen, wir ordnen die Erdteile nach ihrer Wirtschaftskraft,
wir bestimmen die Menschen in Rassen und qualifizieren sie nach ihrer
Produktivität.
Du aber hast e i n e Erde,
e i n e Sonne, e i n Wasser geschaffen.
Wir bitten dich
- Laß uns im Antlitz
der anderen, gerade auch der Menschen ohne jedes Ansehen, eine absolute
Würde spüren und Deine Botschaft an uns vernehmen;
- Gib uns immer Menschen
mit auf den Weg, für die wir da sein dürfen, die von uns erwarten,
daß wir sie nicht allein lassen, die uns brauchen, damit sie Mensch
werden;
- Stärke und mache zahlreich
die Hoffenden, die trotz scheinbarer Aussichtslosigkeit in unserer Welt
und trotz allem Bösen die Hoffnung nicht aufgeben;
- Gib uns die Tapferkeit, die uns ein Leben lang jeden Tag neu anfangen lehrt und die uns hilft, daß wir beim Laufen Lernen das Fallen nicht verachten.
Du, Gott, willst, daß
wir Brücken bauen und die Einheit suchen. Oft sind das schwierige
und langwierige Wege, oft fehlt nur ein Schritt. Du hast uns zugesagt,
daß du mit uns gehst.
Dafür danken wir dir und preisen dich. Amen.