Predigt
in der Osternacht
Mk 16, 1-8 (B) 2003
"Halleluja, Christ ist erstanden!" - das ist die Botschaft,
die uns in dieser Nacht entgegenklingt, sie ist der Grund, warum wir
uns hier versammelt haben; wir sind zusammengekommen, um den Sieg
des Lebens über den Tod zu feiern, um unserer Freude über
die Auferstehung Jesu Ausdruck zu geben.
Liebe Gemeinde,
ich weiß nicht, wie es Ihnen eben beim Hören des Evangeliums
ergangen ist - mir geht die Ostererzählung des Mk immer wieder
unter die Haut. In wenigen, nüchternen Worten schildert er uns
das Geschehen des ersten Ostertages - fast zu nüchtern, wenn
wir die Tragweite seiner Botschaft bedenken! "Halleluja, Christ
ist erstanden" - von diesem Jubel, von unserer Osterfreude finden
wir bei ihm keine Spur... Eher Zurückhaltung, vorsichtige Annäherung,
ein Herantasten an das, was da Geschehen ist...
In seinem Erzählen
können wir merken, wie er um Worte ringt, das Unglaubliche, das
Unerhörte des Auferstehungsgeschehens auszudrücken. Wie
kann man auch etwas in Worte fassen, das für unser Begreifen
letztlich unerklärlich bleibt, wo unsere Erfahrungswerte versagen,
Begriff und Sprache an Grenzen stößt?
Der Evangelist Mk verwendet Bilder, das Unsagbare auszudrücken
- Bilder, die andeuten, die uns mit hineinnehmen in das Geschehen
an jenem ersten Ostertag, die uns mit den Frauen zum Grab gehen lassen:
Durch die Dunkelheit der Nacht, durch die Finsternis der Trauer in
den frühen Morgen, in dem die ersten Lichtstrahlen vage aufscheinen;
der große Stein, Schlußstein der Passion Jesu, Versiegelung
der Grabesruhe - weggewälzt, der Eingang des Grabes offen; das
Grab selbst, der Ort des Trauerns - leer, ohne Leichnam; und statt
dem Toten ein Engel im weißen Gewand, der neues Leben verkündet...
Es sind Bilder voller Symbolik,
deren Ausdruckskraft in der uralten Sehnsucht der Menschheit nach
Überwindung von Leid und Tod liegt; Symbole, die wir aufgrund
unseres urmenschlichen Wünschens verstehen; Bilder, die uns gleichzeitig
aber auch unsicher und fragend zurücklassen angesichts der handfesten,
harten Realitäten, die wir oft täglich erfahren... Sind
sie wirklich mehr als nur Ausdruck dieser Sehnsucht von uns Menschen,
den Tod zu überwinden, mehr als der fromme Wunschtraum nach ewigem
Leben? Und, wenn ja: Sind sie mehr als nur die Vertröstung auf
eine unsichere, jenseitige Zukunft?
So oder so ähnlich
werden sicher auch Manche von uns fragen, die in ihrem Umfeld immer
wieder leidvolle Erfahrungen mit dem Tod gemacht haben. "Die
Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube"...
- so wird es auch Manchen von uns ergehen, deren Leben nach schon
vielen Osterfeiern schwer und mühselig geblieben ist. Im Blick
auf unsere Alltagserfahrungen wirft die Osterbotschaft Fragen auf,
die uns herausfordern, die die Auseinandersetzung mit ihnen provozieren.
Eine Hilfe zu dieser Auseinandersetzung
finde ich bei Mk selbst. "Erschreckt nicht" wird den Frauen
als erstes von dem Engel zugerufen; und kurz danach heißt es
: "Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken
und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemandem etwas davon;
denn sie fürchteten sich sehr." - die Botschaft von der
Auferstehung hinterließ offenbar schon bei den ersten Zeugen
zwiespältige Gefühle. Erschrecken, Furcht und Entsetzen
- von Freude oder Erleichterung keine Spur.
Offenbar hatten es die
ersten Zeugen mit der Osterbotschaft nicht leichter als wir heute.
Wie hätte es auch anders sein können, nach dem, was sie
erlebt hatten: Ihr Meister, für den sie ihr bisheriges Leben,
ihre Arbeit und ihre Familien aufgegeben hatten - mit Spott und Hohn
gekreuzigt; der, auf den sie alle Hoffnung gesetzt hatten, mit Schimpf
und Schande hingerichtet. Das war das Ende - das Ende ihrer Hoffnungen
und der Beginn von Angst und Verzweiflung: die Angst, wohl doch auf`s
falsche Pferd gesetzt zu haben; die Verzweiflung, ihr früheres
Leben umsonst aufgegeben zu haben.
Aber plötzlich ist
alles ganz anders - völlig unerwartet für jeden, der sich
in die Situation der Jünger hineinversetzen kann: Auf einmal
verkündigen die gleichen Jünger voll Begeisterung und unglaublicher
Energie die Botschaft von der Auferstehung Jesu - eine Botschaft,
die sie zuerst selbst nicht glauben konnten; plötzlich verkündigen
sie mit aller Kraft, unter Einsatz und um den Preis ihres Lebens,
daß Jesus lebt, daß Gott ihn von den Toten auferweckt
hat. Was muß da geschehen sein, daß diese außergewöhnliche
Wendung bei so vielen zustande kam? Was muß da geschehen sein,
daß sie nun ihr ganzes Leben in den Dienst der Verkündigung
der Auferstehung stellten? Dazu ließe sich niemand einfach nur
überreden - nein, leichgläubig waren die Frauen und Jünger
nach dem Zeugnis der Evangelien nicht! Dafür wußten sie
nur zu gut, welchen Preis sie dafür vor Juden und Römern
zu zahlen hatten!
Was kann es anderes gewesen
sein als die eigenen Erfahrungen mit dem Auferstandenen, die diese
radikale Veränderung bei den Frauen und Jüngern bewirkt
haben? Was kann es anderes gewesen sein, als ihre eigenen Begegnungen
mit ihm, von denen uns die Evangelien im weiteren Verlauf erzählen?
Wie auch immer diese Erfahrungen ausgesehen haben mögen - sie
haben die Furcht, das Entsetzen und die Zweifel der Frauen und Jünger
entmachtet und ihnen eine unglaubliche Kraft für ihr Zeugnis
gegeben; ihr eigenes Erleben der Auferstehungs-wirklichkeit hat in
ihnen die Hoffnungslosigkeit des Karfreitags zu einem neuen Leben
verwandelt.
Die Frauen und Jünger haben ihren Erfahrungen, die sie in der
Begegnung mit dem Auferstandenen gemacht haben, getraut und dadurch
ein Leben mit neuer Qualität gewonnen. Und gleichzeitig haben
sie die Wahrheit dieses neuen Lebens am eigenen Leib erfahren in der
unwahrscheinlichen Wandlung, die sich an ihnen ereignet hat.
Das Zeugnis dieser Frauen
und Männer beeindruckt mich; ihr Lebenswandel - im doppelten
Sinn dieses Worts - hilft mir, auch mich ihren Erfahrungen anzuvertrauen.
Sie führen mir vor Augen, daß es bei der Botschaft von
Ostern tatsächlich um mehr geht als um Bilder zur Befriedigung
uralter Wunschträume des Menschen; ihr Leben läßt
mich erkennen, daß Auferstehung mehr meint als Vertröstung
auf eine ferne Zukunft, gerade weil sich durch die Auferstehungshoffnung
mein Leben schon jetzt, im Hier und Heute verwandelt: Denn es macht
für mich jetzt einen Unterschied, ob ich der Überzeugung
bin, daß mein Leben mit seinen Höhen und Tiefen seiner
Vollendung entgegengeht oder daß es im Nichts enden wird; es
macht für mein Leben jetzt einen Unterschied, ob ich glaube,
daß alle Leiderfahrungen nur das zufällige Produkt eines
blinden Schicksals sind oder ob ich sie in den Händen Gottes
aufgehoben weiß; und es macht für mich einen Unterschied,
ob ich denke, daß erlebtes Glück und gelebte Liebe den
irdischen Tod überleben werden oder daß sie mit ihm entgültig
ausgelöscht sind... Denn der Glaube an die Wirklichkeit der Auferstehung
prägt die Haltung, aus der heraus ich lebe; der Glaube an die
Auferstehung verändert meine Lebensqualität im Hier und
Heute, und er bestimmt meinen Umgang mit Glück und Leid.
Gewiß: Leid und Tod
sind auch nach Ostern nicht weggewischt; in unserem Leben wird es
auch weiterhin immer wieder Karfreitage geben. Aber seit diesem ersten
Ostertag können wir sie in neuem Licht sehen, weil wir darauf
vertrauen dürfen, daß sie nicht das letzte Wort haben werden;
durch Ostern haben sie ihre lähmende Absolutheit, ihre niederschmetternde
Endgültigkeit verloren.
Liebe Gemeinde,
das ist die Hoffnung, die wir heute morgen feiern; und wenn wir jetzt
den kleinen Felix Benjamin taufen, nehmen wir ihn mit hinein in unser
Hoffen und Glauben. Zwar können wir die Wahrheit der Auferstehung
nicht beweisen; aber wir können sie leben und dabei - wie die
Frauen und Jünger - ihre Gültigkeit erfahren. "Halleluja,
Christ ist erstanden" - möge diese Erfahrung Felix Benjamin
und uns auf all unseren Lebenswegen immer wieder neu zuteil werden.
Amen.
Fürbitten in der
Osternacht (St. Pankratius)
Gott, unser Vater, durch
die Auferstehung Deines Sohnes schenkst Du uns neue Lebensperspektiven.
Voll Vertrauen bitten wir Dich:
Für alle Menschen,
die in Kriegsgebieten und in Unterdrückung leben: Steh ihnen
bei in ihrer Not; bewahre sie vor Verzweiflung und hilf ihnen, wieder
neu Lebensmöglichkeiten zu finden.
Für die Menschen,
die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einsetzen:
Gib ihnen Beharrlichkeit und Kraft und schenke ihrem Bemühen
Gelingen.
Für alle Kranken:
Laß sie Deine Gegenwart erfahren; heile Du, was möglich
ist, und gib ihnen die Kraft, jeden Tag neu zu bestehen.
Für uns alle: Laß
uns immer wieder neu die verwandelnde Kraft der Auferstehungsbotschaft
erfahren und hilf uns, ihr gemäß zu leben.
Gott, unser Vater, Du bist
der "Ich-bin-da" - so hast Du uns Deinen Namen offenbart
und seine Wahrheit durch die Auferstehung Deines Sohnes bezeugt. Du
bist für uns da - auch über den Tod hinaus. Dafür danken
wir Dir, heute und alle Tage. Amen.
Fürbitten in der
Osternacht (St. Michael)
Gott, unser Vater, durch die Auferstehung Deines Sohnes schenkst Du
uns neue Lebensperspektiven. Voll Vertrauen bitten wir Dich:
Für alle Menschen,
die in Kriegsgebieten und in Unterdrückung leben: Steh ihnen
bei in ihrer Not; bewahre sie vor Verzweiflung und hilf ihnen, wieder
neu Lebensmöglichkeiten zu finden.
Für die Menschen,
die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einsetzen:
Gib ihnen Beharrlichkeit und Kraft und schenke ihrem Bemühen
Gelingen.
Für Felix Benjamin:
Laß ihn in seinem Leben immer wieder Deine Nähe spüren;
bleibe mit Deinem Segen bei ihm und bewahre ihn in Deiner Liebe.
Laß die Entscheidung,
die wir als Eltern heute für ihn treffen, in ihm wachsen und
reifen, damit er später auch selbst bewußt Ja sagen kann
zu Dir.
Für uns Eltern: Laß
uns erkennen, daß auch der verantwortliche Umgang mit Deiner
Schöpfung ein Teil unserer christlichen Verantwortung für
unsere Kinder ist.
Gott, unser Vater, Du bist
der "Ich-bin-da" - so hast Du uns Deinen Namen offenbart
und seine Wahrheit durch die Auferstehung Deines Sohnes bezeugt. Du
bist für uns da - auch über den Tod hinaus. Dafür danken
wir Dir, heute und alle Tage. Amen.