Predigt
zum 7. Sonntag der Osterzeit
Joh
17, 6a.11b-21 (B), 1.6.03, St. Michael
"Heiliger Vater, bewahre
sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins sind
wie wir"....."Aber ich bitte nicht nur für diese hier,
sondern auch für alle, die durch ihr Wort an mich glauben. Alle
sollen eins sein."
Liebe Gemeinde, die Bitte
Jesu um die Einheit aller Glaubenden lenkt unseren Blick und unsere
Gedanken in diesen Tagen zum Ökumenischen Kirchentag nach Berlin.
Unter dem Leitwort "Ihr sollt ein Segen sein" treffen sich
dort Christen verschiedener Konfessionen aus allen Teilen Deutschlands,
um gemeinsam ihren Glauben zu bekennen, um über Gemeinsames und
Trennendes ins Gespräch zu kommen und neue Perspektiven für
ein gemeinsames Christsein in der Welt von heute zu gewinnen. Vier
Tage voller Begegnungen mit einer kaum überschaubaren Fülle
von Veranstaltungen - ein Ereignis der Superlative und ein wichtiger
Meilenstein auf dem Weg der Ökumene. Erklärtes Ziel des
Kichentages ist es, einen Beitrag zu leisten und Mut zu machen auf
dem Weg zur sichtbaren Einheit aller Christen; zu verdeutlichen, dass
über alle Konfessionsgrenzen hinweg die Gemeinsamkeit im Glauben
stärker ist als das Trennende und die Hoffnung auf Fortschritte
hin zum gemeinsamen Herrenmahl neu zu bestärken.
Freilich hat gerade dieser
Punkt des gemeinsamen Abendmahls schon im Vorfeld große Erwartungen
geweckt und das Für und Wider dann bei Vielen Enttäuschung
hervorgerufen. Denn trotz all der bedeutenden und weitreichenden Annäherungen
in vielen Punkten - denken Sie nur an die Gemeinsame Erklärung
zur Rechtfertigung - gibt es immer noch Unterschiede in zentralen
Glaubensfragen, die nicht verschwiegen werden dürfen. Gerade
weil die Gemeinschaft am Tisch des Herrn das höchste Zeichen
der sichtbaren und vollen Einheit der Kirche Jesu Christi ist, diese
Einheit im Glaubensverständnis jedoch noch nicht erreicht ist,
sehen die Kirchenleitungen noch keine Möglichkeit zu einer offiziellen
gemeinsamen Mahlfeier; angesichts der bestehenden Unterschiede, v.a.
in Fragen des Amtes und des Kirchen-verständnisses, wäre
ein gemeinsames Herrenmahl unredlich und unwahrhaftig, - so die offiziellen
Verlautbarungen - da es etwas vorspiegle, was eben noch nicht gegeben
sei.
Sicher ein gewichtiges und sehr ernstzunehmendes Argument - schließlich
handelt es sich beim Herrenmahl um das Zentrum unseres Glaubens; sich
hier einfach auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, wäre
sicher kein hilfreicher Weg.
Gleichzeitig ist diese
Frage nach Wahrhaftigkeit und Redlichkeit aber auch ein Argument,
das nicht alle zufrieden stellt und kritische Nachfragen provoziert:
Gibt es die hier geforderte Einheit im Glaubensverständnis denn
überhaupt irgendwo in unseren Kirchen - gibt es sie überhaupt
irgendwo innerhalb der einzelnen Konfessionen? Gibt es nicht auch
kirchenintern im Glaubensverstehen der Einzelnen tatsächlich
eine große Bandbreite im Verständnis der Bedeutung der
Eucharistie, die hier aber nicht trennend wirkt? Und: Ist eine solche
geforderte Einheit überhaupt theoretisch - dogmatisch zu erreichen
oder braucht es dazu nicht gerade das zeichenhafte Erleben von Einheit
im gemeinsamen, religiös-rituellen Tun? Setzt die gemeinsame
Mahlfeier unabdingbar die Einheit voraus oder kann gerade sie nicht
der vielleicht grundlegende Impuls für das Erreichen dieser Einheit
sein - zumal in beiden Kirchen die Überzeugung gilt, dass Jesus
Christus selbst zum Mahl einlädt und ja eigentlich nicht die
Gemeinschaft, sondern die Trennung der Rechtfertigung bedarf; und
dann gibt es ja schon seit vielen Jahren in begründeten Fällen
die Praxis eucharistischer Gastfreundschaft....
Schwierige Fragen, Argumente
für und wider, auf die keine schnellen und einfachen Antworten
möglich sind. Ob die gemeinsamen Mahlfeiern, die es außerhalb
des offiziellen Programms in Berlin durch die Initiativen "Kirche
von unten" und "Wir sind Kirche" dennoch gegeben hat,
den ökumenischen Fortschritt tatsächlich fördern oder
eher behindern, wird allein die Zukunft erweisen.
Sicher ist, dass zum jetztigen
Zeitpunkt eine alleinige Konzentration auf die gemeinsame Mahlfeier
für den ökumenischen Fortschritt nicht förderlich ist.
Denn bei allen ökumenischen Bemühungen war und ist bis heute
auch das Ziel der Ökumene noch nicht vollständig geklärt:
Was ist eigentlich mit dem Begriff "Einheit" gemeint und
welche Art von Einheit streben wir an?
Tatsächlich ist Einheit ein schillernder Begriff, unter dem ganz
Unterschiedliches verstanden werden kann: Heißt Einheit der
Zusammenschluß aller Christen zu einer einzigen Kirche, in der
für alle Einheitlichkeit und Uniformität herrschen - eine
Einheit, in der alles gleichförmig sein und geschehen soll? Oder
heißt Einheit die gegenseitige Anerkennung unter Gemeinschaften,
die ihre gewachsenen Ausprägungen bewahren und in "versöhnter
Verschiedenheit" ihre Traditionen miteinander leben?
Auch wenn inzwischen klar ist, dass das Modell der "versöhnten
Verschiedenheit" den Weg für den ökumenischen Dialog
vorgibt, entstehen auch aus ihm weitere Fragen: Wieviel Gemeinsamkeit
ist in welchen Punkten erforderlich und wie viel Verschiedenheit ist
in welchen Bereichen möglich, damit man überhaupt von einer
Einheit sprechen kann? Was ist zwingend nötig und was ist dabei
noch an Freiheit möglich, um zu einer Einheit zu gelangen, die
diesen Namen verdient?
Liebe Gemeinde, natürlich
kann auch ich Ihnen keine fertigen Antworten auf diese Frage geben,
um die eine Menge Theologen seit Jahrzehnten ringen. Aber das heutige
Evangelium mit dem Gebet Jesu um die Einheit weist für mich auf
zwei entscheidende Grundvoraussetzungen für eine kommende Einheit
hin.
Bemerkenswert ist für mich, dass Jesus die erbetene Einheit ganz
personal und innerlich begründet: "Wie du, Vater, in mir
bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein..."; und
am Ende des Gebetes Jesu heißt es dann: "Ich habe ihnen
deinen Namen bekannt gemacht, damit die Liebe, mit der Du mich geliebt
hast, in ihnen ist und damit ich in ihnen bin." Einheit ist für
Jesus offenbar da, wo die Liebe, mit der er sich geliebt weiß,
in uns Christen ist; Einheit ist für Jesus offenbar da, wo Gott,
der die Liebe ist, in ins lebt; Einheit ist da, wo die Liebe Gottes
erfahren und angenommen wird - da, wo sie untereinander und nach außen
hin spürbar wird.
Also nicht die Übereinstimmung
in komplizierten theologischen Fragen ist der tiefste Grund der Einheit,
sondern die Art und Weise, wie wir einander begegnen, wie wir miteinander
umgehen, wie wir miteinander leben: ob wir uns voneinander abgrenzen
und uns gegenseitig nicht über den Weg trauen - oder ob wir aufeinander
zugehen und einander in Wohlwollen begegnen; ob wir um jeden Preis
rechthaben wollen und dabei Wahrheit mit Macht verwechseln - oder
ob wir in gegenseitiger Achtung einen offenen Dialog miteinander führen,
der gerade auch die strittigen Punkte nicht ausklammert; ganz in diesem
Sinne formulieren auch die Veranstalter des Berliner Kirchentags:
"Ob Papstamt, Abendmahl, Kirchenverständnis: Differenzen
und Konflikte sollen in Berlin auf den Tisch kommen. Der erste und
wichtigste Schritt zu erneuerter Gemeinschaft ist jedoch, einander
offen und aufmerksam zu begegnen, die Traditionen und Prägungen
der Anderen genauer kennen zu lernen."
Die Einheit, um die Jesus bittet, beginnt da, wo die Liebe, mit der
Jesus sich geliebt weiß, auch in den Christen ist! Das ist die
entscheidende Grundvoraussetzung, durch die alles weitere möglich
wird. Wer Liebe erfahren hat, weiß, wie viel der Geist der Liebe
in Bewegung bringen und wie erfinderisch er machen kann!
Und noch ein zweites ist
für mich bemerkenswert: In einem Gebet bittet Jesus den Vater
um diese Liebe für uns Christen. Eine Einheit, die in gegenseitiger
Liebe gründet, ist nicht einfach machbar, liegt nicht allein
in unserer Hand! Liebe achtet die Freiheit des Anderen; Liebe läßt
Freiheit im Leben und Glauben. Nicht zuletzt deshalb kann eine Einheit,
deren Fundament die erspürte und einander weitergeschenkte Liebe
Gottes ist, nicht einfach arrangiert, nicht einfach pragmatisch geregelt
werden. Sie ist vielmehr ein lebendiger Prozeß, ein gemeinsamer
Weg, auf dem nicht alles im Griff zu haben ist.
Deshalb ist für mich das Gebet um die Einheit der Christen mehr
als eine fromme Pflichtübung; es ist für mich mehr als ein
frommes Mäntelchen, mehr als eine Ausrede, um sich vor dem zu
drücken, was im eigenen Verantwortungsbereich tatsächlich
jetzt schon machbar wäre. Keine Frage: Wir müssen uns auf
den Weg machen; aber dabei bleibt das Gebet um die Einheit für
uns Christen wichtig, weil letztlich die Haltung des Gebets allein
dem Wesen einer erstrebenswerten Einheit entspricht.
Liebe Gemeinde, bitten
wir deshalb im Gebet mit Jesus um diese Einheit, um den schöpferischen
Geist der Liebe Gottes, der Fortschritte auf dem Weg zueinander immer
wieder neu möglich macht - sicher auch jetzt, in Berlin und anderswo.
Amen.
Einführung:
Im heutigen Evangelium
überliefert uns der Evangelist Johannes ein Gebet Jesu, das am
Ende seiner Abschiedsrede an die Jünger steht. Jesus weiß,
daß sein Leidensweg bevorsteht und er seine Jünger zurücklassen
muß.
Aber er gibt ihnen keine Ratschläge oder Ermahnungen; er breitet
auch kein Manifest seiner Lehre aus, um alles Wichtige nochmals zusammenzufassen;
vielmehr betet er für sie. Er vertraut sie dem Vater an und bittet
um ihre Einheit.
Dies möchte ich heute - auch im Blick auf den Ök. Kirchentag
- zum Anlaß nehmen, um mit Ihnen über die Einheit der Christen
nachzudenken und dafür zu beten.
Bekennen wir uns zu Beginn
unseres Gottesdienstes mit dem Kyrie zu unserem Herrn Jesus Christus,
der in den Himmel aufgefahren ist und uns Christen in aller Welt zur
Einheit ruft.
Fürbitten:
Herr, Jesus Christus, du hast zum Vater um die Einheit aller Glaubenden
gebetet. In dein Gebet stimmen wir mit unseren Bitten ein:
Sende in die Herzen deiner Gläubigen den Geist der Liebe, der
untereinander verbindet und erfinderisch macht.
Gib allen, die in der ökumenischen Arbeit stehen, die rechte
Erkenntnis und die Weite des Herzens.
Hilf deinen Kirchen, eigene Schuld und Versagen voreinander einzugestehen
und die Grenzen zu überwinden, die menschliches Unvermögen
gezogen haben.
Bewahre deine Kirchen vor Besitzstandsdenken, damit nicht Machtbestrebungen
deinem Ruf zur Einheit entgegenstehen.
Hilf uns, mit unseren Mitmenschen solidarisch zu sein und zu erkennen,
wo sie uns brauchen.
Herr, Jesus Christus, zum
Zeugnis deiner göttlichen Liebe bist du in den Tod gegangen.
Laß uns Christen im Glauben an dich zusammenstehen und gemeinsam
Zeugen deiner Liebe sein; daum bitten wir dich, heute und alle Tage.
Amen.