Predigten
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Die Kraft des begnadeten MenschenPredigt über Röm 3,21-31 zum Reformationsfest am 1./2.11.2003 in der Kirch am Eck und in der EberhardsgemeindeLiebe Eberhardsgemeinde,
Problemanzeige Wenn einem katholischen Priester
die Gelegenheit angeboten wird, zwar nicht am größten Festtag
der evangelischen Kirche, so doch wohl am für die Identität
ihrer Konfession entscheidenden Gedenktag einer evangelischen Gemeinde
als Prediger zu begegnen, dann türmen sich in ihm höchstselbst
große Fragen auf, Bedenken gar. Nicht daß ich mich auf diese
Predigt nicht gefreut hätte. Im Gegenteil! Nicht daß ich
nichts zu sagen wüßte. Zuviel käme mir in den Sinn!
Nein, am Priester liegt's, am geweihten Amtsträger der katholischen
Kirche, der ich bin und sein will, und der doch in einem Moment der
casus cadentis in personam ist, der personifizierte Stein des Anstoßes,
an dem die Einheit zwischen unseren beiden Kirchen scheitert. Die Frage
nach dem Amt in der Kirche und seinem Verständnis ist die zentrale
Frage, auf die alle ökumenischen Dialogpartner mit der römischen
Kirche in ihren Überlegungen zulaufen und in der sie letztlich
stecken bleiben. Zumindest bis zur Stunde. Wie also sollte ich von Ökumene
sprechen, gar eine evangelisch sensible Predigt zum Reformationsfest
halten, wo doch mein Amt viele wesentlichen Fragen blockiert, namentlich
die derzeit wohl entscheidende Suche nach dem Möglichkeiten eines
gemeinsamen Abendmahles? Verstehen Sie mich bitte richtig: Natürlich kann ich in meinem Amt ökumenische Akzente setzen, habe einen gewissen Spielraum. Das haben Sie längst alle festgestellt. Dennoch bleibe ich - und dies ist ja wohl so beabsichtigt - Repräsentant meiner Kirche, auch mit dem, was mir und Ihnen womöglich nicht gefällt. Und ganz automatisch werfe ich durch meine bloße Anwesenheit die Frage auf, welche Form des besonderen Priestertums denn nun die richtige und angemessene sei. Zwar werden die reformierten Kirchen nicht müde zu betonen, daß das gemeinsame Priestertum aller Getauften die ausschlaggebende Größe sei, aus der sich die Kirche Jesu Christi bilde. Als Katholik wollte ich dem auch gar nicht widersprechen. Aber was ist mit den Ordinierten in ihrer Kirche? Es gibt Bemühungen in der evangelischen Tradition, den Ordo auszublenden. Aber faktisch und auch theologisch haben die Pfarrer eine heraus gehobene Stellung in den Gemeinden. Und dies ist nicht nur einfach gut so, sondern es ist notwendig. Theologie des Amtes Was aber ist dann die spezifische
Besonderheit, die das an die Ordination bzw. an die Priesterweihe gebundene
Amt von jenen Diensten unterscheidet, die allen getauften Christen (kraft
ihres gemeinsamen Priestertums) aufgetragen sind? Ich will ein paar
ganz wenige Linien ausziehen, mit Absicht tendenziell ausgewählt,
von denen ich meine, daß sie mehr Gemeinsames andeuten als Trennendes:
mein Ansatzpunkt für eine mögliche Konvergenz, ein "Zusammenlaufen"
der beiden Kirchen. Ich beginne mit einer Hauptaussage
des protestantischen Selbstverständnisses dazu, die mir als unumstößliche
Grundlage sehr zupaß kommt, mit dem 14. Artikel des Augsburger
Bekenntnisses. Dort heißt es: "In der Kirche soll niemand
öffentlich lehren oder predigen oder die Sakramente reichen, er
sei denn ordentlich berufen (nisi rite ordinatus)." Ein
weiter Begriff, was das zu bedeuten habe: "ordentlich berufen".
In der Tat. Dennoch scheint mir dies der entscheidende Anknüpfungspunkt
zu sein, über den die Kirchen miteinander ins Gespräch kommen
müßten. In meiner Kirche, das ist den meisten von Ihnen wohl
bewußt, wird dieser Begriff der ordentlichen Berufung, sehr strikt
gehandhabt; versehen mit hohen kirchenrechtlichen Auflagen, die ich
hier nicht diskutieren will. Ich will allerdings nicht einsehen, warum
es keine Bewegung aufeinander zu in diesem Bereich geben soll. Und dann
mag es am Ende noch immer Differenzen geben. Allein: Müssen diese
kirchentrennend sein? Die gemeinsame Grundlage
erscheint mir so gering nicht:
Gemeinschaft beim Brotbrechen Sichtbares Zeichen solcher
Einheit ist nach außen gewandt die Feier des Gottesdienstes, nach
innen gedacht die Kommunion mit Jesus Christus. Solche Gemeinschaft
des Menschen mit seinem Gott kann katholischerseits nicht intensiver
als in der Feier der Eucharistie, in der heilsamen Vergegenwärtigung
des Letzten Abendmahls gedacht werden. Und darin liegt auch die herausragende
Bedeutung, welche die sonntägliche Eucharistie im katholischen
Gemeindeleben und Kirchenverständnis einnimmt. Als Sakrament ist
sie wie die Taufe ein wirksames Zeichen für das, was Paulus in
seinen Briefzeilen geradezu beschwört, was ihm so wesentlich ist,
von der Botschaft seines Herrn zu übermitteln, in die römische
Kirche damals wie heute hinein: daß nämlich die Gnade Gottes
ohne Bedingungen, ohne Vorleistungen, ohne Werke geschenkt wird: So
halten wir nun dafür, daß der Mensch gerecht wird ohne des
Gesetzes Werke, allein durch den Glauben. Eben dies zeigt sich unübertreffbar
in der Eucharistie. Was Paulus mit seinen Worten aus der Botschaft Jesu
ableitet und in seiner Rechtfertigungslehre als sein Evangelium formuliert,
ist die Eucharistie als Feier: konkrete Gestalt des Evangeliums - für
alle Zeiten. Daß wir diese unbedingte
Gnade getrennt feiern, wird ein Skandal bleiben, solange dies so ist.
Die Trennung widerspricht dem Wesen der Eucharistie, wie es dem Wesen
der Taufe und des Amtes in der Kirche zuwiderläuft, weil sie alle
Zeichen der Einheit sein sollen. Und die Tatsache, daß unsere
beiden Kirchen sich seit ihrer gemeinsamen Erklärung vom 31.10.1999
offiziell auf einen weitgehenden Kompromiß in der Frage der Rechtfertigungslehre
einigen konnten, beinhaltet die Forderung, daß diese Übereinstimmung
auch in den verbliebenen strittigen Fragen der Ökumene nicht folgenlos
bleiben dürfe. Auch im Verständnis der Eucharistie nämlich
sind in vielen ehedem strittigen Fragen inzwischen weitgehend Übereinstimmungen
erzielt worden. Dies gilt für den Empfang des Abendmahls unter
beiderlei Gestalt, wie für die Meßopfer-Theologie, als auch
für die Voraussetzung, daß im Abendmahl mit der Gegenwart
Jesu Christi wirklich und wirksam zu rechnen ist - und
zwar in den Elementen von Brot und Wein als reale Präsenz. In der
theologischen Diskussion haben die Kirchen der Reformation dabei noch
Unterschiede in den eigenen Reihen zu überwinden. Die Praxis (Häufigkeit,
Ritus) unterscheidet unsere Kirchen, und auch die Ortsgemeinden unübersehbar
voneinander. Jedoch nicht minder muß die katholische Kirche dafür
Sorge tragen, ihre Auffassung von diesem Glaubensgeheimnis den Menschen
unserer Tage noch verständlich zu machen. Ausblicke der Rechtfertigung Sie haben es längst
bemerkt, liebe Schwestern und Brüder, daß ich einen etwas
ungewöhnlichen Zugangsweg zu diesem für das protestantische
Selbstverständnis zentralen Bibeltext in Röm 3 gewählt
habe; einen sehr persönlichen zunächst, der von meinem Amt
ausgehend die Rechtfertigung des Sünders auf das gemeinsame und
das besondere Priestertum bezieht und schließlich die Eucharistie
als Feier der Rechtfertigung versteht. Zuletzt kehre ich noch einmal
zu der sehr persönlichen Frage zurück, die Paulus aufwirft:
"Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?" Die sich dahinter
verbergende, enorm existentielle Skepsis ist es, die unterschiedslos
alle Christen vor ihren Gott hinführt, die uns vor seiner Größe,
seinem Geheimnis heilsam erschauern läßt. Luther hat diese
Frage auf intensivste beschäftigt, und mit ihm und nach ihm viele
Menschen. Für die evangelische Kirche ist es der Artikel geworden,
mit dem die Kirche steht und fällt, weil sie in ihm den Inbegriff
des Evangeliums vom auferstandenen Gekreuzigten erkannte. Und weil sie
in ihm die Antwort fand auf der Suche nach Heilung und Heil in all der
Fragwürdigkeit des eigenen Daseins. Unserer Zeit scheint diese
grundsätzliche Fraglichkeit weitgehend abhanden gekommen zu sein.
Sei es, weil wir unser ach so geordnetes Leben nicht ankratzen lassen
wollen, sei es, weil wir nach dem Motto verfahren: "Jedem das Seine!"
und Gott dabei erst gar nicht in unser Blickfeld gerät. Gerade
dieses allzu menschliche Gerechtigkeitsempfinden jedoch hat Paulus Lügen
gestraft. Und als Luther bei seinem Brüten über dem Römerbrief
endlich ein Licht aufging, erkannte er in der Rechtfertigung des Sünders
durch Gott Jesus Christus selber und erklärte sie zur ursprünglichen
Einsicht der Kirche, einer neuen Kirche schließlich, der Reformation.
Ich meine, auch heute könnte
dieser Erkenntnis eine befreiende Wirkung zueigen sein, und sie bräuchte
den Menschen unserer Tage nicht fremd zu bleiben. An ihrem Reformationsfesttag
feiert die evangelische Kirche diese Grundeinsicht des Glaubens, die
nach Jahrhunderten der Kontroversen auch eine fundamentale Wahrheit
der katholischen Kirche geworden ist. Und deshalb freue ich mich, heute
mit Ihnen so feiern zu dürfen - mit Ihnen, und mit hoffentlich
ein paar Menschen mehr auf der Welt, die die Kraft des begnadeten Menschen
durch uns zu spüren bekommen. |
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