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Predigt
am Ostersonntag 2004 in der Eberhardsgemeinde
»Christus
ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!«
Liebe Osterfestgemeinde!
Schüler und Schülerinnen der vierten Klasse in der Französischen
Schule wollten das in der letzten Woche nicht glauben. Sie fragten mich,
woher man überhaupt wisse, dass Jesus gelebt habe. Ich erzählte
ihnen von der Entstehung der Bibel, von Quellen auch außerhalb
der Bibel, die von Jesus berichten - bis hin zum Koran. Die Schüler
ließen das nur begrenzt gelten und erfanden die abenteuerlichsten
Theorien, wie jemand damals die Geschichte von Jesus erfunden und über
die Welt verteilt habe.
Kinder sind misstrauisch und das ist gut so. Sie glauben nicht alles,
was man ihnen erzählt.
Und wir Erwachsenen? Ich
zweifle nicht daran, dass Jesus von einer jüdischen Frau geboren
wurde, dass er in Israel aufwuchs und lebte und am Kreuz hingerichtet
wurde.
Aber auferstanden von den Toten? Wirklich leibhaftig auferstanden? -
Das empfinde ich als eine arge Zumutung unseres christlichen Glaubens.
Das ist doch wirklich unglaublich, wenn nicht unglaub-würdig? Im
Gespräch mit nicht-christlichen Freundinnen und Freunden neige
ich bisweilen dazu, die Osterbotschaft ein wenig abzuschwächen,
sie symbolisch zu deuten und zu erklären, als Aufstehen für
das Leben oder so ähnlich, was ja auch nicht falsch ist....
Dabei ist mir klar: Die Geschichte
von der Auferweckung Jesu, die wir eben gehört haben, ist keine
Randglosse des Evangeliums, auf die es letztlich nicht ankommt. Alles
hängt von ihr ab. Der Apostel Paulus schreibt: »Gibt es
keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich,
so ist euer Glaube vergeblich.« (1. Kor 15, 13-14) - und so
können wir anfügen: dann ist die ganze Kirche umsonst.
Auf was gründet also unser Osterglaube, der uns heute morgen hier
zusammengeführt hat?
Hören wir noch einmal
auf Paulus. Am Anfang des 15. Kapitels schreibt er im Brief an die Gemeinde
in Korinth:
Das Zeugnis von der Auferstehung Christi
151 Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium,
das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in
dem ihr auch fest steht,
2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt,
in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst
gläubig geworden wärt.
3 Denn als Erstes
habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus
gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten
Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.
6 Danach ist
er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal,
von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt
gesehen worden.
9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert
bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes
verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an
mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet
als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir und so habt ihr geglaubt.
Amen
Liebe Gemeinde!
Paulus gibt weiter, was er selber empfangen hat. Nicht selbst Ausgedachtes,
selbst Interpretiertes verkündet er den Gläubigen in Korinth.
Keine paulinische Sonderlehre, sondern das, was alle Apostel empfangen
haben und an dem alle gleichermaßen festhalten. »Das«,
so sagt er den Korinther, »habt ihr auch angenommen. In dem steht
ihr fest. Wenn ihr das aufgebt, fallt ihr um und seid umsonst gläubig
geworden.«
Was ist dieses Evangelium,
von dem Paulus spricht? Hat es auch für uns noch diese verbindliche
Bedeutung?
Liebe Osterfestgemeinde!
In unserem Predigttext verbirgt sich ein besonderer Schatz. Die vier
Zeilen, in denen Paulus seine ganze Verkündigung zusammenfasst,
hat nicht er selber formuliert. Sie bilden eine Formel, die er vorgefunden
hat - das älteste Oster-Zeugnis im Neuen Testament, das uns überliefert
ist. Es lautet:
»Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach
der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist;
und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.«
Wahrscheinlich stammt dieses
Bekenntnis aus einer griechisch sprechenden Gemeinde von Judenchristen.
Vielleicht wurde es als Bekenntnis bei der Taufe gesprochen.
Sehen wir es uns etwas genauer an:
Wir glauben, dass Christus gestorben ist für unsere Sünden
gemäß den Schriften,
und dass er auferweckt ist am dritten Tage gemäß den Schriften.
Die Schriften sind die Bücher, die in der hebräischen Bibel,
im Alten Testament zusammengefasst wurden. In ihnen waren die Jünger
und Apostel zu Hause. Sie sind die Gewähr für das, was wahr
und falsch ist.
Gestorben für unsere Sünden gemäß den Schriften.
Denn beim Propheten Jesaja heißt es über den leidenden Gottesknecht:
»Er hat sein Leben in den Tod gegeben und ist den Übeltätern
gleich gerechnet und hat die Sünden der vielen getragen, für
die Übeltäter gebeten.« (Jes 53,12)
Und auferstanden am dritten
Tage gemäß der Schriften? Das überrascht. Ist nicht
die Auferstehung von den Toten gerade das, was die Schriften überbietet,
was alles bisher Gewesene hinter sich lässt?
Beim Propheten Hosea sagt das Volk Israel: »Kommt, wir wollen
wieder zum Herrn, denn er hat uns zerrissen, er wird uns auch heilen,
er hat uns geschlagen, er wird uns auch verbinden. Er macht uns lebendig
nach zwei Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, dass wir vor
ihm leben werden.« (Hos 6,2)
Die hebräische Bibel
kennt die Auferweckung von den Toten. Gerade dadurch wird das Bekenntnis
von der Auferweckung Jesu für Paulus so glaubwürdig.
Und bis heute betet die jüdische Gemeinde im 18-Bitten-Gebet zu
dem Beleber der Toten:
»Du bist mächtig, Gott.
Beleber der Toten bist du, stark zum Helfen.
Du erhältst die Lebenden in Liebe,
belebst die Toten in großem Erbarmen,
stützt die Fallenden, heilst die Kranken, befreist die Gefesselten
und hältst deine Treue denen, die im Staube schlafen.«
Die beiden Kernaussagen des christlichen Glaubens sind durch die
Schriften angekündigt und belegt:
- gestorben für unsre Sünden gemäß den Schriften;
- auferweckt am dritten Tage gemäß den Schriften;
Sie werden bestätigt
durch zwei weitere Sätze:
Nachdem er gestorben ist, wurde Jesus begraben. Er war wirklich tot,
nicht nur scheintot. Sein Grab wurde mit einem großen Stein verschlossen.
Er war wirklich Mensch. Er ist getötet und begraben worden nach
den Gebräuchen der damaligen Zeit.
Und nachdem er auferstanden ist, wurde er gesehen von Kephas und von
den Zwölfen. Besser übersetzt heißt es: Er ist erschienen
Kephas und den Zwölfen. Der Auferstandene war keine Vision eines
besonders frommen Jüngers. Er war wirklich da, anfassbar und doch
unfassbar, begreifbar und doch unbegreiflich.
»Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach
der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist;
und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er erschienen ist Kephas, danach den Zwölfen.«
- das bekannte die junge christliche Gemeinde.
Liebe Schwestern und Brüder!
Wir brauchen Bekenntnisse, die unseren Alltag und unseren Horizont überschreiten,
die unabhängig sind von aktueller Erfahrung und Sprache der Menschen.
Immer wieder wird in unsere Kirche das Apostolische Glaubensbekenntniss
in Frage gestellt. Die Sprache sei zu alt und unverständlich und
passe nicht mehr in unseren Alltag. Man müsse ein Glaubensbekenntnis
sprechen, das unserer Lebenswirklichkeit entspricht und auch dem Kirchenfernen
vermittelbar ist.
Paulus lehrt uns den
Wert eines gemeinsamen Bekenntnisses. Alle Apostel, und das waren mehr
als die 12 Jünger, haben sich auf dies eine Bekenntnis bezogen,
und wohl auch die 500 Brüder, von denen Paulus spricht. Alle auf
das eine, auf das älteste, das überlieferte. Versuche, die
Prediger zu spalten oder gegeneinander ausspielen, nach dem Motto: der
kann besser reden, der ist authentischer, der aber moderner, der wiederum
näher am Ursprünglichen - schlagen damit fehl: »Es sei
nun ich oder jene: so predigen wir und so haben wir geglaubt.«
Solche Glaubensbekenntnisse verbinden uns mit unseren Müttern und
Vätern im Glauben und mit der Christenheit in der ganzen Welt.
Liebe Osterfestgemeinde!
Worauf gründet unser Osterglaube? So habe ich zu Beginn gefragt.
Ist das uralte Bekenntnis der ersten Christenheit eine Antwort?
Nein, sagen mein Schüler. Denn, dass Christen in Jerusalem diese
Sätze bei der Taufe gesprochen und später in Griechenland
aufgeschrieben haben, beweist ja nicht, dass Jesus wirklich auferstanden
ist. Das Bekenntnis ist Ausdruck, aber nicht Grund des Osterglaubens.
Ja und nein, sage ich. Denn die Osterbotschaft kann und will nicht bewiesen
werden. Ja, vielleicht ist sie so unglaublich, dass sie nicht einmal
verstanden werden will. Sie will gelebt werden und bekommt dadurch quasi
im Nachhinein ihren Grund und ihre Begründung.
Der Berliner Theologe Friedrich-Wilhelm
Marquardt hat das so ausgedrückt: »Die Botschaft »Christ
ist erstanden« will, dass wir als ihre Hörer und Hörerinnen
ihr Zeugnis übernehmen. Sie weiterzusagen ist die einzige Form
ihrer Bewahrheitung. Die Auferweckung Jesu von dem Tode will gelebt
werden... Grundlos in sich als das schlechthin Unglaubliche, bedarf
sie dessen, dass wir sie nachträglich begründen, ihr Grund
geben in unserem Leben und dem unserer Gesellschaften.« (Eschatologie
Bd. 3, S. 162)
Das uralte Bekenntnis ist Grund und Begrünung der Osterbotschaft,
weil es dazu diente, sie über Generationen weiter zu geben. Wir
brauchen es, um die Auferweckung Jesu zu leben und so quasi nachträglich
zu begründen.
Wie aber können wir sie leben?
Sehen wir uns die an, denen der Auferweckte erschien: Unfassbar für
die be-greifende Maria von Magdala, berührbar vom ungläubigen
Thomas, ihnen allen wieder erkennbar. Resignation, Enttäuschung,
Entsetzen sind wie weggeblasen. Die, die erstarrt waren von der Trauer
um den gemordeten Lehrer, werden zu neuem Leben erweckt. Die Erstarrten
kommen in Bewegung: Maria Magdalena rennt zu Petrus und Johannes. Johannes
und Petrus laufen um die Wette zum leeren Grab. Petrus wirft sich ins
Wasser als er den Auferstanden erkennt und die Emmaus-Jünger laufen
zurück nach Jerusalem, nachdem sie mit ihm gegessen haben.
Sie alle erleben eine völlig neue Wirklichkeit, in der der Tod
nicht mehr die erste Geige spielt. Der Tod hat zum Tanz aufgespielt.
Doch da spielt einer nicht mit. Da tanzt einer aus der Reihe und reißt
die anderen mit. »Ich lebe und ihr sollt auch leben.«
(Joh 14,19)
Liebe Osterfestgemeinde!
Auch wir dürfen uns mitreißen lassen und so zu dem werden,
was wir sind: zu Protestanten, zu Protestleuten gegen den Tod, die nicht
erstarren angesichts der Gewalt des Krieges, der das Leben von Menschen
zunichte macht, wie in dem neu aufflammenden Krieg im Irak, sondern
zu Menschen, die in Bewegung geraten für eine Welt, in der Schwerter
zu Pflugscharen werden und Gottes Geschöpfe in Würde und ohne
Angst und Hunger leben können -
Liebe Gemeinde!
Die Auferweckung von den Toten ist keine lebensverlängernde Maßnahme.
Die Auferweckten sind keine unsterblich auf Erden Wandelnden. Erweckung
ist keine Verlängerung schon gelebten Lebens, sondern Einführung
in das neue. Der auferweckte Christus blieb nicht auf Erden, sondern
kehrte zurück zu seinem Vater. Das neue Leben ist aber kein Jenseitiges.
Hier und heute hoffen wir darauf, dass der Beleber der Toten die Fallenden
stützt, die Kranken heilt und die Gefesselten befreit.
Hier und heute können wir etwas von dem neuen Leben sehen und schmecken.
Darum ist die Osterbotschaft für mich keine unglaubwürdige
Zumutung, sondern eine Einladung an seinem Tisch zu kosten von der
»heil´gen Gottesspeise,
die auf verborgne Weise
erquicket jede Brust.«
Amen
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