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Predigt
zum Fest Taufe des Herrn (11.1.2004)
- C Lk 3, 15-22
Liebe Gemeinde,
am Ende der weihnachtlichen
Festzeit hören wir ein Evangelium, das uns nochmals an den Advent
zurückerinnert und direkt an die vorweihnachtliche Zeit anknüpft:
"In jeder Zeit war das Volk voll Erwartung" heißt es
da; und im Zentrum des gehörten Abschnitts steht die Gestalt Johannes
des Täufers - eine wahrhaft adventliche Gestalt: Johannes, der
von Gott gesandte Rufer in der Wüste, der dem Herrn den Weg bereitet;
ein Prophet, der das baldige, endgültige Kommen Gottes zu seinem
Volk erwartet und von dieser drängenden Erwartung Zeugnis gibt;
ein Mahner zur Umkehr, der die Umkehrwilligen am Jordan tauft, damit
sie beim bevorstehenden Kommen Gottes bestehen können.
Johannes, eine adventliche Gestalt, dessen Erwartung der Ankunft Gottes
uns die Bedeutung des Weihnachtsgeschehens nochmals deutlich vor Augen
stellt.
Allerdings war das vom Täufer
erwartete endzeitliche Kommen Gottes nicht mit Frieden und Heil verbunden,
sondern mit dem Hereinbrechen des göttlichen Zorngerichts über
Israel: "Ihr Schlangenbrut, wer hat euch denn gelehrt, daß
ihr dem kommenden Gericht entrinnen könnt? Bringt Früchte
hervor, die eure Umkehr zeigen...Schon ist die Axt an die Wurzel der
Bäume gelegt; jeder Baum, der keine gute Frucht bringt, wird umgehauen
und ins Feuer geworfen..." - so lautete seine Botschaft an die,
die zu ihm hinauskamen. Er war davon überzeugt, daß Israel
am Ende sei und daß der Kommende der Vollstrecker des Gerichts
sein werde: "Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die
Spreu vom Weizen zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen;
die Spreu aber wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen."
Johannes erwartete eine Richtergestalt, die jeden Augenblick in Erscheinung
treten konnte, die Israel mit einer alles vernichtenden Feuersbrunst
richten würde.
In dieser ausweglos erscheinenden
Situation gab es für die Israeliten nur noch eine letzte Möglichkeit,
bestehen zu können - die Möglichkeit der Umkehr, die jetzt
geschehen und das ganze Leben des Menschen umfassen mußte. Die
Israeliten zur Umkehr zu bewegen, um sie dann mit dem Wasser der Taufe
vor dem verzehrenden Feuergericht zu versiegeln - das war die prophetische
Sendung, die Johannes mit ganzer Kraft ausfüllte.
Und in dieser Sendung wird
Johannes von Jesus gepriesen, obwohl die Ankunft Gottes in ihm nun ganz
anders verlaufen ist als von Johannes erwartet. Und auch Jesus unterzieht
sich der Taufe, obwohl er der Umkehr und der Versiegelung vor dem Feuergericht
sicher nicht bedurfte - ein Hinweis darauf, wie Gott nun in der Welt
angekommen ist.
In Jesus kommt Gott nicht
von oben zu uns Menschen, um unser Geschick über unsere Köpfe
hinweg zu vollenden; in Jesus kommt er vielmehr von unten und reiht
sich ein in unser Leben. Mit der Taufe im Jordan stellt sich Jesus mitten
hinein in das Leben seines Volkes, in die Ängste und Nöte
der Israeliten, in ihre Geschichte mit allen Höhen und Tiefen,
in ihr Hoffen und Glauben; mit der Taufe im Jordan reiht er sich ein
in ihre Lebensvollzüge und wird - nicht nur äußerlich
- einer von ihnen. Und darin wird er vom Vater bestätigt: "Du
bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden."
Gott kommt als Mensch zu uns Menschen, er stellt sich auf eine Stufe
mit uns. Seine Taufe im Jordan zeigt uns, daß es keinen Bereich
mehr gibt, an dem er uns fern wäre: er ist bei uns in unserem Hoffen
und Sehnen, in Gesundheit und Krankheit, in unserem Glauben und Zweifeln,
in Erfolg und Mißerfolg; indem er sich mit uns auf dieselbe Ebene
begibt, nimmt er uns an, wie wir geworden sind, mit unserer Geschichte,
mit den Höhen und Tiefen unseres Lebens; niemand, dem wir nur gesenkten
Hauptes begegnen können - einer, der uns in die Augen schaut und
dessen Blick wir aufrechten Hauptes erwidern dürfen.
Aber nicht nur die Art seines
Kommens, auch sein Wirken und Handeln unter den Israeliten ist ganz
anders als von Johannes erwartet: statt des Gerichts kommt das Heil,
statt der Verurteilung die Befreiung, statt drohender Prophezeihung
wird frohe Botschaft verkündet. Die Ankunft Gottes in der Welt
vollendet nicht das Bisherige, indem es nach Recht und Unrecht, Verdienst
und Schuld gerichtet wird; die Ankunft Gottes setzt vielmehr einen Anfang,
in dem allen Menschen die Chance eröffnet wird, mit Gott neu in
Beziehung zu treten. Und dabei steht nicht die religiöse Leistung
der Umkehr an erster Stelle, sondern das Geschenk der menschgewordenen
Liebe Gottes. In Jesus kommt Gott uns Menschen eben nicht als der gestrenge
Richter, sondern als der barmherzige Vater entgegen - eine Begegnung,
die zuerst Liebe erfahren läßt und damit zur Umkehr befähigt.
So wie der barmherzige Vater den verlorenen Sohn bedingungslos in die
Arme schließt, so erfahren Menschen in der Begegnung mit Jesus
den bedingungslosen Heilswillen des Vaters - eine Erfahrung, aus der
heraus Umkehr erst möglich wird.
Gott wartet nicht, bis wir soweit sind oder zu sein glauben, um ihm
begegnen zu können; er kommt uns entgegen und will uns durch die
Begegnung mit ihm verwandeln. Gott fordert nicht erst die Umkehr, um
dann zu uns zu kommen; er sucht zuerst die Begegnung mit uns, um uns
darin die Umkehr zu ermöglichen.
Welch ein Freiraum für alle, die das fassen können! Welche
Befreiung von religiösem Leistungsdenken und versklavender Untertanenhaltung!
Sich selbst als liebenswert und unbedingt geliebt begreifen und auf
diesem Fundament neue Möglichkeiten, neue Lebens- und Glaubenswege
entdecken...
Und: Wieviel Versöhnung wäre unter uns in unseren Beziehungen
möglich, wenn wir der Versöhnung den Weg durch Zeichen der
Liebe ebnen könnten! Wieviel Umkehr könnte miteinander geschehen,
wenn im Vorfeld das Angenommensein und die Wertschätzung durch
den anderen spürbar wäre! Kein "Wenn...dann", sondern
ein Ja zum anderen, das ihm die Freiräume für gelingendes
Miteinander eröffnet.
Liebe Gemeinde,
die Taufe Jesu am Jordan ist ein adventliches Evangelium am Ende der
Weihnachtszeit - ein Text, der Erwartung und Wandlung in sich birgt.
Johannes erwartet die Ankunft des Herrn und erlebt in der Begegnung
mit ihm einen Neuanfang, der seine Erwartungen verwandelt: er, dessen
Schuhriemen zu lösen er sich nicht für würdig erachtet,
er kommt als einer der Vielen zum Jordan, um sich von ihm taufen zu
lassen. Er reiht sich ein in die Geschichte von uns Menschen und beendet
sie nicht mit einem Paukenschlag; er kommt nicht um zu richten, sondern
um mit uns neu zu beginnen; er wartet nicht auf unsere Umkehr, sondern
will sie uns selbst ermöglichen.
Wenn wir mit der Ankunft
Gottes in unserem Leben rechnen, werden wir vielleicht auch so manche
heilbringenden Wandlungen erleben: In unseren Perspektiven und Zielen,
in unseren Beziehungen, in unseren Überzeugungen und Meinungen.
Ich wünsche uns allen die Offenheit dazu. Amen.
Begrüßung und
Einführung:
Mit dem heutigen Sonntag,
dem Fest der Taufe des Herrn, schließt sich der Weihnachtsfestkreis
- die Weihnachtszeit geht nicht nur im Blick auf das Ende der Ferien,
sondern nun auch liturgisch gesehen zu Ende; auch in der Kirche kehrt
sozusagen wieder der Alltag ein.
In dieser Situation tut es
gut, wenn uns das Evangelium mit dem Auftreten Johannes des Täufers
nochmals auf die Advents- und Weihnachtszeit zurückverweist, um
uns etwas von der Weihnachtsbotschaft für die vor uns liegende
Zeit mit auf den Weg zu geben.
Lk 3, 15-18.21-22
15 Das Volk war voll Erwartung
und alle überlegten im Stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst
der Messias sei.
16 Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit
Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin
es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem
Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
17 Schon hält er die Schaufel in der Hand, um die Spreu vom Weizen
zu trennen und den Weizen in seine Scheune zu bringen; die Spreu aber
wird er in nie erlöschendem Feuer verbrennen.
18 Mit diesen und vielen anderen Worten ermahnte er das Volk in seiner
Predigt.
21 Zusammen mit dem
ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er betete,
öffnete sich der Himmel,
22 und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn
herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter
Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.
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