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Predigt zum Gründonnerstag (8.4. 2004)
in St. Michael


Liebe Gemeinde,

wer Religion unterrichtet, macht ganz unterschiedliche Erfahrungen: erfreuliche und weniger erfreuliche, ermutigende und entmutigende; von beiden Seiten des Religionsunterrichts können wir Lehrer - und ich nehme an auch ihr Schüler - ein Lied singen... Einige dieser Erfahrungen verblassen schnell wieder, andere prägen sich lange ein. Eine Begebenheit aus dem Religionsunterricht ist bei mir vor einiger Zeit besonders hängengeblieben:
In einer siebten Klasse kamen wir auf das letzte Mahl Jesu mit seinen Jüngern zu sprechen, bei dem Jesus Brot und Wein als seinen Leib und sein Blut bezeichnete. Auf meine Frage, was er denn mit diesen Worten gemeint haben könnte, kam von einem Schüler die Antwort: "Brot ist ja etwas Lebensnotwendiges; vielleicht wollte Jesus den Jüngern sagen, daß sie ihn für ihr Leben brauchen."
Zunächst einmal war ich verblüfft, weil ich eine so treffsichere Antwort nicht in dieser Spontaneität erwartet hatte; dann habe ich mich natürlich sehr gefreut und diese Antwort unter der Rubrik "Sternstunden des Religionsunterrichts" verbucht.

"Brot ist ja etwas Lebensnotwendiges; vielleicht wollte Jesus den Jüngern sagen, daß sie ihn für ihr Leben brauchen."
Daß diese Antwort den Nagel auf den Kopf getroffen hat, liegt auf der Hand; unsere heutigen Lesungstexte machen das deutlich: Sowohl beim letzten Abendmahl als auch bei der Fußwaschung geht es ja darum, Anteil an Jesus zu bekommen, um in seiner Nachfolge leben und wirken zu können.
Gut gelaufen, diese Stunde - aber trotzdem war und ist die Sache für mich noch nicht erledigt; eine Frage geht mir seither immer wieder durch den Kopf: Stimmt denn diese Antwort für uns heute tatsächlich - nicht nur theologisch, sondern auch im Blick auf unsere Lebenswirklichkeit? Brauchen wir Jesus wirklich für unser Leben? Leben nicht viele Menschen auch ganz gut, ohne am Mahl von Brot und Wein teilzunehmen oder - im Bild gesprochen - ohne sich von ihm die Füße waschen zu lassen? Ist er für sie nicht lebensnotwendig?

Eine Frage, die wir sicher nicht für andere beantworten können; letztlich muß jede und jeder für sich selbst eine Antwort darauf finden; und so kann ich die Frage natürlich auch nicht für Euch, liebe Kinder, oder für Sie, die Sie hierher gekommen sind, beantworten. Aber ich kann ein wenig von meiner Antwort erzählen, die ich beim Nachdenken für mich gefunden habe.

Zunächst ist mir bewußt geworden, daß es mir guttut, in jeder Eucharistiefeier durch die Zeichen von Brot und Wein erinnert zu werden: Jesus hält dich für so wertvoll, daß er dir Anteil an sich gibt! Es tut mir gut, daran zu denken, daß er auch mir die Füße wäscht - so, wie ich bin: mit meinen Licht- und Schattenseiten, mit meinen Stärken und Schwächen. Wir alle sind ihm so wichtig, daß es uns nicht peinlich sein muß - wie zunächst Petrus - wenn Jesus uns niedere Dienste erweist; wir sind für ihn so wertvoll, daß er für uns bis zum Äußersten geht, daß er uns sich selbst schenkt.
D.h. für mich: Ich darf mich annehmen, weil er mich annimmt, so wie ich bin; Ihr Kinder dürft groß von Euch denken, weil er groß von Euch denkt; und wir Erwachsenen dürfen uns mit unseren Fehlern und Schwächen akzeptieren, weil er uns akzeptiert und Anteil an sich gibt.
Für mich wird das gerade in den Erfahrungen des Scheiterns wichtig, wenn Depressionen und Selbstzweifel kommen und ich eher gebückt als aufrecht gehe. Denn auch in der Erniedrigung, im Leiden ist er da; gerade hier, in seinem Leiden und Sterben kommt er mir entgegen.

"Brot ist ja etwas Lebensnotwendiges; vielleicht wollte Jesus den Jüngern sagen, daß sie ihn für ihr Leben brauchen."
Ja, ich brauche diesen Jesus für den Blick auf mich selbst; aber auch, weil er gleichzeitig meinen Blick auf Andere hin weitet - indem ich durch ihn in eine Gemeinschaft von Menschen hineingestellt bin, die ebenso Anteil an ihm haben; durch Jesus gehöre ich zu einer Gemeinschaft von Menschen, die von ihm mit ihren Licht- und Schattenseiten ebenso angenommen sind, denen er denselben Dienst erweist.
Ich denke, Ihr Erstkommunionkinder habt in Eurer Vorbereitungszeit etwas von dieser Gemeinschaft untereinander erfahren und vielleicht auch schätzen gelernt; es tut ja einfach gut zu wissen und zu spüren, dass niemand von Euch allein unterwegs ist, sondern dass es da in der Gruppe auch andere gibt, mit denen man reden und lachen, lernen und spielen, sich freuen und manchmal auch streiten kann! Bei allem, was Euch aneinander freut, aber auch bei allem, was Euch vielleicht aneinander stört, verbindet Euch als Erstkommunionkinder etwas, das weit über all das hinausgeht: Jesus selbst, der Euch Anteil an sich gibt!
Das Besondere an Eurem Miteinander, aber auch noch weiter gedacht an unserer Gemeinschaft als Gemeinde, als Kirche ist für mich, daß ich sie mir eben nicht nach Sympathie und gegenseitiger Zuneigung ausgesucht habe; Gemeinde und Kirche sind etwas anderes als eine Kuschelgruppe zur Bestätigung der eigenen Person; sie sind eine Gemeinschaft, in der wir ganz verschiedenen Menschen begegnen, in der wir uns gegenseitig in unserem Leben und Glauben immer wieder bereichern, anfragen und manchmal auch korrigieren lassen müssen; und genau dieses, manchmal harmonische, manchmal spannungsvolle Miteinander ist der Ort, an dem der eigene Glaube lebendig bleiben kann.

"Brot ist ja etwas Lebensnotwendiges; vielleicht wollte Jesus seinen Jüngern sagen, daß sie ihn für ihr Leben brauchen."
Im Blick auf uns selbst wie im Blick auf die Gemeinschaft untereinander ist es notwendig, daß wir das, was für unser Leben wichtig ist, immer wieder miteinander feiern - in Zeichen und Riten; ich brauche es für mein Leben, daß das, was mir Kraft, Mut und Lebensperspektiven gibt, einen festen Ort hat, an dem ich immer wieder konkret daran erinnert werde. Auch wenn mir in der Feier des Gottesdienstes das alles nicht immer bewußt ist; auch wenn ich während der Eucharistie öfters nichts Bewegendes spüre und erlebe - ich brauche diesen Jesus in der Gestalt des Brotes, der mir vergegenwärtigt, was mich trägt und leben läßt.
Hoffnungen und Überzeugungen ohne bestimmte Ausdrucksformen - ohne Zeichen, in denen sie konkret werden - verblassen schnell. Liebe und Freundschaft, die keine Sprache findet, vergeht... Ich denke, wir Menschen brauchen solche äußeren Ausdrucksformen - Zeichen, die all das, was uns wichtig ist, am Leben erhalten.

"Brot ist ja etwas Lebensnotwendiges; vielleicht wollte Jesus seinen Jüngern sagen, daß sie ihn für ihr Leben brauchen."
Wichtige Lebens- und Glaubensfragen sind mit einer richtigen Antwort noch nicht abgeschlossen. Auch richtige Antworten müssen erst noch in ihrer Stimmigkeit für uns selbst geprüft und buchstabiert werden, wenn sie nicht abstrakt und damit leblos bleiben sollen. Und das kann jede und jeder nur für sich tun - vielleicht gerade jetzt, in diesen Tagen, auf Ostern hin. Amen.


Einführung

Mit dem heutigen Abend beginnen die drei Österlichen Tage, in denen wir in besonderer Weise den Ursprung unseres Glaubens feiern.
Heute, am Gründonnerstag, erinnern wir uns an den letzten Abend vor Jesu Leiden und Sterben. Der jüdischen Tradition gemäß, hält Jesus mit seinen Jüngern das Paschamahl; aber es wird darüber hinaus ein besonderes Mahl: ein Mahl, in dem Jesus sich selbst seinen Jüngern schenkt; ein Mahl, durch das er sie und uns alle zu einer Gemeinschaft zusammenführt; ein Mahl, das wir in jeder Eucharistie immer wieder neu miteinander feiern.

Und so begrüßen wir heute alle ganz herzlich, die gekommen sind, um dieses Gedächtnis mitzufeiern; besonders freuen wir uns, daß Ihr Kommunionkinder mit Euren Familien da seid, daß Ihr heute zum ersten Mal mit uns zusammen die Hl. Kommunion empfangen werdet!

Beginnen wir unsere Feier mit dem Entzünden der Kerzen - so, wie es auch Jesus beim Mahl mit seinen Jüngern getan hat.

Fürbitten zum Gründonnerstag 2004

Herr Jesus Christus, am Abend vor Deinem Leiden hast Du mit Deinen Jüngern Mahl gehalten und das Gedächtnis Deiner Liebe gestiftet, das wir auch heute wieder begehen. Wir bitten Dich:

Hilf der gespaltenen Christenheit, Wege zur Einheit in Glaube, Hoffnung und Liebe zu finden.

Laß unsere Gemeinde als eine Gemeinschaft leben, in der wir in Deinem Geist miteinander feiern, einander begegnen und für unsere Mitmenschen offen bleiben.

Laß unsere Erstkommunionkinder und Neugefirmten Deine Nähe im Geist der Freiheit und der Liebe erfahren.

Stärke uns alle auf unseren Lebenswegen und laß uns nie vergessen, daß wir für Dich unendlich wertvoll sind.

Herr Jesus Christus, Du hast Deine Freunde nicht verlassen und Dich selbst für sie hingegeben; Dein Sterben wurde für uns zum Heil. Dafür danken wir Dir, heute und alle Tage. Amen.

   

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