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Predigt zum zum 6. So der Osterzeit (C) Joh 14, 23-29 15./16.5.04
bei einer Sitzung zum Thema Ökumene fiel Anfang dieser Woche ein Satz, der mich beeindruckt hat; die katholischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unseres Dekanats hatten die evangelische Dekanin Frau Kling de Lazzer eingeladen, die uns von ihrem Selbstverständnis als evangelische Christin erzählte. Auf die selbstgestellte Frage, warum sie gerne evangelisch sei, antwortete sie: "Wenn ich es kurz, in einem Satz sagen müsste: Um der Freiheit willen." Im Folgenden trug sie dann verschiedene Punkte vor, die ihr als evangelische Christin wichtig sind - Punkte, in denen sich interessanterweise auch wir katholische Christen gut wiederfinden konnten. "Um der Freiheit willen" - dieser Satz hat mich die letzten Tagen begleitet und ist mir spontan beim Lesen der heutigen Bibeltexte wieder in den Sinn gekommen. Ich spüre, dass dieser Satz auch mir in meinem Selbstverstäninis als katholischer Christ wichtig ist - ich denke, er gilt über die Konfessionsgrenzen hinweg und ist zentral für den christlichen Glauben im Ganzen. "Um der Freiheit willen" - so könnte auch meine Antwort auf die Frage lauten, warum ich gerne Christ bin. Um Freiheit geht es auch
in der heutigen Lesung - um Freiheit vom Gesetz: "Der Heilige Geist
und wir haben beschlossen, euch keine weitere Last aufzuerlegen als
diese notwendigen Dinge: Götzenopferfleisch, Blut, Ersticktes und
Unzucht zu meiden" - diese Antwort gaben die Apostel und die Ältesten
der Gemeinde in Antiochia; dort war ein Streit darüber ausgebrochen,
ob das jüdische Gesetz auch für alle Nicht-Juden, die Christ
werden wollten, gelten sollte - also auch für die Heiden, die sich
taufen ließen. "Keine weitere Last aufzuerlegen" - so
lautete die Entscheidung; welche Befreiung von der Last vieler Gesetzesvorschriften;
welche Entlastung vom "Joch des Gesetzes", wie selbst gläubige
Juden die Verpflichtung zu seiner Einhaltung empfanden. Dennoch steht auch das Christentum
immer wieder in der Gefahr, die unserem Glauben innewohnende Freiheit
durch kirchliche Gebote und Gesetze einzuengen - vielleicht gerade deshalb,
weil Freiheit oft schwerer zu leben ist als ein Dasein nach festen Regeln
und Gesetzen; vielleicht lässt sich so auch die Enge der jüngsten
Verlautbarungen in unserer Kirche erklären... Allerdings findet
sich auch im Evangelium selbst immer wieder die Spannung zwischen Freiheit
und Gehorsam, zwischen Liebe und Gebot: "Wenn jemand mich liebt,
wird er an meinem Wort festhalten... wer mich nicht liebt, hält
an meinen Worten nicht fest" - sagt Jesus in seiner Abschiedsrede
den Jüngern; und der Zusammenhang der ganzen Rede macht deutlich,
daß hier mit "Wort" eindeutig seine Gebote gemeint sind:
"Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten"... oder:
"Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt"...
oder: "Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe
bleiben"... mehrfach gibt Jesus diese Mahnungen im direkten Umfeld
des eben gehörten Abschnitts seinen Jüngern mit auf den Weg!
Offenbar ist das Halten der Gebote die Voraussetzung, in seiner Liebe
zu leben. Ich denke, der Schlüssel
zur Lösung dieser Spannung liegt darin, daß es sich hier
nicht um irgendwelche Gebote handelt, die es zu befolgen gilt, sondern
um Gebote, die alle in dem einen Hauptgebot der Liebe zusammengefaßt
werden können: "Das ist mein Gebot: Liebt einander, so wie
ich euch geliebt habe." Diesem Gebot kann kein bloßer Pflichtgehorsam
entsprechen, denn es geht hier um die Liebe Gottes, in der er sich selbst
uns offenbart und in die uns Jesus hineinführen will. Wer solche
Liebe erfahren hat, wird sich von selbst darum bemühen, das Erfahrene
weiterzugeben und selbst zu leben. Liebe kann ansteckend sein und reiche
Frucht tragen... So, wie kein Mensch auf Dauer gegen seine Überzeugungen
leben kann, wird der, der wirkliche Liebe erfahren hat und selbst liebt,
von sich aus ihr gemäß leben. "Liebe, und dann tue,
was du willst" - in diesem berühmten Satz hat der hl. Augustinus
den Zusammenhang von Liebe und Geboten auf den Punkt gebracht. Wahre
Liebe trägt ihre Gebote in sich selbst, und der Mensch, der liebt,
weiß im Grunde, was zu tun und zu lassen ist. Die Gebote der Liebe
müssen nicht mehr von außen herangetragen werden. Und darin
ergänzt sich die Liebe mit der Freiheit: Denn wahre Freiheit beschränkt
sich nicht nur auf das Freisein von Verpflichtungen und Zwängen;
wahre Freiheit fragt nach dem Wofür, dem Wozu, nach dem, woraufhin
sie gelebt werden kann. Ein Freiraum, den ich habe, wird schal und leer,
wenn ich ihn nicht für etwas nutze. Natürlich gelingt es uns nicht immer, so in der Liebe Gottes zu leben; wir alle wissen, daß wir in unserem Lieben auch Fehler machen und oft gerade die verletzen, die wir am meisten lieben. Unsere Liebe ist nicht vollkommen - wir sind stets nur auf dem Weg des Liebens. Nicht umsonst sprechen Psychologen von der Liebe als einer Kunst und vom Lieben als einer Fähigkeit, die es zu lernen und weiterzuentwickeln gilt. Und das gilt nicht nur für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch für unseren Glauben, für unsere Beziehung zu Gott. Deshalb ist es immer wieder gut, bei aller Freiheit selbstbestimmter Nachfolge auch ganz bewußt die Gebote zu hören, die dazu gehören. Sie können uns wie Wegmarkierungen helfen, auf dem Weg der Liebe zu bleiben; sie können uns immer wieder zeigen, was es konkret heißen kann, in und aus Liebe zu leben. Und doch gründen sie alle in einem viel tieferen Grund, in der Freiheit unseres christlichen Glaubens. Warum ich gerne Christ bin? Um der Freiheit willen! Mag sein, daß wir als katholische Christen es da zur Zeit etwas schwerer haben als unsere evangelischen Schwestern und Brüder... Aber das Wesen unseres Glaubens verbindet uns - weit über alle Verordnungen und Verlautbarungen hinaus. Amen.
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