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Predigt zum Ökumenischen Gottesdienst in der Kirch am Eck / Eberhardskirche am 9./10.10.04 Röm 14, 17-19"Jesus verkündete das Reich Gottes, und gekommen ist die Kirche"... Liebe zum gemeinsamen Gottesdienst
versammelte Gemeinde, Für mich enthält er jedenfalls zwei Bedeutungsebenen: Zunächst - rein sachlich gesehen - stellt er eine Tatsache fest: Jesus verkündete das Reich Gottes, und daraus entwickelte sich die Kirche - während das Reich Gottes in seiner Vollendung noch aussteht! Theologisch völlig unstrittig ist, dass Kirche und Reich Gottes nicht miteinander gleichgesetzt werden dürfen, - darin sind sich die grossen Konfessionen einig - auch wenn in ihnen und durch sie Manches vom Reich Gottes Wirklichkeit werden kann... Die Kirchen sind nicht das Reich Gottes, auch wenn sie an seiner Verwirklichung entscheidenden Anteil haben mögen; sie sind und bleiben Instrument, Werkzeug im Dienste des Reiches Gottes; ihre Aufgabe und ihr Auftrag ist es, Jesu Reich-Gottes-Botschaft weiterzutragen, die Wahrheit dieser Botschaft durch ihr Dasein, durch ihr Leben glaubwürdig zu bezeugen und durch dieses Zeugnis ein Stück weit Wirklichkeit werden zu lassen. Das Reich Gottes ist die übergeordnete Grösse, das Ziel, von dem her allein die Kirche ihre Existenzberechtigung erhält; das spiegelt sich auch in dem berühmten, ebenso unumstrittenen Satz wider, dass die Kirche sich stetig reformieren muss, um dem Ziel der Mitarbeit am Reich Gottes im Wandel der Zeiten auch nur annähernd gerecht werden zu können. Wie reformfähig die katholische Kirche mit ihren festen Strukturen tatsächlich ist und wie reformwillig die evangelischen Kirchen mit ihren theologisch weniger festgefügten Verfassungen tatsächlich sind, möge hier dahingestellt bleiben... Und damit sind wir schon bei der zweiten Bedeutungsebene des oben zitierten, etwa 200 Jahre alten Satzes von Loisy: "Jesus verkündete das Reich Gottes und gekommen ist die Kirche": Natürlich lässt er bei aller sachlichen Richtigkeit auch deutliche Kritik an der kirchlichen Praxis durchscheinen - Kritik, die damals wie heute wichtig und notwendig ist; und je nachdem, wo wir selbst gerade in unser Zeit und in unseren Kirchen stehen, können wir über diesen kritischen Unterton verstehend schmunzeln, oder es brechen darin erlittene Enttäuschungen und Verletzungen auf, die uns eher traurig oder bitter werden lassen. So sehr wir unseren Kirchen verbunden sein mögen, so sehr werden wir in ihnen auch immer wieder Anlass zu Kritik finden: v.a. dann, wenn wir das Gefühl haben, dass nicht mehr Gottes Reich, sondern die Beschäftigung der Kirche mit sich selbst im Mittelpunkt steht; v.a. dann, wenn wir meinen, dass kirchliches Handeln nicht der Botschaft Jesu entspricht, dass Anspruch und Wirklichkeit auseinander klaffen. Und Anlass zu solcher Kritik gab es bereits in der frühen Kirche, wie unser heutiger Predigttext zeigt. Wir hören die Verse
17-19 aus dem 14. Kapitel des Römerbriefes: "Denn das Reich Gottes
ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude
im Heiligen Geist" - so ermahnt Paulus die Gemeinde in Rom; offenbar
hatte sich dort die gemeindlich-kirchliche Wirklichkeit von ihrer Zielvorgabe
entfernt, so dass sich Paulus mehr als ein ganzes Kapitel seines Briefes
um Schlichtung und Ermahnung bemüht. Angesichts ihrer Zielvorgabe
war die Kirche auch damals schon reformbedürftig... "Das Reich Gottes ist
nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im
Heiligen Geist" - setzt Paulus dagegen. Damit machte er den römischen
Christen die Zielvorgabe wieder klar.... Interessant ist nun aber
auch das Verhalten des Paulus selbst; obwohl er sich grundsätzlich
den Starken zurechnet - er war ja ein leidenschaftlicher Kämpfer
dafür, den Christen keine Lasten im Sinne des jüdischen Gesetzes
aufzuerlegen -, ruft er sie zu Rücksichtnahme und Toleranz auf.
Grundsätzlich akzeptiert er beide Positionen als mögliche
Ausprägungen des Glaubens und anerkennt, dass beide ihre Überzeugung
in Christus haben. Aber er fordert die Starken um der Einheit und um
des gemeinsamen Zieles Willen auf, sich zurückzunehmen, Rücksicht
gegen die Schwachen zu üben und ihnen nicht unnötig Anstoß
zu geben. Umgekehrt sollen die Schwachen aufhören, die Starken
ob ihrer Haltung zu verurteilen - da beide Parteien zu Christus gehören
und ihm allein das Recht des Richtens zukomme. Für Paulus ist solche
Rücksichtnahme des Stärkeren ein Gebot der Liebe, ein Gebot
der neu begonnenen Wirklichkeit des Reiches Gottes: "Denn das Reich
Gottes ist nicht Essen und Trinken, es ist Gerechtigkeit, Friede und
Freude im Heiligen Geist. Und wer Christus so dient, wird von Gott anerkannt
und ist bei den Menschen geachtet. Lasst uns also nach dem streben,
was zum Frieden und zum Aufbau beiträgt." Wieder lenkt er
den Blick auf das grössere Ganze, auf das, worum es eigentlich
geht... Paulus macht deutlich: Nicht
nur innerkirchlich, sondern weit darüber hinaus muss das Reich
Gottes für uns Christen die Zielgrösse bleiben - ein Ziel,
das unseren Blick über die eigene Gemeinschaft, über eigene
Grenzen hinaus weitet. "Jesus verkündete das Reich Gottes, und gekommen ist die Kirche". Ja, wir sind nicht das Reich Gottes, sondern Kirche; ja, wir können das Reich Gottes nicht "machen", aber wir können daran mitarbeiten; und von uns als Kirche wird es abhängen, ob unsere Mitmenschen diesen Satz mit einem höhnischen Grinsen, oder wohlwollend schmunzelnd aufnehmen. Amen. |
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