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Neujahr 2005, 18 Uhr Kirch am Eck
Vorspiel
Lied: 24, 1-4+10-11+15 "Vom Himmel hoch..."
Gebet
Psalm 37
Schriftlesung: Lk 2, 15 - 21
Auslegung
Liebe Schwestern und Brüder!
Neujahr - der erste Tag des neuen Kalenderjahres. 1. Januar 2005. Etwas
neues beginnt. So feiern wir heute diesen Tag. Zugleich befinden wir
uns heute immer noch im Weihnachtszyklus, mitten in den zwölf heiligen
Nächte, vom Heiligabend bis zum Fest der Heiligen drei Könige.
Sie verbinden sozusagen das alte mit dem neuen Jahr. Und innerhalb des
Weihnachtszyklus hat der Tag heute eine besondere Bedeutung: Heute ist
der 8. Tag nach der Geburt Jesu von Nazareth, und damit der Tag seiner
Beschneidung und Namensgebung, wie wir gerade aus der Schriftlesung
gehört haben.
Bei uns in der evangelischen
Kirche fällt meistens der letzte Vers dieses Weihnachtsevangeliums
weg und die Weihnachtsgeschichte endet mit den Worten:
"Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem
Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für
alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt
war" (Lk 2, 19-20)
Und was die Hirten dann in
die Welt hinausgetragen haben, wird bei uns dann sehr schnell zum christlichen
Kulturerbe. Aus dem Sohn Davids aus der Stadt Bethlehem, wird das Christkind,
das in deutschen Wohnzimmern in der Krippe liegt, oder den Kindern die
Geschenke bringt. Holder Knabe mit blond gelocktem Haar - so wird er
in alten Gemälden oft dargestellt.
Das Evangelium für den heutigen Tag erinnert uns daran, das Jesus
von Nazareth keiner von uns war. Er ist uns zunächst ein Fremder:
geboren im fernen Israel, Kind jüdischer Eltern, Sohn Davids, Nachkomme
Abrahams. Und als solcher wird er selbstverständlich beschnitten.
Die Beschneidung ist uns ein fremder Ritus. Wir kennen ihn heute eher
von unseren muslimischen Mitbürgern, die ihre Jungen erst mit neun
Jahren beschneiden lassen. Warum dieser fremde Brauch? Und warum heute
daran denken?
Die Beschneidung führt uns zu den Anfängen der Bibel zurück.
Abraham war der erste, dem Gott das Gebot der Beschneidung gab.
Im ersten Buch Mose lesen wir:
"Als nun Abraham
99 Jahre alt war, erschien ihm Gott und sprach zu ihm: ich will aufrichten
meinen Bund zwischen mir und dir und deinen Nachkommen von Geschlecht
zu Geschlecht, dass es ein ewiger Bund sei, sodass ich dein und deiner
Nachkommen Gott bin.
8 Und ich will dir und deinem Geschlecht nach dir das Land geben, darin
du ein Fremdling bist, das ganze Land Kanaan, zu ewigem Besitz und will
ihr Gott sein.
9 Und Gott sprach zu Abraham:
So haltet nun meinen Bund, du und deine Nachkommen von Geschlecht zu
Geschlecht.
10 Das aber ist mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch
und deinem Geschlecht nach dir: Alles, was männlich ist unter euch,
soll beschnitten werden;
11 eure Vorhaut sollt
ihr beschneiden. Das soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und
euch.
12 Jedes Knäblein,
wenn's acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen."
Die Beschneidung - ein Zeichen
des Bundes zwischen Mensch und Gott. In einem Bund verpflichten sich
zwei Bundespartner. Gott verpflichtet sich, Abrahams Nachkommen zu mehren
und dem Volk Israel Land zu geben. Abraham verpflichtet sich, Gott als
den Gott seines Volkes anzuerkennen und als Erinnerung und Bestätigung
des Bundes die männlichen Nachkommen am achten Tag ihres Lebens
zu beschneiden.
Der Bund, den Gott durch ein Bundeszeichen besiegelt, ist verbunden
mit dem Segen Gottes für die Menschen dieses Bundes. Das deutsche
Wort segnen hat zu tun mit dem lateinischen signare, ein Zeichen setzen.
Das Zeichen, das den Gesegneten auszeichnet, unterscheidet ihn von den
Anderen. Das Zeichen der Beschneidung wurde im Exil notwendig, als das
Volk Israel in der Gefahr stand, in der Völkerwelt aufzugehen.
Die Beschneidung unterschied das Volk Israel von den übrigen Völkern.
Eine Unterscheidung, die vielen Juden im Deutschland des 20. Jahrhunderts
zum schrecklichen Verhängnis wurde. Trotzdem haben die jüdischen
Gemeinden nach heftigen Zweifeln und Diskussionen auch in Deutschland
an diesem uralten Bundeszeichen Abrahams festgehalten. Im Vertrauen
auf Gottes unermessliche Treue und nicht auf Stammbuch, Fahne oder Nationaltität.
Es sollte uns zu denken geben, dass für den Evangelisten Lukas
der Bericht von der Beschneidung Jesu selbstverständlich zur Geburtsgeschichte
dazu gehört. Jesus von Nazareth ist Teil eines Bundes zwischen
Gott und Mensch, zu dem wir nicht gehören. Das müssen wir
aushalten.
Die Beschneidung Jesu von
Nazareth ist uns Christen ein doppeltes Zeichen.
Zum einen zeigt sie uns, dass wir Dazugekommene sind. Gott kam als Jude
zur Welt. Jesus von Nazareth hat in Israel gelebt und gewirkt. Und so
waren auch seine Jünger Juden. Erst später durch das Wirken
der Apostel gelangte das Evangelium zu den nichtjüdischen Völkern.
Wir, die Dazugekommenen - nach den vielen Gewalttaten, die Christen
im Laufe der Geschichte Juden angetan haben, ein gutes und mahnendes
Zeichen.
Und auf der anderen Seite zeigt uns die Beschneidung Jesu: Wir sind
hinein genommen in den Bund Gottes mit seinem Volk Israel. In Jesus
von Nazareth hat Gott den Bund Abrahams erweitert auf die Völker,
auf uns. Wir gehören zu Gott durch einen Beschnittenen.
Nach der eigentlichen Beschneidung
wird dem Säugling feierlich ein hebräischer Name gegeben.
Mit folgenden Worten: "Unser Gott und Gott unserer Vorfahren
erhalte dieses Kind seinem Vater und seiner Mutter, und sein Name in
Israel soll Jeshua sein. Der Vater erfreue sich an seinem Kind und die
Mutter singe über ihre Leibesfrucht...."
Jeshua, Jesus - der Retter, Licht und Erretter der Völker. Der
Segen des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs, der jedem jüdischen
Kind bei der Beschneidung zugesprochen wird, gilt durch Jesus, durch
den Retter der Völker auch uns. Auch wir stehen unter dem Schutz
und Segen Gottes. In der christlichen Tradition haben sich neue Bundeszeichen
dieses Segens entwickelt. Taufe und Abendmahl werden z.B. von Martin
Luther als "Sakrament und göttlich Wortzeichen" beschrieben.
Am Anfang diesen Jahres sind
wir nun zusammengekommen, um Gott zu loben, dass das Weihnachtsevangelium
durch die Hirten und die Weisen, durch die Apostel und viele andere
Menschen aus dem fernen Israel auch zu uns gekommen ist. Wir freuen
uns, dass auch wir uns unter den Segen Gottes stellen dürfen. Wir
bitten darum, dass er uns im kommenden Jahr begleite.
Der Segen Gottes hat nichts Magisches. Er garantiert nicht die Bewahrung
vor Unglück. Das zeigt die Geschichte des jüdischen Volkes
leider überdeutlich.
Und auch heute stehen wir fassungslos vor dem Unglück, das über
hunderttausend Menschen im Indischen Ozean widerfahren ist. Die Folgen
dieser gigantischen Flutkatastrophe sind noch gar nicht abzusehen.
Der Segen Gottes hat nichts Magisches.
Wir bitten Gott um seinen
Segen für die Menschen dort. Und das ist nicht mehr und nicht weniger
als die Bitte, dass er bei ihnen sein möge, in ihren Schmerzen,
in ihrer Trauer und in ihrer Angst. Diese Bitte um den Segen Gottes
können, denke ich, Menschen aller Religionen aussprechen.
Und wir bitten Gott am heutigen Neujahrstag durch Jesus Christus, den
Beschnittenen, dass sein Segen uns begleiten möge im kommenden
Jahr und alle, die wir lieb haben.
Ich möchte schließen
mit einem Wort aus China, das ich in unserem Gesangbuch gefunden habe:
"Ich sagte zu dem Engel,
der an der Pforte des neuen Jahres stand:
Gib mir ein Licht,
damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegen gehen kann!
Aber er antwortete:
Gehe nur hin in die Dunkelheit
Und lege deine hand in die Hand Gottes!
Das ist besser als Licht
Und sicherer als ein bekannter Weg!"
(EG S. 15)
Lied: 38 "Wunderbarer Gnadenthron...
Fürbitte
Herr über Zeit und Ewigkeit,
du segnest unsere Anfänge.
Du gehst uns voran ins Unbekannte dieses Jahres.
Wir horchen auf deinen Schritt durch die Zeit.
Wir folgen deinen Spuren.
Wir wagen es, dich zu bitten und auf dich zu hoffen:
Schenke uns und denen, die zu uns gehören,
Leben und Gesundheit, Mut und Freiheit,
das Nötige zu tun,
das Ungute zu lassen
und das Unvermeidbare zu tragen.
Gott, wir rufen zu Dir: Kyrie...
Besonders legen wir dir heute
die Opfer der Flutkatastrophe in Südostasien ans Herz.
Sei bei ihnen in Trauer , Angst und Schmerz.
Gib allen, die dort Hilfe leisten und den Wettlauf mit der Zeit aufgenommen
haben, um Die Ausbreitung von Seuchen zu verhindern, Kraft, Mut und
Ausdauer.
Gib den Verantwortlichen in den Regierungen Einsicht, möglichst
unbürokratisch Hilfe zu leisten.
Gott, wir rufen zu Dir: Kyrie...
Gott, erbarme dich der Unterdrückten
und Verfolgten,
der Gefangenen und ihrer Angehörigen.
Hilf Kranken und Sterbenden,
schaffe Sündern Raum zur Umkehr.
Gott, wir rufen zu Dir: Kyrie...
Mache uns bereit, Verantwortung zu übernehmen
Und den von dir gestifteten Frieden weiterzugeben.
Geleite uns mit deinem Geist durch diese Jahr.
Gemeinsam beten wir:
Vater unser....
Segenslied: 565, 1-2+5 "Herr,
wir bitten: Komm
und segne uns...
Segen
Gott uns behüten vor allem Übel,
ER behüte unsere Seele,
Gott behüte unseren Ausgang und Eingang
Von nun an bis in Ewigkeit.
Amen
Nachspiel
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