Predigten

 

Letzter Sonntag nach Epiphanias, 15./ 16.1.2005
Kirch am Eck

Vorspiel
Lied: 69,1-4
Votum, Begrüßung
Wir sind zusammen gekommen
und feiern diesen Gottesdienst im Namen des dreieinigen Gottes:
Gott ist die Fülle unseres Lebens,
Jesus Christus das Licht auf unseren Wegen,
Gottes Geist begleite und stärke uns.
Amen

Ich grüße Sie am letzten Sonntag nach dem Epiphaniasfest. Da Ostern in diesem Jahr ganz früh im Kalender ist, verkürzt sich die Epiphaniaszeit auf nur zwei Wochen.
Der Wochenspruch zu diesem Sonntag, der uns die kommende Woche begleiten will, steht im 1. Korintherbrief und lautet:
"Der Herr wird ans Licht bringen, was im Finstern verborge n ist, und wird das Trachten der Herzen offenbar machen." (1. Kor 4, 5b)

Psalm 100

Gebet
Gott, wir danken dir, dass wir in dieser Stunde beieinander sein dürfen,
um dich anzurufen,
um alles, was uns bewegt, vor dich zu bringen,
um gemeinsam die frohe Botschaft, dein Wort zu hören.
Komm du jetzt selbst zu uns,
gib uns dein Licht,
sein uns Lehrer und Trösterin.
Erhalte uns bei deinem Wort,
dass wir dich erkennen und auf deine Zukunft hoffen
durch Jesus Christus, der mit dir und dem heiligen Geist lebt und regiert
von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Amen

Stilles Gebet
"Komm, göttliches Licht..."
Schriftlesung: Mt 17, 1-9
Glaubensbekenntnis
Lied: 67,1-3

Predigt: Ex 3
Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus,
und die Liebe Gottes, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen


Liebe Gemeinde!
In der Zeit nach dem Erscheinungsfest werden Geschichten aus der Bibel erzählt, in denen Gott sich offenbart. Auf ganz unterschiedliche Weise und oft nur bruchstückhaft. Geheimnisvolle Geschichten, wie die Schriftlesung, die wir gerade gehört haben: Mose und Elia neben Jesus, und die Stimme aus der Wolke. eigentümlich, fremd...

In diesem Jahr hören Christen diese Geschichten mit besonderer Aufmerksamkeit: Die Flutkatastrophe in Südostasien hat viele fragen lassen: Wo ist Gott in all dem?
Wo ist Gott? fragen Menschen, die von schwerem Leid getroffen sind, die einen Nächsten verloren haben, die von Krankheit und Tod bedroht sind.

"Gott scheint verborgen hinter einer Welle."
So der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Wolfgang Huber beim Ökumenischen Gedenkgottesdienst im Berliner Dom am letzten Sonntag.
In den Erscheinungsgeschichten der Bibel wird die Verborgenheit Gottes für einen Moment aufgebrochen wird. In ganz unterschiedlichen Perspektiven blicken sie auf Gott, den Schöpfer der Welt, den Vater Jesu Christ, den Gott Israels.
Wo ist Gott?

Lassen Sie uns jetzt dieser Frage nachgehen anhand einer sehr bekannten Erscheinungsgeschichte der Bibel.
Ich lese aus dem 3. Kapitel des 2. Buch Mose:
31 Mose aber hütete die Schafe Jitros, seines Schwiegervaters, des Priesters in Midian, und trieb die Schafe über die Steppe hinaus und kam an den Berg Gottes, den Horeb.

2 Und der Engel des HERRN erschien ihm in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch. Und er sah, dass der Busch im Feuer brannte und doch nicht verzehrt wurde.

3 Da sprach er: Ich will hingehen und die wundersame Erscheinung besehen, warum der Busch nicht verbrennt.
4 Als aber der HERR sah, dass er hinging, um zu sehen, rief Gott ihn aus dem Busch und sprach: Mose, Mose! Er antwortete: Hier bin ich.
5 Gott sprach: Tritt nicht herzu, zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!

6 Und er sprach weiter: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Und Mose verhüllte sein Angesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.

7 Und der HERR sprach: Ich habe das Elend meines Volks in Ägypten gesehen und ihr Geschrei über ihre Bedränger gehört; ich habe ihre Leiden erkannt.

8 Und ich bin hernieder gefahren, dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch und Honig fließt, in das Gebiet der Kanaaniter, Hetiter, Amoriter, Perisiter, Hiwiter und Jebusiter.
9 Weil denn nun das Geschrei der Israeliten vor mich gekommen ist und ich dazu ihre Not gesehen habe, wie die Ägypter sie bedrängen,
10 so geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Israeliten, aus Ägypten führst.

11 Mose sprach zu Gott: Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und führe die Israeliten aus Ägypten?
12 Er sprach: Ich will mit dir sein. Und das soll dir das Zeichen sein, dass ich dich gesandt habe: Wenn du mein Volk aus Ägypten geführt hast, werdet ihr Gott opfern auf diesem Berge.

13 Mose sprach zu Gott: Siehe, wenn ich zu den Israeliten komme und spreche zu ihnen: Der Gott eurer Väter hat mich zu euch gesandt!, und sie mir sagen werden: Wie ist sein Name?, was soll ich ihnen sagen?
14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde. Und sprach: So sollst du zu den Israeliten sagen: "Ich werde sein", der hat mich zu euch gesandt.
Amen

Liebe Gemeinde!
Mose ist im Abseits gelandet.
Abseits von Ägypten, dem Land, in dem er aufgewachsen ist,
abseits des Volkes Israel, das er gerade als das seine erkannt hatte,
abseits seiner Religion,
untergekrochen als Flüchtling im Haus eines midianitschen Priesters und dort heimisch geworden,
nicht mehr Prinz am Hofe des Pharao, sondern einfacher Hirte, der tagsüber mit seinen Schafen übers Land zieht und abends nach Hause kommt zu Frau und Kind.
Hat er abgeschlossen mit seiner Vergangenheit in Ägypten?
Eine Rückkehr scheint unmöglich, nachdem sein Mord an dem Ägypter vor den Pharao gekommen ist.
Abseits als sicherer Ort?
Mose hat sich eingerichtet.
Doch die Vergangenheit holt ihn ein.
Gott holt ihn ein - mitten in der Einsamkeit, abseits der Steppe, in der Wüste, wo nur noch Dornen wachsen und es so heiß ist, dass sich ein Dornbusch selbst entzünden kann....
Wo ist Gott?
Ist er im Dornbusch?
"Warum spricht Gott aus dem Dornbusch und nicht aus der Mitte eines großen Baumes, etwa einer Dattelpalme?" fragt Rabbi El´asar ben Aroch. Und antwortet: "Der Heilige, gelobt sei er, sagt (in Psalm 91): "Ich bin bei ihm in der Not." Sie, die Israeliten, befinden sich in der Unterjochung, und ich bin desgleichen im Dornbusch, an einem engen Ort. Deshalb aus dem Dornbusch, der ganz aus Dornen besteht." (Gradwohl S. 102) Soweit Ben Aroch. Gott spricht aus einem Dornbusch, weil er seine tiefe Verbundenheit mit dem unterdrückten, leidenden Menschen in Ägypten zeigen will, die ausgetrocknet sind von zu harter Arbeit, zu großer Hitze und zu wenig Wasser.
"Warum verbrennt der Dornbusch nicht?" fragt Mose.
Dass er sich in der großen Hitze selbst entzündet hat, ist nicht das Wunder. Das Wunder ist, dass das Feuer ihn nicht verzehrt. Es ist kein zerstörerisches Feuer. Das Feuer, das brennt, ohne zu verbrennen, erinnert an das pfingstliche Feuer, das sich auf die Jünger setzte und sie entflamnmte, der heilige Geist, der sie begeisterte und sie neuen Mut fassen ließ.
Ganz anders hier: Mose steht erst einmal nur staunend vor den Flammen, die den Dornbusch nicht verzehren. Er braucht Gottes Stimme, er braucht Worte, um die Erscheinung deuten zu können. Die aber versteht er sofort: "Mose, Mose!" Und Mose antwortet: "Hier bin ich!"
Genauso rief Gott auch Abraham und Jakob bei ihren Namen, - und sie antworteten: "Hier bin ich".
Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs stellt sich und stellt Mose in die Geschichte seines Volkes Israel.
Er hat sich zuerst Abraham offenbart, dann auch Isaak und Jakob. Er hat mit ihnen einen Bund geschlossen und wollte sie zu einem großen Volk machen. Jetzt fühlt er sich diesem Volk verpflichtet. "Ich habe gesehen das Elend meines Volkes, ihr Schreien gehört und ihr Leiden erkannt. Deswegen bin ich heruntergestiegen, um es zu retten."

Gott läßt sich vom Elend der Menschen anrühren. Er ist heruntergestiegen und kommt ihnen so nahe, dass es gefährlich wird.
Nähe und Distanz zwischen Gott und Mose stehen in dieser Geschichte in einer ständigen Spannung
"Tritt nicht näher.... der Ort, auf dem du stehst ist heiliges Land."
Der jüdische Kommentator Roland Gradwohl übersetzt: "der Ort, auf dem du stehst, ist Boden der Heiligkeit" und fügt erklärend hinzu: "Es gibt keine heiligen Stätten, selbst der Sinai ist nicht an sich heilig. Heilig ist nur Gott."

Ein wichtiger Hinweis. Denn wie oft wurden Orte nur deshalb zu heiligen Orten gemacht, um von menschlichen Interessen missbraucht zu werden.
Dennoch ist ein Ort, an dem sich Gott dem Menschen kundtut, ein besonderer Ort. Er darf, wenn überhaupt, nur barfüßig betreten werden. Deswegen ziehen Muslime ihre Schuhe aus, wenn sie eine Moschee betreten. Und auch die Priester am Tempel verrichteten ihren Dienst barfüßig. Bis heute betreten fromme Juden den Tempelberg nicht. Er ist nicht an sich heilig. Heilig ist die schechina, die Einwohnung Gottes, die trotz der Zerstörung des Tempels nicht vom Berg gewichen sein soll.
Mose versteht. Er fürchtet sich und verhüllt sein Gesicht.

Eine zu große Nähe ist gefährlich, selbst für Mose, den Vertrauten. Auch er wird Gott nur von hinten sehen dürfen.
Mose sieht Gott nicht, aber er hört ihn.
Doch er reagiert nicht besonders begeistert auf die Worte Gottes. Er ist nicht entflammt wie die Jünger an Pfingsten. Er fühlt sich in seinem Abseits ganz wohl. Er will nicht zurück in die alten Konflikte: "Wer bin ich, dass ich zu Pharao gehen soll und die Israeliten aus Ägypten führe? Was soll ich den Leute sagen, wenn sie mich nach deinem Namen fragen?"
Gott weist den Protest des Mose nicht zurück. ER antwortet ihm und nennt ihm seinen Namen:
"Ich werde sein, der ich sein werde."

Das klingt geheimnisvoll wie ein Rätsel. Um das Rätsel zu lösen, darf man diese Worte nicht trennen von den anderen zuvor gesprochenen: "Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.... Ich habe das Elend meines Volkes gesehen... Ich bin heruntergestiegen..."

Hier geht es nicht um eine abstrakte Reflexion der Seinsweise Gottes. Wir befinden uns nicht in einem philosophischen Disput.
Das wird deutlich in der Übersetzung von Roland Gradwohl: "Ich werde da sein, der ich immer da war." ("Ich werde da sein, als der ich da sein werde." B/R)

Liebe Gemeinde!
Nur in Verbindung mit seinen Worten über das unterdrückte Volk Israel ist der Gottesname verständlich.
Er ist eine große Zusage: Gott ist da und wird da sein. Er lässt Mose, er lässt das Volk Israel nicht allein.
Er wird da sein, wenn sie Ägypten verlassen.
Er wird da sein, wenn sie durch die Wüste ziehen, in der Wolke des Tags und in der Feuersäule des Nachts.
Er wird da sein, wenn sie in das verheißene Land ziehen, in das Land, wo Milch und Honig fließt.
Milch und Honig stehen hier für Ackerbau und Viehzucht. Ein Land, das gesegnet ist mit Weiden für die Milch spendenden Tiere, und mit Bäumen, in deren Zweigen Früchte für den Menschen wachsen. Honig meint hier den klebrigen Saft süßer Früchte.

Liebe Gemeinde!
Wo ist Gott? Das war unsere Ausgangsfrage.
Gott ist bei den Menschen.
Er spricht aus dem Dornbusch, aus dem nicht verzehrenden Feuer, um bei den Menschen zu sein, bei den Israeliten, die unter der Gewaltherrschaft der Ägypter leiden, und bei Mose, der sich so gern abseits halten würde.
Und wo ist Gott heute?
Ist er verborgen hinter einer Welle?
Die Geschichte vom Dornbusch, die uns bis heute überliefert ist, sagt:
Auch heute ist er bei den verzweifelten und verängstigten Menschen in den Katastrophengebieten und überall auf der Welt. Er ist da, wo keine Kameras hinkommen, bei Menschen, die von Hunger, Durst und Krankheiten bedroht sind, die Opfer von Gewalt und Krieg sind.

"und sie werden ihm dem Namen Immanuel geben..." (Mt 1,27) Gott mit uns. So heißt es in der Weihnachtsgeschichte des Matthäus. Weil Gott ganz bei den Menschen sein will, bei allen Menschen, hat er sich offenbart in dem kleinen Kind in der Krippe, im Abseits der Welt, in Bethlehem, die da ist die kleinste unter den Städten in Juda".
Hier beginnt die Geschichte Gottes mit den Völkern. Hier ist er all denen erschienen, die so wenig zum Volk Israel gehören wie die drei Weisen aus dem Morgenland. Also auch uns....
Gott scheint vor allem da zu sein, wo Menschen nicht mit ihm rechnen. Wie Mose, der sich nur widerstrebend von ihm finden ließ. Wie das Volk Israel, das in der Sklaverei schon alle Hoffnung aufgegeben hatte.
Auch wir dürfen uns von ihm finden lassen.
Wir dürfen uns bei unserem Namen rufen lassen,
wir dürfen unsere Not und Klage vor ihn bringen, unsere Verletzungen und Ängste,
wir dürfen auf seine Stimme hören, mit der er uns erzählt von den Müttern und Vätern im Glauben, die vor uns gelebt, gebangt, geklagt und gehofft haben.
Wir dürfen hoffen auf das Land, in dem Milch und Honig fließt, in dem die Tränen abgewischt sind und der Tod keine Macht mehr hat
Und wir dürfen singen mit den Menschen des 16. Jahrhundert, die gerade das Grauen der Pest überlebt hatten:
"Mein Herz heißt dich ein Himmelsblum,
dein süßes Evangelium ist lauter Milch und Honig.
Ei, mein Blümlein, Hosianna! Himmlisch Manna
Das wir essen, deiner kann ich nicht vergessen!"
Amen

Lied: 70, 1-3+7 "Wie schön leuchtet der Morgenstern..."
Fürbitten mit "Kyrie..."
Lied: 592, 1-4+7
Abkündigungen
"Verleih uns Frieden gnädiglich..."
Segen
Nachspiel

 

 

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