Predigten

 
 

Predigt zum vierten Advent: Jes 7,10-14 und Mt 1,18-24 in St. Michael und St. Pankratius am 18./19.12.04

"Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns."

Liebe Gemeinde,
wohl keine biblische Prophezeihung ist so bekannt wie die des Propheten Jesaja, die uns heute am vierten Advent auf das bevorstehende Weihnachtsfest hinweist; und wohl keine Prophezeihung paßt gefühlsmäßig so gut in diese Zeit, die schon allerorten weihnachtlich geprägt ist: Sterne, Tannenreisig, Weihnachtsbäume und Lichterketten sind schon lange zu sehen - fehlt nur noch die Weihnachtskrippe. Und genau dieses Bild von Maria und Josef mit dem Kind im Stall wird - fast unwillkürlich - beim Hören der Jesajabotschaft in uns geweckt. Ja, es wird Weihnachten, die Weihnachtserzählung steht uns vor Augen und vielleicht wird mancher von uns schon jetzt vom Zauber dieser gefühlsbetonten Zeit ergriffen.

Dabei steht die Botschaft des Jesaja in den biblischen Texten ganz und gar nicht in einem lieblichen Zusammenhang. Beide Male wird sie in eine äußerst schwierige Situation hinein verkündet. Und - ganz anders als bei uns - läßt sie ihre Adressaten erst einmal verunsichert zurück.

Da ist Ahas, der König von Juda in der Mitte des siebten Jahrhunderts vor Christus, dem Jesaja die Geburt des Immanuel als ein Zeichen Gottes ankündigt: Das davidische Großreich war schon lange in zwei Teile gespalten, und Ahas, dem König des Südreichs Juda, stand im Nordreich Israel ein zweiter König entgegen. Beide wurden von der Großmacht Assur bedroht, die im gesamten nahen Osten einen Eroberungsfeldzug nach dem anderen gewann. Während sich nun der König von Israel mit Damaskus gegen die Assyrer verbündete, schloß sich Ahas diesem Bündnis nicht an - er wollte sich den Assyrern ergeben und hoffte auf die Gnade der Eroberer. Deshalb brachen Israel und Damaskus einen Krieg gegen Ahas vom Zaun, um ihn in ihre Koalition gegen Assur zu zwingen.
Genau in diese bedrängende Krisensituation hinein verkündet nun Jesaja das Wort Gottes, das König Ahas zum Vertrauen auf Gott aufruft. Er solle sich dem Herrn anvertrauen, dann könnten die Feinde ihm und Juda nichts anhaben; er solle an die Hilfe Gottes glauben und nichts unternehmen, dann würden seine Gegner Jerusalem niemals erreichen.

Doch Ahas hat eigene, andere Pläne: Er will sich nicht Gott, sondern der Großmacht Assur anvertrauen und diese um Hilfe bitten - gegen die israelitischen Brüder. Er spekuliert damit, durch diesen Loyalitätsbeweis das Wohlwollen der Assyrer zu gewinnen: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach - und bloß nichts riskieren; denn die Assyrer werden ohnehin siegen und da scheint es klüger, sich schon einmal ehrerbietig zu zeigen. Zwei Fliegen mit einer Klappe: Die lästigen Angreifer abwehren und die Gunst des Siegers erwerben - das allein ist für Ahas ein erfolgversprechender Weg. Und so läßt er den Propheten stehen. Er hält ihn für nicht kompetent. Lieber verläßt er sich auf eigenes Taktieren, als daß er blauäugig auf unsichere Zusagen vertraut.

Aber Jesaja läßt nicht locker. Er bietet jetzt ein Zeichen Gottes an. "Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns." Ein Zeichen von Gott angeboten zu bekommen, bedeutet die Bekräftigung der Zusage Gottes. Es soll gewissermaßen beweisen, daß Gott mit Ahas und Juda ist.
So ein Zeichen anzunehmen, würde aber bedeuten, sich Gott zuzuwenden - sich herauszubegeben aus der Sicherheit des eigenen Planens und einen Neuanfang zu wagen; es würde bedeuten, sich Gott anzuvertrauen. Doch genau das will Ahas nicht wagen. Er hat seine Pläne gemacht und läßt sich von niemandem dreinreden - auch nicht von Gott. Er geht lieber auf Nummer sicher; sein Entschluß steht fest, nicht mehr zur Diskussion, auch nicht für Gott; und so schlägt er das Zeichen Gottes aus und wendet sich ab.
Diese Eigenmächtigkeit bezahlte Ahas mit der Zerstörung Judas und dem Untergang seiner Dynastie.


"Siehe, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns" - auch Josef, den Verlobten Marias, hat diese Botschaft verunsichert:
Es hätte doch alles so schön werden können...eine junge Frau, die er liebt, Heirat, gemeinsame Kinder und ein ganz normales Familienleben.... Sicher hatte auch Josef eigene Pläne für die Zukunft, für sein weiteres Leben. Und jetzt die rätselhafte Schwangerschaft.... Verständlich, daß er sich von Maria trennen wollte; und angesichts der damals geltenden Rechtsvorschriften bewundernswert, daß er dies in aller Stille vorhatte, um Maria nicht bloßzustellen, um sie nicht zu gefährden.


Doch auch aus diesem Plan wird nichts, weil Josef - anders als Ahas, - auf Gottes Botschaft hört: "Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich..." - ohne weitere Ausschmückung wird der Glaube des Josef erzählt. Sicher ist es auch ihm nicht leicht gefallen, zu vertrauen und seine Pläne zu ändern - und doch hat er sich anvertraut, bereit, mit Gott neue Wege zu gehen.

Bei Matthäus ist Josef der erste, dem Gott das Geheimnis seiner Menschwerdung enthüllt. Matthäus zieht in seinem Evangelium eine Linie von Abraham zu Josef; und Josef erweist sich dieser Abstammung als würdig, weil er im Zweifelsfall mehr auf Gott als auf seine eigenen Pläne vertraut. Wie Abraham wird auch Josef von Gottes Wort zum Aufbruch aus dem Gewohnten in eine Zukunft gerufen, für die es keine anderen Garanten gibt als Gott selbst. Und deshalb ist Josef alles andere als eine im Grunde überflüssige Krippenfigur. Er ist der erste, an dem bei Matthäus deutlich wird, daß Glauben auch für den neutestamentlichen Menschen ein Sichverankern in Gott ist - trotz widersprüchlicher Überlegungen des eigenen Herzens und wider den Augenschein. Und nur aus dem Vertrauen auf Gott erklärt sich sein Handeln: Er stand auf, er tat, er nahm... Er hat sich aus dem Konzept bringen lassen, bereit, den schweren Weg zu gehen, den Gott ihm wies.

"Seht, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären und sie wird ihm den Namen Immanuel geben, das heißt übersetzt: Gott mit uns."

Liebe Gemeinde, es sind alles andere als liebliche und beschauliche Zusammenhänge, in denen uns die Verheißung des Jesaja entgegenkommt. Und auch wenn sie gefühlsmäßig nahtlos in die Vorweihnachtsstimmung paßt, stellt sie uns in ihren Zusammenhängen Fragen - Fragen, über die ein Nachdenken lohnt:

Wenn Gott mit uns ist - sind wir auch mit ihm?

Was erwarten wir von seiner Gegenwart - Bestätigung und Hilfe für unsere Pläne oder auch ganz neue Perspektiven?

Halten wir nur unsere Konzepte fest - oder lassen wir uns durch ihn auch auf neue Wege führen?

Bleiben wir taktierend innerhalb unserer Logik - oder fassen wir Vertrauen, Neues zu wagen?


Josef und Ahas - zwei Menschen, an die das Wort Gottes überraschend und herausfordernd ergeht; beide reagieren sehr unterschiedlich - wie hätten wir wohl reagiert?

Ich wünsche uns bei aller notwendigen Planung Beweglichkeit und Offenheit für die Nähe Gottes, die uns auch überraschende Wege weist. Amen.


Fürbitten zum vierten Adventssonntag 2004


Gott, unser Vater, Du hast uns in der Verheißung des Jesaja Deine Nähe zugesagt. Darauf vertrauen wir, wenn wir Dich bitten:


Laß die Machthaber die Wege des Friedens erkennen und gib ihnen den Mut, sie zu gehen.

Steh allen bei, die einsam und verzweifelt sind, und laß sie Deine Nähe spüren.

Gib den Kranken die Kraft, die sie brauchen, und heile Du, was möglich ist.


Hilf den Suchenden, zum Leben in Fülle zu finden.


Öffne alle Glaubenden für das Vertrauen in Dich und lass sie die nötigen Schritte tun.

Gott unser Vater, Du willst uns nahe sein - dafür danken wir Dir. Laß auch uns Dir näher kommen, heute uns alle Tage. Amen.


Einführung:

Noch sind wir im Advent, in der Zeit der Erwartung auf das Kommen des Herrn; und wir bereiten uns darauf vor - äußerlich und innerlich. Geleitet werden wir dabei von unseren Erwartungen an das Weihnachtsfest; wir machen Pläne, wie und mit wem wir es feiern werden - und ich denke, das ist gut so; schließlich soll es ja ein schönes Fest werden....

Aber trotz aller Vorbereitung bleibt der eigentliche Kern des Festes unverfügbar - das Kommen des Herrn läßt sich nicht planen. Sein Kommen ereignet sich oft anders, als erwartet und kann uns unsere Konzepte aus der Hand nehmen. Diese Erfahrung mußten schon biblische Personen machen. Die heutigen Lesungstexte stellen uns zwei Menschen vor, die ganz unterschiedlich auf das Nahekommen Gottes reagiert haben. Sie stellen uns die Frage, in welcher Haltung wir ihn erwarten.

   

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